18.04

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsparteien! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Gele­gen­heit nutzen, mich auch bei Wolfgang Mückstein für jene Zeit, die er der Politik zur Verfü­gung gestellt hat, zu bedanken, und ihm auch von dieser Stelle aus alles Gute wünschen.

Ich darf gleich zum neuen Sozialminister, Herrn Johannes Rauch, überleiten. Ich darf Sie auch recht herzlich willkommen heißen – im Namen meiner Fraktion und in meiner Funktion als Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Arbeit und Soziales. Ich hoffe auf eine gute und offene Zusammenarbeit.

Ich bewundere schon Ihren Mut und Ihre Entschlossenheit, diese schwierige Funktion zu übernehmen, im Wissen, dass Sie diese Funktion in einer Zeit übernehmen, in der Senioren auf die Straße gehen, weil sie aufgrund der Teuerung nicht mehr wissen, wie sie mit ihren Pensionen ihre Rechnungen bezahlen sollen, in einer Zeit, in der die Kurzarbeit leider wieder steigen wird, aufgrund dessen, dass die Produktion in Österreich mit seinen wirtschaftlichen Verflechtungen zu Russland und der Ukraine natürlich er­schwert wird, in einer Zeit, in der auch das Exportvolumen sinken wird, in der auch die Gefahr besteht, dass die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird und die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder sinken werden, das aber bei steigenden Wohn- und Lebenskosten. Umso mehr sind Ihre Absicht und Ihr Wollen, alles zu tun, dass die Armut in Österreich nicht weiter steigt, Maßnahmen dagegen zu setzen, sehr wichtig und begrüßenswert.

Herr Sozialminister, das Problem ist, dass die Regierung keine Maßnahmen gegen diese Teuerung setzt, dass die Regierung bis dato keine inflationseindämmenden Maßnahmen in Angriff genommen hat. Ich möchte gar nicht so weit zurückgreifen wie Kollege Loacker, sondern sagen, allein in den letzten fünf Jahren, in der Zeit der Kanzlerschaft der ÖVP, hat es einen Sozialabbau in Österreich gegeben. In diesen fünf Jahren durfte ich im Ausschuss sechs Sozialministerinnen und Sozialminister begleiten – sechs Minister in fünf Jahren! Das war eine Zeit, in der die Pensionen gekürzt wurden, in der ein Zwölf­stundentag und eine Sechzigstundenwoche per Gesetz ermöglicht wurden (Zwischenruf des Abg. Hörl), in der die Sozialversicherung zerschlagen wurde, in der die Selbst­verwaltung zurückgedrängt wurde, in der die Patientenmilliarde versprochen, aber nie realisiert wurde, in der – das war schon 2018 – eine Pflegereform versprochen wurde, die aber bis heute nicht gekommen ist, und in der – seit 2018 – die Armutsquote in Österreich steigt.

Ja, Herr Sozialminister, Sie sind zuständig für soziale Sicherheit. Sie sind zuständig für den sozialen Ausgleich in Österreich und Sie sind auch zuständig für die soziale Gerechtigkeit in Österreich, und wenn wir Sie da bei Ihren Vorhaben unterstützen dürfen, dann sind wir als Sozialdemokratische Partei gerne bereit, das auch zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Sozialminister, die Erwartungen an Ihre Person als Politprofi aus Vorarlberg, der sich jetzt entschieden hat, in die politische Bundesliga zu wechseln, sind wirklich sehr groß, und ich würde Sie wirklich bitten, alle Maßnahmen zu setzen, die jenen Menschen in Österreich helfen, die jetzt die Abfederung dieser wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Kriegs in der Ukraine dringend brauchen. Und das sind alle Berufsgruppen, das sind alle Menschen, das sind PensionistInnen, das sind Familien, das sind Arbeitnehmer, das sind aber auch Unternehmer, die jetzt unsere Unterstützung brauchen. Ich möchte daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Abmilderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat rasch ein Maßnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Kriegs in der Ukraine vorzulegen. Das Paket soll dabei unter anderem folgende Punkte umfassen:

- Inflationsdämpfende Maßnahmen, wie zum Beispiel eine befristete Halbierung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas oder ein Vorziehen der Pensionserhöhung für 2023.

- Die Ausarbeitung eines adaptierten Kurzarbeitsmodells gemeinsam mit den Sozial­partnern.

- Die Schaffung eines Krisenüberbrückungsfonds für vom Krieg betroffene Unter­nehmen.“

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Herr Sozialminister, Sie sehen, es ist ein Entschließungsantrag, der alle Berufsgruppen, Selbstständige, Unselbstständige, Senioren und Familien, abdeckt. Der Herr Bundes­kanzler hat heute in seiner Rede zu Beginn dieses Plenartages den Satz gesagt: Wir brauchen in Europa Geschlossenheit und Einigkeit gegen diesen Krieg.

Herr Sozialminister, wir brauchen aber auch in Österreich Geschlossenheit und Einigkeit gegen diese Teuerung und gegen jede Art von steigender Armut. (Abg. Litschauer: Beim Klimawandel ...!) Bitte unterstützen Sie unseren Entschließungsantrag! (Beifall bei der SPÖ.)

