18.51
Abgeordnete Dr. Susanne Fürst (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Minister! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bringe einen Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ja zur Neutralität – Nein zum NATO-Beitritt!“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, an der immerwährenden Neutralität gemäß dem Neutralitätsgesetz festzuhalten, in deren Sinne auf EU-Ebene zu agieren und den Beitritt zu Militärbündnissen wie der NATO ausdrücklich auszuschließen.“
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Dieser Antrag wurde aufgrund der von Bundeskanzler Nehammer an vorderster Front – völlig überflüssigerweise, und in einer solchen Lage, in der wir uns in Europa befinden, auch sehr heikel – angezettelten Neutralitätsdebatte notwendig. Er ruderte zurück, meinte dann, sie stehe nicht zur Debatte. Seine heutige vor einigen Stunden abgegebene Erklärung hat bewiesen, dass sie doch zur Debatte steht, denn bei allem Bekenntnis zur Neutralität, auch jetzt von der Vorrednerin Jeitler-Cincelli, merkt man an den weiteren Ausführungen, dass sie die Neutralität und den Inhalt und den Auftrag der Neutralität nicht verstehen (Zwischenruf bei der ÖVP), und dass auch der Bundeskanzler die Rolle und die Aufgabe, die ihm die Neutralität da zuweist, nicht begreift.
Wir haben ein Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die immerwährende Neutralität, die aus freien Stücken beschlossen wurde. Wir haben daraus Verpflichtungen: die dauernde Behauptung der Unabhängigkeit Österreichs nach außen, kein Beitritt zu militärischen Bündnissen, keine Errichtung militärischer Stützpunkte, keine fremden Truppen in Österreich. In Friedenszeiten verpflichtet sie uns zum Aufbau einer wehrhaften Landesverteidigung; das haben wir tatsächlich sträflich vernachlässigt, hat aber die Freiheitliche Partei immer verlangt. Im Kriegsfall verpflichtet sie zur Nichtteilnahme am Krieg und an militärischen Konflikten – was nicht heißt, dass man keine Meinung hat, nicht Stellung bezieht und keine humanitäre Hilfe leisten kann. Das kann man natürlich, aber zur nicht aktiven Teilnahme an Kriegen gehört zum einen, differenzierte Standpunkte, differenzierte Sichtweisen zuzulassen und zum anderen zurückhaltende Rhetorik. Zu beidem ist unsere Bundesregierung leider nicht fähig.
Man kann nur dann Neutralität ausüben, die vermittelnde, diplomatische Funktion, die sich daraus ergeben würde und für die Österreich so geschätzt wurde, wenn man bereit ist, da nicht nur einseitig Partei zu ergreifen, sondern auch die Rolle der EU, des Westens und der Nato betrachtet. Man kann nicht davon reden, Russland an den Verhandlungstisch zu bringen, und – was wir alle wollen – dass die Waffen ruhen sollen, gleichzeitig aber die EU und Brüssel unterstützen, wenn sie der Ukraine Beitrittsverhandlungen zusprechen. Davon müsste er sich distanzieren, und unnötige Beleidigungen, historische Halbwahrheiten, Provokationen, also schlichtweg konfliktschürende Rhetorik, sind zu unterlassen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Eßl.)
Er muss auch die Interessen der österreichischen Bevölkerung wahren. Das vergisst er vollkommen. Er muss uns auch sicherheitspolitisch und natürlich auch wirtschaftlich stützen – was er nicht tut.
Er hat heute von: „Brücken bauen“, Dialog anbieten gesprochen, er fordert den Dialog sogar ein. – Na ja, dann wird es klappen. Das ist nichts mehr. Das ist vorbei! Wir haben keine Vermittlerfunktion mehr, denn das geht mit einer solchen Parteilichkeit nicht zusammen. Die Vermittler sind nun die Türkei und China – schade um die Chance! –, die wahren diese nun, und die wahren auch die Interessen ihres Landes und ihrer Bevölkerung besser. (Beifall bei der FPÖ.)
