9.18
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben! (Ruf bei der SPÖ: Herr Bundeskanzler! – Abgeordnete der SPÖ zeigen Tafeln mit der roten Aufschrift „Wohnen, Heizen, Tanken, Essen ... so teuer wie noch nie!“ sowie Tafeln mit der roten Aufschrift „Echte Teuerungsbremse jetzt!“) Es sind tatsächlich schwere Zeiten. Es sind tatsächlich Zeiten, die dazu angetan sind, darüber nachzudenken, wie wir den Menschen wirklich helfen können. Wir sind dazu angetreten und angehalten, auch tatsächlich auf das zu reagieren, was in der Welt passiert. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Es reicht!)
Sie haben recht, die Energiepreise waren schon zu Jahresbeginn ein Problem. Das war sichtbar und spürbar für die Menschen. Zu all dem kam noch ein Krieg dazu. Das ist tatsächlich eine unglaubliche Katastrophe für Europa, aber vor allem für die Menschen in der Ukraine. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Aus den Kriegsfolgen heraus entstehen große Herausforderungen für die europäische Wirtschaft wie die Weltwirtschaft. (Ruf bei der ÖVP – in Richtung SPÖ –: Es reicht!)
Wie komme ich zu dem Punkt? (Abg. Hafenecker: Das weiß ich auch nicht!) Das Thema, das uns alle beschäftigt, ist (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Was sind die Konsequenzen des Krieges? (Abg. Belakowitsch: Nein, das ist nicht das Thema!), und die Konsequenzen des Krieges sind unter anderem hohe Energiepreise und Zuliefererausfälle (Abg. Belakowitsch: Nein, Sie haben gerade gesagt ...!), die noch weit über das Maß hinausgehen, das Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner angesprochen hat. (Abg. Kassegger: Beides falsch!) Die Ukraine ist einer der größten Autozulieferer (Abg. Belakowitsch: Falsche Analyse, keine Lösung!), und der Einmarsch der Russischen Föderation und der Krieg führen dazu, dass die Produktion ausfällt, das führt dazu, dass BMW nicht produziert, und das führt dazu, dass in Oberösterreich Autozuliefererbetriebe nicht mehr produzieren können und bereits wieder Kurzarbeit beantragt haben. (Abg. Belakowitsch: Na, genau!)
Die Ukraine ist darüber hinaus einer der größten Weizenexporteure. Diese Weizenlieferungen werden dieses Mal ausfallen. Das heißt, dass die Welt sich bereits Sorgen macht, wie das kompensiert werden kann. (Ruf bei der SPÖ: Was machen Sie?! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Das Zynische an all dem ist noch (Abg. Belakowitsch: Was ist daran zynisch?), der nächst größere Weizenproduzent nach der Ukraine ist die Russische Föderation.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich Sie ersuchen (in Richtung SPÖ), die Taferln runterzugeben? Wir haben ausgemacht, dass das nach einer halben Minute geschehen soll, und Sie haben sie schon eine Minute oben. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc (fortsetzend): Darüber hinaus geht es auf der einen Seite nicht nur um die Industrie, auf der anderen Seite nicht nur um die Frage der Weizenversorgung der Welt, sondern darüber hinaus geht es auch darum, was es bedeutet, wenn einer der größten Düngemittelproduzenten ausfällt – auch das ist die Ukraine. Das alles, was ich Ihnen jetzt beschrieben habe, sind Folgen des Krieges und nicht – weil hier dann oft die Diskussion vermischt wird – Folgen der Sanktionen der Europäischen Union gegen die Russische Föderation (Zwischenruf des Abg. Matznetter), weil sie einen Angriffskrieg führt.
Was hat das jetzt mit Österreich zu tun, könnte Ihre Frage sein. (Ruf bei der SPÖ: Was machen Sie?!) Sehr viel: Die Kurzarbeit in Oberösterreich habe ich schon erwähnt, und das ist erst der Anfang (Zwischenruf des Abg. Matznetter); die steigenden Energiepreise, die hohe Inflation und die Frage, was es auch für die Lebensmittelproduktion bedeutet – große Herausforderungen, große Themen. (Ruf: Überschusslüge!)
