18.25

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Liebe Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Konflikte eskalieren zu Kriegen – überall auf der Welt, nun einmal auf europäischem Boden. Die Reaktionen Österreichs, der EU, der internationalen Staatengemeinschaft waren auf diese Kriegssituationen hin unterschiedlich, auch gegenüber demselben Aggressor – Putin –, denn bereits in Aleppo wurden Tausende Zivilistinnen und Zivilisten durch Putins grausame Spiele getötet und gefährdet. Wir können viel über die Ver­säumnisse der großen Politik gegenüber Putin reden, über mangelnde Distanz, kurz­sichtige, egoistische und daher falsche Entscheidungen, doch damit ist jetzt keinem der Kinder, die im Keller sitzen und sich fürchten, geholfen und keinem flüchtenden Men­schen gedient.

Ich glaube, wir hier sind uns noch nicht ganz des Ausmaßes der Katastrophe bewusst – die Zahl liegt heute bei zwei Millionen Flüchtenden; das UNHCR geht natürlich von weiteren Bewegungen aus –, das sollte aber die Richtschnur dafür sein, worauf wir als Politikerinnen und Politiker hier den Fokus legen: Wie helfen wir bestmöglich den vielen Menschen, die um ihr Leben bangen?

Wir reden mehr, aber es ist die Zivilgesellschaft in Europa, in Österreich, die wirklich mehr hilft, als dass sie redet – das Mitgefühl ist berührend –, mit Geld, Sachspenden in hohem Ausmaß, der Bereitstellung von Privatunterkünften, indem sie Menschen mobi­lisiert. Das kennen wir, das haben wir schon einmal erlebt: 2015 und die Jahre danach.

Die damalige Hilfe wurde in den letzten Jahren selten anerkannt und oft vonseiten der Regierung schlechtgeredet. Auch heute hat Bundesministerin Raab im Interview bewiesen, dass es noch weiter so gesehen wird. Sie sagte, es sei jetzt eine ganz andere Situation als 2015.

Aber auch schon die letzten Jahre kamen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien und Afghanistan – eine Mehrheit der Asylwerber kam von dort –, und da in gute und schlechte Flüchtlinge und somit in gute und schlechte Hilfe durch die Zivilgesellschaft zu unterscheiden ist zynisch. Sie als Regierung sollten einfach dankbar sein für das große Engagement, das auch jetzt wieder auflebt, insbesondere deswegen, weil das Innen­ministerium es unterlassen hat, sich in den letzten Jahren resilient und effizient auf neue Flüchtlingsbewegungen einzustellen, und zwar sowohl, was Asylverfahren, als auch, was die Unterbringung betrifft.

Auf europäischer Ebene hat man sich auch durchgehend destruktiv gezeigt. Umso erfreulicher ist es jetzt, dass man eingeschwenkt hat, weil man gemerkt hat, dass man nur gemeinsam in Europa tätig werden und konstruktiv zu Lösungen finden kann, denn letzte Woche wurde die Massenzustromrichtlinie auch mit Zustimmung Österreichs aktiviert. Das ist historisch und sehr zu begrüßen, denn dadurch müssen aus der Ukraine geflüchtete Menschen kein langwieriges Asylverfahren auf sich nehmen, sondern erhalten in der EU sofort einen Schutzstatus, sofort Zugang zum Arbeitsmarkt, zur Schule, zur Krankenversicherung und Sozialleistungen.

Weil wir schlecht aufgestellt sind, braucht die Regierung da so viel Hilfe, wie sie be­kommen kann. Das beginnt bei der Unterbringung. Wie der Rechnungshof kritisch fest­gestellt hat, sind wir da ganz mangelhaft aufgestellt, aber leider auch, was die Unter­bringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen betrifft. Darunter haben die letzten Jahre schon viele Kinder gelitten, und – das habe ich schon öfter mit dem Minister diskutiert – die Lage verbessert sich viel zu langsam.

Wenn ich jetzt aber vom Kanzler höre, man sollte illegale Fluchtrouten schließen, wenn ich höre, dass die EU-Kommissarin von der Gefahr von Menschenhandel spricht – und Save the Children jetzt von 800 000 Kindern, viele unter 14 Jahre, viele unbegleitet, ausgeht –, entgegne ich: Wir könnten sichere Korridore auch nach Österreich bilden und direkt aus dem Nachbarland Kinder retten, bevor sie weiter in Gefahr sind. Das wäre eine konkrete Hilfe für die Vulnerabelsten. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn die Menschen dann hier sind, so wurde ihnen versprochen, würden sie rasch und unbürokratisch Hilfe bekommen. Rasch heißt in einer humanitären Notlage nicht inner­halb von Wochen, sondern von Tagen, und diesbezüglich werden wir langsam säumig. Wir müssen die Richtlinie durch Verordnung im Hauptausschuss umsetzen. Was ist es, das da jeden Tag, jede Stunde nicht geschieht? – Schutzsuchende kommen nach Österreich, mittlerweile Tausende pro Tag, und es gibt keine offizielle Registrie­rung. Es gibt keine Regelung, wie sie in die Grundversorgung kommen. Der nächste Punkt: Sie sind nicht krankenversichert. Sie sitzen irgendwo herum, teilweise verwun­det – physisch oder psychisch – und haben keinen Zugang zu medizinischer Versor­gung. Das heißt, wir müssen diese Verordnung ganz schnell im Hauptausschuss an­nehmen, um unbüro­kratische Hilfe zu ermöglichen.

Wenn sich die Regierungsmitglieder zu Wort melden, möchte ich eines einmahnen – der Herr Innenminister hat Folgendes gemeint: „Wir brauchen rasche und unbürokratische Hilfe für ukrainische Kriegsflüchtlinge, da hilft es nicht, wenn wir Drittstaatsangehörige mit einbeziehen“.

Ich ersuche Sie, hier nicht zu verwirren: Ganz klar ist nach der Richtlinie auch derjenige, der in der Ukraine auch schon Asyl erhalten hat, hier ins schnellere Prozedere zu nehmen, das heißt sehr wohl auch Afghanen, Syrer und Menschen, die schon einmal in ihrem Leben als Flüchtling anerkannt sind und jetzt wieder fliehen müssen. Sie haben hier auch diesen Schutz zu genießen.

Lassen Sie dieses Verwirrspiel, diese harte Kante, das ist einfach der ganzen Debatte nicht würdig! Wir haben hier eine unfassbare humanitäre Notsituation. Es ist keine Zeit für Spielchen mit Worten, handeln Sie einfach – damit haben Sie ausreichend zu tun und sind ausgelastet! Danken Sie der Zivilgesellschaft, wo immer sie einspringt, und nehmen Sie sie mit! (Beifall bei den NEOS.)

18.30

Präsident Ing. Norbert Hofer: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner ist der nächste Redner. – Bitte, Herr Abgeordneter.