18.56
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst
und weiterer Abgeordneter
betreffend Ja zur Neutralität – Nein zum NATO-Beitritt!
eingebracht im Zuge der Debatte über die allfälligen Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung des neuen Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie zur aktuellen Situation betreffend Ukraine in der 145. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 8. März 2022
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist zu verurteilen und es muss alles unternommen werden, um zu einer friedlichen Lösung des Konflikts beitragen zu können. Österreich hat eine erfolgreiche und jahrzehntelange Tradition, in schwierigen außenpolitischen Lagen zu vermitteln und einen Beitrag zur Konfliktlösung zu leisten. Wie sich zeigt, hat sich Österreich nunmehr an zahlreichen restriktiven Maßnahmen der EU als Reaktion auf die Krise in der Ukraine beteiligt.1 Das Sanktionsregime gegen Russland wurde vom Prinzip der Einstimmigkeit getragen, Österreich hat dieses trotz seiner Verpflichtung zur immerwährenden Neutralität mitgetragen.2
ÖVP und Grüne schicken Österreich – unter Außerachtlassung der österreichischen Neutralität – damit auf eine wirtschaftspolitische Geisterfahrt. Viele heimische Unternehmen sind in der Ukraine und in Russland aktiv, auch mit Produktionsstätten und Niederlassungen. In der Ukraine gibt es ca. 200 Niederlassungen österreichischer Unternehmen. In Russland sind rund 650 österreichische Unternehmen mit Niederlassungen vertreten. Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen Österreichs in Russland 4,6 Mrd. Euro. Umgekehrt investiert Russland 21,4 Mrd. Euro in Österreich. Russland ist damit nach Deutschland der größte Investor in Österreich. Rund 500 russische Firmen sind in Österreich vertreten. Das zeigt die enorme wirtschaftliche Verbundenheit und ist ein weiterer wichtiger Grund, auf eine rasche Beendigung des Kriegs hinzuwirken.
Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden den momentanen Konflikt keineswegs lösen, aber sie treffen mit einem Bumerang-Effekt unsere eigene Wirtschaft und Versorgungslage. Insbesondere die Unterbindung von Erdöl- und Erdgaslieferungen aus Russland nach Europa wird für den Energiesektor und die Energieversorgung der österreichischen Bevölkerung unkalkulierbare negative Folgen haben.
Von all dem unbeeindruckt, macht unsere Regierung bei einer Verschärfung der Sanktionen unkritisch mit und setzt auf Restriktionen wie Luftraumsperren für zivile russische Flugzeuge. Auf Sanktionen folgen Gegensanktionen. Die EU steuert damit auf einen offenen Konflikt mit Russland zu und Österreich ist Passagier. Die Vertreter Österreichs haben sich daher bei den weiteren Beratungen auf Ebene der Europäischen Union endlich auf die neutrale Position unseres Landes zu besinnen. Der Weg zurück zur Diplomatie darf nicht verbaut werden. Es muss für uns als neutrales zentraleuropäisches EU-Mitgliedsland ein Ziel sein, weiterhin eine vermittelnde Rolle zu spielen. Man muss einer friedlichen Lösung den Weg bahnen. Ansonsten droht die Situation in der Ukraine immer weiter militärisch zu eskalieren.
Österreich hat sich im Jahr 1955 zur immerwährenden Neutralität verpflichtet – eine Errungenschaft, auf die Österreich zu Recht stolz war. Umso mehr ist es mit großer Sorge zu betrachten, wie Österreichs Neutralität aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der EU und im Zuge des Ukraine-Konflikts untergraben wird. Ranghohe ÖVP-Vertreter denken bereits über deren Abschaffung nach.3 Die schwarz-grüne Regierung hat den Weg der Neutralität und des Vermittlers verlassen. Zum Schaden der großen Mehrheit der Österreicher, welche die Kriegstreiberei entschieden ablehnt und die Neutralität hochhält.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, an der immerwährenden Neutralität gemäß dem Neutralitätsgesetz festzuhalten, in deren Sinne auf EU-Ebene zu agieren und den Beitritt zu Militärbündnissen wie der NATO ausdrücklich auszuschließen.“
1 https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-ukraine-crisis/history-ukraine-crisis/
2 https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-sanktionen-russland-ukraine-103.html
3 https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6108127/NatoBeitritt_Wegen-russischem-Angriff_OeVP-stellt-Neutralitaet
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bedrana Ribo. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.