19.06

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Seit zwei Jahren stehen unser Land, Europa und eigentlich die ganze Welt aufgrund eines Virus Kopf.

Corona hat uns auch heute noch fest im Griff. Es ist heute noch nicht erwähnt worden: Wir verzeichnen 45 Tote und weitere 31 000 Neuinfektionen, und diese Zahlen und die damit verbundenen Schicksale von Menschen dürfen uns nicht kaltlassen. Wir sehen, es ist nicht vorbei, es ist nicht zu Ende, nämlich leider gar nichts. Und wir stecken bei diesen fürchterlichen Zahlen, die wir tagtäglich hören, in horrenden Auswirkungen der Pandemie.

Es ist in der x-ten Regierungserklärung heute leider wenig bis gar nichts zu den aku­testen Themen gekommen. Der Einzige, der es zum Thema gemacht hat, ist der heute angelobte Gesundheits- und Sozialminister. Der Rest hat dazu nichts gesagt, nämlich zum Beispiel zur hohen Arbeitslosigkeit. Menschen sind arbeitslos. Was tut man dagegen?

Mieten, Lebensmittelpreise, Heizen, Benzinpreise explodieren und viele Menschen sind dadurch armutsgefährdet. Frauen, Kinder und Männer leben in einem der reichsten Länder der Welt in Armut, während die wenigen Reichen, die es gibt, immer reicher werden. Und wir hören nichts dazu! (Beifall bei der SPÖ.)

Was tun Sie, um Armut zu bekämpfen? Was tun Sie, um die Preisexplosionen einzudämmen? Was tun Sie? Ihre Antworten: Einmalzahlungen, Almosen. Wo ist auch die Unterhaltsgarantie, die versprochen worden ist? Wo sind Arbeitsmarktprogramme?

Geschätzte Regierungsmitglieder! Schönwetterreden und Dankesreden am Internatio­nalen Frauentag wollen wir nicht und wollen wir auch nicht mehr hören. Wir Frauen wollen Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen. Das bedeutet Gleichstellung, nämlich am Arbeitsmarkt und überall anders auch. Also rauf mit den Einkommen, rauf mit den Löhnen und Gehältern für die Frauen! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir jedoch von Ihnen hören, werte Regierung, ist: Es ist etwas passiert!, und: Es ist schon wieder etwas passiert!; Rücktritte von MinisterInnen, Rücktritte von Bundes­kanz­lern; die Kanzlerpartei unter Korruptionsverdacht, ein eigener Untersuchungsausschuss wurde erneut installiert (Zwischenruf der Abg. Baumgartner); Wechsel in der Regierung, drei Bundeskanzler innerhalb kürzester Zeit, und nun der dritte Gesundheits- und Sozialminister.

Herr Minister Rauch, ich wünsche Ihnen an dieser Stelle im Sinne der Menschen in Österreich alles, alles Gute, auf dass Sie es besser machen, dass Sie länger durch­halten. Ich wünsche Ihnen dafür wirklich viel Kraft.

Und nun, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, ist schon wieder etwas passiert: Ehe­malige und aktive PolitikerInnen rütteln an der Neutralität. Wie zynisch und wie unfassbar ist das? Denn ganz ehrlich: Wer das tut, hat die Bundesverfassung, obwohl darauf angelobt, nicht verstanden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer an der Neutralität rüttelt, verlässt außerdem den österreichischen Weg der aktiven Friedenspolitik. Ich sage es Ihnen ehrlich, diese Performance der Politik lässt nicht nur zu wünschen übrig, sie ist beängstigend und sie schafft Unsicherheit. Die Neutralität infrage zu stellen werden wir als Sozialdemokratie niemals akzeptieren und schon gar nicht hinnehmen – ganz im Gegenteil! Wir fordern mit aller Vehemenz von Ihnen echte und umfassende aktive Neutralitätspolitik und echte humanitäre Hilfe. Mit Verlaub, Helme oder Schutzwesten als humanitäre Mittel zu bezeichnen und diese auch unter diesem Titel ins Kriegsgebiet zu übermitteln, das ist inakzeptabel – einfach inakzeptabel! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir fordern echte Friedenspolitik. Das heißt: Lassen Sie Österreichs Tradition aufleben – nicht nur wegen der Tradition –, bieten Sie Friedensverhandlungen auf österreichischem Boden an, laden Sie dazu ein! Tun Sie wirklich alles, was im Bereich der Diplomatie möglich ist. Wir lesen und hören leider sehr wenig dazu. Es gäbe wirklich viel zu tun.