Die Bundesregierung hat jeweils darauf reagiert, auf jede Herausforderung. (Abg. Belakowitsch: Auf was denn?!) Die Energiekosten waren wie gesagt schon zum Jahresanfang hoch, und ja, gerade die BezieherInnen von kleinen Pensionen haben sich große Sorgen gemacht. Die Seniorinnen- und Seniorenvertreter haben bei der Bundesregierung für die Anliegen der Pensionistinnen und Pensionisten vorgesprochen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Und ja, auch die sozial Schwachen sind besonders von den hohen Energiekosten betroffen. Die Bundesregierung hat reagiert. (Abg. Belakowitsch: Nichts hat sie gemacht!) Wir haben das erste Antiteuerungspaket in diesem Jahr beschlossen – das erste –, mit einem Wert von 1,7 Milliarden Euro. Was heißt das für die Betroffenen? – Für die Betroffenen heißt das, wenn sie einkommensschwach sind (Abg. Kickl – mit den Händen einen sich öffnenden Kreis formend –: Puff!), eine Entlastung von 800 Euro im Jahr bei den Energiekosten – 800 Euro im Jahr! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Jetzt hat die Regierung das zweite Antiteuerungspaket beschlossen, und wir reden noch immer davon, dass das erste Quartal in diesem Jahr noch nicht einmal vorbei ist. Drei Monate in diesem Jahr sind noch nicht vorbei, und die Regierung hat an die 3,7 Milliarden Euro Entlastung für die Menschen beschlossen (Zwischenruf bei der SPÖ), weil wir tatsächlich in schwierigen Zeiten leben. (Abg. Leichtfried: Angekündigt!) Was heißt das aber, was ist das zweite Paket mit über 2 Milliarden Euro wert? (Abg. Leichtfried: Ah geh!) Was ist da drinnen? (Abg. Leichtfried: Nichts!) – Auf der einen Seite haben wir das Pendlerpauschale deutlich erhöht. Menschen, die mit dem Auto fahren müssen, kriegen mehr Geld. Auch der Pendlereuro wurde erhöht, weil sich die oft nicht aussuchen können, ob sie das öffentliche Verkehrsmittel wählen oder das Auto brauchen, um in die Arbeit zu kommen. Das heißt direkte Hilfe unmittelbar dort, wo sie gebraucht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Schnedlitz.)
Wir haben vorhin auch davon gesprochen, dass die Folgen des Krieges in der Ukraine – diese Krise, die Energiepreise – umfassend sind und große Teile der Bevölkerung treffen. Das heißt, wenn wir Entlastungsschritte setzen müssen, ist es das eine, dass wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten, genauso wichtig ist es aber, dass wir vor Ort den Menschen, die auch Unternehmen betreiben, die intensiv von der Energiepreiserhöhung betroffen sind, weil eine kleine Tischlerei oder eine mittlere Tischlerei drei, vier, fünf Fahrzeuge hat, helfen. Auch die sind von den Treibstoffkosten betroffen und würden von der Pendlereuro- und der Pendlerpauschaleerhöhung nicht profitieren. (Zwischenruf des Abg. Kassegger. – Ruf bei der FPÖ: Genau!) Da gibt es die Treibstoffkostenrückvergütung, 120 Millionen Euro. Das ist die Chance, diese Differenz für die Unternehmen auszugleichen, durch die sie jetzt mehr belastet sind. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Darüber hinaus senken wir die Abgabe für Erdgas und Elektrizität. Das klingt technisch, was heißt das in der Auswirkung? (Abg. Belakowitsch: Null! 140 Euro!) – Mit 900 Millionen Euro werden Unternehmen durch diese Senkung entlastet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Leichtfried: Ja die Thermenhotels und die Seilbahnen! Der Herr Hörl freut sich drauf!) – Meine Damen und Herren, Sie werden vor den Fernsehgeräten die Zwischenrufe nicht hören können, aber es ist ja geradezu so: Je lauter oft die Opposition kritisiert, desto richtiger handelt die Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl – erheitert –: Das ist heute aber auch sehr laut!)
Also: Entlastung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Entlastung der Wirtschaft, Entlastung auch derer, die für unsere Lebensmittel sorgen (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), für die Bäuerinnen und Bauern. Auch da wurde Vorsorge getroffen, indem eine Reduzierung beim Agrardiesel auf ein Jahr erreicht worden ist. Das ist übrigens eine Maßnahme, die deutlich weiter geht als die Maßnahmen der so oft erwähnten Nachbarstaaten. Weil Sie schon so oft über die Nachbarstaaten reden, Frau Abgeordnete und Klubobfrau (in Richtung Abg. Rendi-Wagner): Danke für die Gelegenheit, es hilft auch immer wieder der Blick in die internationalen Medien! Wenn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sagt, Österreich hilft zehnmal mehr als die Bundesrepublik Deutschland, dann wird sie das nicht tun, weil sie ein Sprachrohr der österreichischen Bundesregierung ist. Das ist der Faktenbeweis, dass diese Bundesregierung gegen die Krise investiert und den Menschen tatsächlich hilft. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Wir reden über Entlastung und über Milliarden Euro: Was bedeutet das für die Menschen konkret? (Abg. Greiner: Das fragen sich viele!) – Wir haben uns zwei Fälle aus einer durchschnittlichen Familie herausgenommen, in der beide arbeiten gehen; der eine verdient 3 000 Euro brutto, die andere 2 000 Euro brutto. Das ist der berühmte Mittelstand, von dem immer alle reden, den alle entlasten wollen, weil er dazu beiträgt, dass Wohlstand in unserem Land herrscht (Zwischenruf der Abg. Greiner), denn die Menschen zahlen Lohnsteuer, sie zahlen Sozialversicherungsbeiträge und ermöglichen uns den sozialen Wohlfahrtsstaat, von dem wir oft und so gerne und viel reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kickl: Was schreien Sie denn so?)
