9.08
Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Frau Ministerin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir machen heute das Thema Teuerung, steigende Preise – leider, muss ich sagen – wieder zum Thema in diesem Hohen Haus, weil es eben das aktuelle Thema, das aktuelle Problem sehr, sehr vieler Menschen in Österreich ist, weil die Preise für das tägliche Leben eigentlich seit Monaten, nicht erst seit gestern durch die Decke gehen: beim Wohnen, beim Heizen, beim Einkaufen im Supermarkt, beim Tanken.
Das spüren viele Menschen, für viele ist das existenzbedrohend. Darunter sind viele Familien, Pensionistinnen und Pensionisten, AlleinerzieherInnen, die nicht wissen, schon vor der Teuerung, wie sie finanziell durchs Leben kommen, aber auch viele junge Menschen, die noch an der Universität oder in der Lehre in ihrer Ausbildung stehen und diesbezüglich Probleme haben.
Diese Menschen können es sich nicht aussuchen, sie haben keine Wahl, denn jeder und jede muss heizen, jeder braucht Strom, jeder muss essen. Sehr viele sind auf das Auto angewiesen, weil die Öffis nicht überall ausgebaut sind – das ist nun einmal der Fall –, und jeder muss wohnen.
Deshalb ist es wichtig, dass nicht irgendwann geholfen wird, dass nicht nur angekündigt wird, sondern dass jetzt rasch geholfen wird. (Beifall bei der SPÖ.)
Ihre neuerlichen Ankündigungen vom letzten Sonntag waren aus meiner Sicht und aus Sicht vieler aber einfach eine vergebene Chance, da zu helfen. Ich denke, der ehemalige Chefredakteur einer großen österreichischen Tageszeitung brachte es gestern auf den Punkt, als er von einem wie ein bunter Luftballon aufgeblasenem Antiteuerungspaket gesprochen hat. So beschreibt er Ihre Maßnahmen, die Sie am Sonntag gegen die Teuerung vorgestellt haben. Es ist eine vergebene Chance, den Menschen in dieser Zeit so hoher Preise, die seit Jahrzehnten nicht in dieser Dimension da waren, zu helfen, den Menschen in dieser Zeit wieder festen Boden unter den Füßen zu geben. Es ist nämlich alles andere als sofort, was Sie präsentiert haben. Es ist alles andere als treffsicher, wenn nach Ihrer Rechnung jetzt ein Besserverdiener, ein Filialleiter, der 6 000 Euro verdient, doppelt so viel Pendlerpauschale wie seine Assistentin bekommt, die ein Drittel verdient, nämlich 2 000 Euro. Sie bekommt nur die Hälfte. Das ist nicht treffsicher, das ist nicht sozial. (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist insgesamt einfach nicht ausreichend. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist viel Propaganda und wenig Entlastung. Dabei wäre es gar nicht so schwierig. Sie müssten nur schauen, was andere europäische Länder seit Monaten (Abg. Wöginger: Ja, genau, Deutschland!), nicht erst seit Sonntag, seit Monaten machen, Herr Wöginger. (Abg. Wöginger: Ja, Deutschland! – Zwischenruf bei den Grünen.)
In Slowenien tanken die Menschen, übrigens auch viele Österreicherinnen und Österreicher, denselben Sprit wie wir in Österreich. Wissen Sie, was der dort kostet? – 1,50 Euro der Liter – 1,50 Euro! (Ruf bei den Grünen: Deswegen fahren ja so viele ...!) Wissen Sie warum? – Weil die Regierung dort einen Deckel, einen Höchstpreis für Benzin und für Diesel festgesetzt hat. Dort konnte man schon gleich und sofort helfen. Das ist auch der Grund dafür, warum in Slowenien Mineralölkonzerne jetzt gerade weniger Gewinne am Rücken der Steuerzahlerinnen und der Steuerzahler machen als in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
Es ist aber nicht nur Slowenien: Es sind insgesamt sieben EU-Länder, wo die Energiepreise gedeckelt, reguliert wurden, wo es Obergrenzen gibt, damit die Menschen sich das eben noch leisten können. In elf EU-Ländern wurde die Steuer auf Sprit, Gas oder Strom gesenkt, so wie wir, die Gewerkschaft, viele Experten das seit Monaten fordern und vorschlagen.
Wissen Sie, was der Unterschied zwischen diesen Ländern, die gehandelt haben, die den Menschen, dem Volk in dieser schwierigen Zeit helfen, und der österreichischen Bundesregierung ist? – Dort wurde von der Regierung das Problem erkannt, dort gibt es einen politischen Willen und dort wurde gehandelt und geholfen. Das wäre die Aufgabe jedes Regierenden – auch in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)
In einer Zeit wie dieser, in der die Preise rasant steigen und die Menschen von Tag zu Tag einfach nicht mehr wissen, wie es sich hinten und vorn ausgehen soll, ist nämlich alles gut, was sofort hilft. Warum geht das alles nicht in Österreich? Das fragen sich wirklich viele, die vor allem in Slowenien sehen, wie niedrig die Preise dort sind. Warum gibt es von Ihnen seit Monaten nur Ankündigungen? Das Problem mit Ankündigungen und mit heißer Luft in bunten Luftballons ist, dass man mit Ankündigungen keine Gasrechnungen, keine Stromrechnungen bezahlen kann, keine Tanks füllen kann; und man kann auch keinen Einkaufswagen im Supermarkt damit füllen und den Inhalt bezahlen.