Wir als Österreich sind verpflichtet, einen Beitrag zum Frieden für alle zu leisten. Das heißt verhandeln, verhandeln, verhandeln, solidarisch mit der ukrainischen Bevölkerung zu sein, solidarisch mit allen Geflüchteten zu sein, solidarisch mit RussInnen zu sein, die im eigenen Land mutigst Widerstand leisten. Wir sind verpflichtet, ohne Wenn und Aber zu helfen, echte humanitäre Hilfe zu leisten, geflüchtete Menschen in Österreich aufzunehmen und durch friedensschaffende Verhandlungen für einen Waffenstillstand zu sorgen. Deshalb, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen betreffend „huma­nitäre Hilfe für die Bevölkerung in der Ukraine und Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die humanitäre Hilfe für die Ukraine rasch und massiv aufzustocken und sich mit Nachdruck für einen Waffen­still­stand und die rasche Schaffung humanitärer Korridore zu engagieren, um entsprechend humanitäre Hilfe vor Ort leisten zu können.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, rasch die erforderlichen inner­staatlichen Vorkehrungen für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu treffen und die durch die EU-Richtlinie für die Gewährung vorübergehenden Schutzes vorgege­benen Kriterien und Mindeststandards umzusetzen. Dabei geht es insbesondere um eine angemessene Unterkunft, notwendige Hilfe in Form von Sozialleistungen, medizini­sche Versorgung und den Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Bildungssystem.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, auch die zahlreichen privaten Hilfs­initiativen für die ukrainische Bevölkerung logistisch zu unterstützen.

Schließlich wird die Bundesregierung aufgefordert, sich aktiv in die internationalen Ver­mittlungsbemühungen für eine Einstellung der Kämpfe und für Wege zu einer diplo­matischen Lösung des Konflikts einzubringen und dabei Wien als Standort für Ge­spräche vorzuschlagen.“

*****

Ich darf Sie um breite Zustimmung bitten, weil es um Menschen geht, weil es um Men­schenrechte geht, weil es um Hilfe geht.

Abschließend, werte Kollegen und Kolleginnen, frei nach Bertha von Suttner: Nieder mit den Waffen, her mit dem Frieden für alle! Dafür muss das immerwährend neutrale Österreich aufstehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits,

Genossinnen und Genossen

betreffend humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in der Ukraine und Aufnahme von Flücht­lingen aus der Ukraine

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärung des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG-NR anlässlich der Ernennung eines neuen Bundes­ministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie zur aktuellen Situation betreffend Ukraine

Der österreichische Nationalrat hat in einer Entschließung vom 24. Februar 2022 den vom Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin angeordneten Angriff auf die Ukraine klar als gravierende Verletzung des Völkerrechts und ungerechtfertigten Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine verurteilt und sich u.a. für eine Waffenrufe, laufende Bemühungen für eine Rückkehr zu einer Verhandlungs­lösung, die Verhängung zusätzlicher Sanktionen auf EU-Ebene und humanitäre Hilfe für die Ukraine ausgesprochen.

Die Lage für die Menschen in der Ukraine hat sich durch die anhaltenden, erbitterten Kämpfe dramatisch zugespitzt. Die Berichte über Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser mehren sich und geben Anlass zu größter Sorge.

Die UNO und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen haben drastische Warnungen hinsichtlich der Versorgungslage der Zivilbevölkerung in der Ukraine ausgesprochen. In Kiew und Charkiw drohen Nahrungsmittel und Trinkwasser auszu­ge­hen. Die Menschen in der Ukraine sehen sich einer humanitären Katastrophe mitten in Europa gegenüber. Die Vereinten Nationen gehen schon jetzt davon aus, dass allein für die ersten drei Monate ein Bedarf an über 1,1 Milliarden Dollar an humanitärer Soforthilfe in der Ukraine besteht. Weitere Mittel sind notwendig, um den Flüchtlingen zu helfen, die in die Nachbarländer geflohen sind. Nach Angaben des UN-Flücht­lings­hilfswerks han­delt es sich dabei bereits um mehr als 1,5 Millionen Menschen.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bereitet sich auf die Ankunft von Millio­nen Flüchtlingen vor und haben sich Anfang März d.J. darauf verständigt, Kriegs­flüchtlinge aus der Ukraine schnell und unkompliziert aufzunehmen. Dafür gilt es nun auch in Österreich umgehend Vorbereitungen zu treffen.

Österreich hat bisher 17,5 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Ver­fügung gestellt, es ist aber angesichts der dramatischen Situation notwendig, weitere humanitäre Hilfe zu leisten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die humanitäre Hilfe für die Ukraine rasch und massiv aufzustocken und sich mit Nachdruck für einen Waffen­still­stand und die rasche Schaffung humanitärer Korridore zu engagieren, um entsprechend humanitäre Hilfe vor Ort leisten zu können.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, rasch die erforderlichen inner­staatlichen Vorkehrungen für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine zu treffen und die durch die EU-Richtlinie für die Gewährung vorübergehenden Schutzes vorge­ge­benen Kriterien und Mindeststandards umzusetzen. Dabei geht es insbesondere um eine angemessene Unterkunft, notwendige Hilfe in Form von Sozialleistungen, medizini­sche Versorgung und den Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Bildungssystem.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, auch die zahlreichen privaten Hilfsinitia­tiven für die ukrainische Bevölkerung logistisch zu unterstützen.

Schließlich wird die Bundesregierung aufgefordert, sich aktiv in die internationalen Ver­mittlungsbemühungen für eine Einstellung der Kämpfe und für Wege zu einer diplo­matischen Lösung des Konflikts einzubringen und dabei Wien als Standort für Ge­spräche vorzuschlagen.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.