Diese betroffene Gruppe wird jetzt besonders entlastet, und zwar spürbar, das heißt bei der Pendlerpauschale bis zu 1 200 Euro, und da ist egal, ob die in Kärnten leben und weit fahren müssen – mit dem kleinen Pauschale – oder sogar das große Pauschale brauchen, weil sie im Waldviertel sind. Das Entscheidende ist, dass die Menschen entlastet werden, und zwar spürbar und nicht irgendwie theoretisch. Beim kleinen Pauschale reden wir von 1 200 Euro im Jahr, beim großen Pendlerpauschale – das hängt immer von der Entfernung ab (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) – von 1 600 Euro im Jahr. Das heißt also auch da konkrete und tatsächliche Hilfe. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Frau Klubobfrau Rendi-Wagner hat vollkommen recht, es sind ernste Zeiten, und wir nehmen sie auch sehr ernst. Sie treffen vor allem auch die Wirtschaft, und die Wirtschaft ist wiederum wichtig für Arbeitsplätze. Dort, wo Arbeitsplätze sind, entsteht Wachstum und Wohlstand für die Menschen, dort ist ein Sozialstaat möglich, und deshalb ist auch da die Entlastung wichtig und wesentlich.
Wir haben uns auch da ein Beispiel herausgerechnet. Ein Hotel in Schladming mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Jahresverbrauch von 800 000 kWh Strom und 154 000 Kubikmeter Gas wird mit einem Wert von 11 000 Euro durch die Senkung der Elektrizitätsabgabe und um 8 500 Euro durch Senkung der Erdgasabgabe deutlich entlastet. Das heißt bis zu 20 000 Euro Entlastung für einen Betrieb, der Arbeitsplätze schafft, aber der von den Verteuerungen am Energiemarkt unmittelbar betroffen ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Auch ein klares Wort: Es sind tatsächlich ernste Zeiten, und die Wortwahl in diesen Zeiten ist auch besonders wichtig. Warum? – Wir haben heute auch schon darüber gesprochen, dass es die Inflation gibt. Was treibt die Inflation und was treibt die Energiepreise? – Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen. Die Bundesrepublik Deutschland hat angekündigt, aufgrund der Energiesituation und der Abhängigkeit vom russischen Gas Flüssiggas am Markt anzuschaffen und zu kaufen. Das hat sie um 1,5 Milliarden Euro getan. Alleine die Ankündigung hat dazu geführt, dass sie zum gleichen Preis um ein Drittel weniger Menge Flüssiggas bekommen hat – nur, damit man eine Vorstellung hat, wovon da gesprochen wird.
Jede Frage eines Eingriffes in den Energiesektor, jede Ankündigung von Notmaßnahmen, Einlagerungen, Reservenbildungen – all das ist notwendig und richtig, zu tun. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) Man muss es nur richtig machen, denn wenn man zu viel darüber spricht und es nicht tut, ist das Einzige, was passiert: Der Energiepreis steigt, die Gas- und Ölpreise steigen und die Spekulanten profitieren. (Abg. Kickl: ... international! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kassegger.)
Das heißt, für uns alle gilt: Das wird nicht das letzte Mal sein, Frau Klubobfrau Rendi-Wagner, dass wir uns über das Thema Teuerung unterhalten, das wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns über das Thema Inflation unterhalten, aber entscheidend ist, präzise gegen dieses Phänomen vorzugehen, nicht durch falsche Maßnahmen die Inflation weiterzutreiben, damit noch weniger dafür zu sorgen, dass die Menschen tatsächlich etwas davon haben.
Es braucht jetzt verantwortungsvolle Politik, konkrete Maßnahmen und tatsächlich spürbare Entlastungen. Dieses Paket, das jetzt innerhalb von drei Monaten beschlossen wird – in Summe 3,7 Milliarden Euro in nicht einmal drei Monaten –, steht genau dafür, dass die Menschen dieser Bundesregierung nicht egal sind. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
9.31
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Wöginger. – Bitte sehr.