Wie schaut aber die Realität denn jetzt, nach diesem Sonntag aus? Ist das Tanken jetzt durch Sie günstiger geworden? – Nein. Wird die Miete jetzt günstiger? – Nein, das Gegenteil ist der Fall. Ist das Einkaufen im Supermarkt günstiger? – Nein. (Abg. Hörl: Wann waren Sie das letzte Mal im Supermarkt?) Wird die Gas- und Stromrechnung für die Menschen in Österreich spürbar – spürbar! – günstiger? – Nein. Die Wahrheit ist, alles bleibt teuer – und das ist ein Riesenproblem. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler, Sie wissen es, denn – wie ich glaube – Sie haben genug Expertinnen und Experten, die Ihnen das tagtäglich sagen: Die aktuelle Inflation liegt bei fast 6 Prozent. Ab 1. April werden die Mieten, die Richtwertmieten in Österreich um 6 Prozent angehoben. Wissen Sie warum? – Weil Sie sich geweigert haben, da unserer Forderung, der Forderung vieler Experten nachzukommen, diese Anhebung heuer wieder auszusetzen, um einer Million Menschen, die in diesen Mietwohnungen leben, wirklich eine Entlastung zu bringen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)
Die Gesamtbelastung – und es wird mehr werden, das sagen alle, diese Inflation stoppt ja nicht heute – liegt für eine Durchschnittsfamilie jetzt schon bei etwa 2 000 Euro im Jahr. Das ist sehr viel. Wissen Sie, was Ihr Paket ausmacht? – Ein paar Hundert Euro, die Sie den Menschen – wie ein Tropfen auf den heißen Stein – quasi wie Almosen zuwerfen. (Ruf bei der FPÖ: Gleichzeitig ... bei den Steuern!)
Wenn es jetzt darum geht, in dieser schwierigen Zeit Millionen Menschen in Österreich zu helfen, dann wird von dieser Bundesregierung plötzlich sehr lang diskutiert. Plötzlich wird gefragt: Ist es sozial treffsicher? Wochen-, monatelang wird mit diesen Scheindiskussionen, so würde ich es nennen, zugebracht. Es wird gefragt, ob es EU-rechtlich in Ordnung ist. Plötzlich ist alles schwierig. Plötzlich ist alles teuer, wenn es um Millionen von Menschen geht.
Wissen Sie, was ich vermisst habe? – Dass Sie dieselbe Diskussion geführt und dieselben Fragen gestellt haben, als es vor ein paar Monaten und Jahren um Steuererleichterungen für einzelne Ihnen nahestehende Persönlichkeiten gegangen ist. (Beifall bei der SPÖ.) Ich habe auch Ihre Sorge und die Diskussion in Ihrer Bundesregierung vermisst, als es um die raschen Steuersenkungen auf Aktiengewinne gegangen ist. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Ich habe diese Sorge und diese Diskussion von Ihnen vermisst, als es um die Senkung der Konzernbesteuerung gegangen ist. Da ging es sehr schnell. Da wurde nicht monatelang diskutiert, sondern da wurde gehandelt. Das sind Ihre Prioritäten, sehr geehrter Herr Bundeskanzler.
Man muss die Menschen jetzt auch breiter entlasten – deswegen: rasche Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. Vorgezogene Pensionsanpassung ist das Gebot der Stunde, denn die Pensionistinnen und Pensionisten müssen die Rekordinflation jetzt und nicht erst nächstes Jahr abgegolten bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)
Sie wirken hier hilflos, willenlos und planlos. Egal, ob bei der Pandemie, bei der Teuerung, überall zeigt sich dasselbe Bild. So werden wir aus dieser Krise nicht herauskommen.
Wissen Sie, was eine Frau, die ich gestern in einer Bäckerei gehört habe, als sie sich mit der Verkäuferin unterhalten hat (Zwischenruf des Abg. Loacker), über die Bundesregierung gesagt hat? – Sie hat gesagt: Die leben ja auf dem Mond!
Wissen Sie was? – Diese Frau hat recht. Sie leben auf dem Mond (Beifall bei der SPÖ), Sie leben weit von der Realität der Menschen weg, Sie leben weit von den wahren Problemen weg. Das ist abgehoben und das ist empathielos. (Zwischenruf des Abg. Fürlinger.) Das ist eine Politik im Elfenbeinturm – und die ist grundsätzlich ein Problem, aber in einer Krise umso mehr. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Eines ist sicher, Herr Bundeskanzler: Die Österreicherinnen und Österreicher werden Ihnen dafür eine Rechnung präsentieren – und auch die wird von Tag zu Tag teurer. (Beifall bei der SPÖ.)
9.18
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte sehr.