18.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch

Genossinnen und Genossen

betreffend: Abmilderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung des neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsu­mentenschutz sowie zur aktuellen Situation betreffend Ukraine

Inflation wird zu einem noch größeren Problem für viele Menschen

Die ohnehin bereits hohe Inflation wird durch den Krieg hoch bleiben und zumindest kurzfristig noch höher werden – für Februar schätzt die Statistik Austria bereits eine Inflationsrate um die 6% - im Jänner waren es noch 5,1% gewesen. Die Preistreiber bleiben dabei zunächst die Energiepreise – insbesondere Gas und Erdöl. Mit zuneh­mender Dauer des Konflikts wird es aber auch in anderen Segmenten aufgrund des Ausfalls bzw. der Verteuerung von Vorprodukten zu Preissteigerungen kommen. Das gilt insbesondere für den Lebensmittelbereich, wo die Ukraine ein wichtiger, globaler Getreidelieferant ist. ÖkonomInnen gehen daher allein im Bereich der Lebensmittel - nur durch den Krieg - von bis zu 5% Inflation in den nächsten Monaten aus. Die gestiegenen Gaspreise werden kurz- bis mittelfristig zu einer breiten Verteuerung der Produkte beitragen, sodass sich die Inflation auch auf alle anderen Produkte durchschlagen wird. Darüber hinaus wird es durch Sanktionen und Gegensanktionen zu Störungen in den globalen Lieferketten kommen – diese Störungen gab es schon in der Corona Krise und auch diese werden die Inflation auf hohem Niveau halten bzw. weiter antreiben. Für viele Menschen in Österreich ist die Teuerung der letzten Monate bereits nicht mehr ver­kraftbar – eine weitere Beschleunigung bzw. ein konstant hohes Niveau der Inflation hat dramatische soziale Auswirkungen.

Wirtschaft in Österreich bereits direkt betroffen

Die österreichische Wirtschaft hat in bestimmten Branchen enge Verflechtungen sowohl nach Russland als auch in die Ukraine. Die hohe Abhängigkeit von russischem Gas ist mittelfristig für die gesamte Industrie ein Problem. Kurzfristig sind auch die hohen Gas­preise ein Problem, weil sie die Produktionskosten auf breiter Front vergrößern. Ex- und Importe mit Russland halten sich jeweils mit 2 Mrd. € (0,5% des BIP) die Waage. Im Exportbereich nach Russland sind insbesondere Maschinen- und Anlagenbau (40% der Exporte nach Russland), der Pharmabereich (23% der Exporte) sowie Lebensmittel (11% der Exporte) betroffen. In die Ukraine werden Waren im Ausmaß von ca. 500 Mio. € aus Österreich exportiert und umgekehrt Waren im Ausmaß von 800 Mio. € aus der Ukraine nach Österreich eingeführt. Die wichtigsten Exportkategorien sind der Pharma­bereich (17%) und Maschinen- und Anlagen (16%). Bei den Importen sind es Mettalur­gische Erze (57%). Insgesamt scheinen die direkten wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland und der Ukraine gering – mit 2,5 Mrd. € an Exporten in die Ukraine und nach Russland sind nur 1,7% der gesamten österreichischen Exporte direkt betroffen.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen aber, dass es auch scheinbar kleine Vorprodukte aus der Ukraine sind, die in Europa bereits zu Produktionsschwierigkeiten führen. So fehlen den europäischen Autobauern Kabelstränge, die aus der Ukraine geliefert wer­den. Werke in Deutschland sowie in Österreich (z.B.: BMW Werk in Steyr) pausieren bereits oder sind kurz vor einem Stillstand. In der hochspezialisierten Produktion können Vorprodukte oft nicht – und besonders nicht sehr schnell – ohne weiteres substituiert werden. Auch in der holzverarbeitenden Industrie dürfte es jetzt schon zu Problemen kommen, weil Vorprodukte aus der Ukraine fehlen. Durch die Produktionsausfälle sind Arbeitsplätze und bei längerer Fortdauer der Krise möglicherweise ganze Standorte gefährdet.

Handeln bevor es zu spät ist.

Die Regierung wäre gut beraten, die Fehler der Corona-Pandemie nicht zu wiederholen. Ein zaghaftes und unkoordiniertes Vorgehen bei den Wirtschaftshilfen hat zu Beginn der Corona-Pandemie viel Arbeitsplätze gekostet und nach zwei Jahren Krise haben wir gesehen: Österreich zählt zwar zu den Ländern mit den höchsten Wirtschaftshilfen, gleichzeitig gibt es aber in der EU nur 5 Länder (lt. Daten der Europäischen Kommission) die seit Ausbruch der Corona-Pandemie eine schlechtere Wachstumsperformance als Österreich abgeliefert haben. Wir müssen daher aufpassen, nicht noch weiter abzu­rut­schen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat rasch ein Maßnahmenpaket zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Kriegs in der Ukraine vorzulegen. Das Paket soll dabei unter anderem folgende Punkte umfassen:

-           Inflationsdämpfende Maßnahmen, wie zum Beispiel eine befristete Halbierung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas oder ein Vorziehen der Pensionserhöhung für 2023.

-           Die Ausarbeitung eines adaptierten Kurzarbeitsmodells gemeinsam mit den Sozialpartnern.

-           Die Schaffung eines Krisenüberbrückungsfonds für vom Krieg betroffene Unter­nehmen.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Mag. Markus Koza. – Bitte, Herr Abgeordneter.