9.48
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Herr Kanzler! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Sie wissen, ich bin eine leidenschaftliche Parlamentarierin und halte die parlamentarische Debatte für extrem wichtig. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Schnedlitz.) Selbstverständlich haben Abgeordnete jedes Recht, alles zu sagen, was sie wollen, auch jeden Blödsinn. (Abg. Kickl: Sonst dürften Sie eh nicht reden!) Allerdings muss ich an dieser Stelle schon feststellen: So faktenbefreit, wie diese Debatte wieder rennt, ist es schon ein bisschen sehr fragwürdig, muss ich sagen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Da wird einerseits gesagt, wir sollen nicht mit Zahlen herumwerfen, und gleichzeitig wird gesagt, man solle die Zahlen nennen. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Da wird gesagt, es sei zu viel Gießkanne, gleichzeitig fordert man mehr Gießkanne. – Leute, was wollt ihr? (Abg. Kassegger: Das ist eine Projektion ...!) Mir kommt vor, die Opposition ist irgendwie ein bisschen orientierungslos, in welcher Art und Weise sie dieses Paket tatsächlich kommentieren soll. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Denken wir aber noch einmal kurz daran, warum wir heute darüber reden, dass zum Beispiel das Heizen und das Tanken so viel teurer geworden sind: Das liegt daran – unter anderem, aber jetzt aktuell ganz stark –, dass wenige Hundert Kilometer von hier die Menschen momentan nicht an Zahlen an den Zapfsäulen denken (Zwischenruf der Abg. Erasim), sondern sie denken daran, wie sie flüchten können, wie sie ihre Sachen zusammenpacken können, wie sie dem Krieg entfliehen können. Sie müssen mitansehen, dass ihre Heimat zerbombt wird, zerstört wird.
Was die Ukrainerinnen und Ukrainer im Moment aushalten müssen, dass das mitten in Europa passiert, das ist unvorstellbar. Ich denke, wir sollten das auch in dieser Diskussion nicht vergessen. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei allen Menschen in Österreich dafür bedanken, dass es diese sehr, sehr große Hilfsbereitschaft gibt, die Bereitschaft, den Menschen zu helfen, die jetzt zu uns kommen; das ist keine Selbstverständlichkeit und das beeindruckt mich. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Die Konsequenzen dieses Krieges, dieses Angriffskrieges von Wladimir Putin spüren auch wir; wir sehen das eben auch an den steigenden Zahlen und steigenden Preisen. Es gibt eine hohe Inflation, angetrieben durch hohe Energiepreise, und diese Tatsache zeigt uns einmal mehr: Wir müssen von russischem Gas unabhängig werden. Wir sind aufgrund dieser Situation angreifbar, wir müssen raus. Das Ziel muss sein: Raus aus den dreckigen Fossilen, raus aus dem russischen Gas, raus aus der fossilen Energie. (Beifall bei den Grünen.)
Das ist klimapolitisch notwendig, das ist sicherheitspolitisch sinnvoll, und das ist jahrzehntelang verabsäumt worden. Die Rechnung dafür wird uns heute präsentiert, und zwar im doppelten Sinne, denn wäre das früher erfolgt – vor zehn, 20, 30 Jahren –, dann wären wir heute nicht in dieser Situation. Stattdessen wurde Putin der rote Teppich ausgerollt, und das war nicht nur die Wirtschaftskammer, nein, das war auch die Sozialdemokratie. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Gerstl und Wöginger.)
Was tun wir jetzt mit diesem Paket, neben all den Entlastungsmaßnahmen? – Wir stocken das Budget für die Förderung und die Umsetzung von Sonnen- und Windenergie noch einmal um 250 Millionen Euro auf – damit stehen mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zig Millionen für Förderungen zur Verfügung –, denn der Wind und die Sonne schicken keine Rechnung, Gazprom schon. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim und Hörl.)
Wir haben aber nicht nur diese klimapolitischen Maßnahmen getroffen, beispielsweise ist auch die weitere Vergünstigung von Öffitickets enthalten; auch das ist eine Maßnahme, die sozial extrem treffsicher ist. Warum? (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) – Weil Menschen mit geringem Einkommen die Öffis stärker benutzen, weil sie seltener ein Auto haben; deshalb geht die Senkung der Ticketpreise ganz klar verstärkt in diese Schichten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wenn hier zum wiederholten Male völlig faktenbefreit behauptet wird, wir seien viel zu spät dran, wir tun erst jetzt etwas und das sei das erste Paket (Zwischenruf der Abg. Erasim): Das erste Paket haben wir schon letztes Jahr präsentiert und beschlossen (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP), den Teuerungsausgleich. Der Kanzler hat es gesagt: Wir sind immer noch im ersten Quartal und haben schon wieder ein riesiges Paket auf den Weg gebracht. Ich finde es gewissermaßen unverantwortlich, wenn auch die Sozialdemokratie der Bevölkerung gegenüber so tut, als würde nichts passieren. Das ist einfach falsch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Wir haben einen Teuerungsausgleich in Höhe von 300 Euro gemacht – in Deutschland ist es die Hälfte. Also ich finde, es ist ein bisschen unverantwortlich, so zu tun, als wäre das Geld – das viele Geld, das wir in die Hand nehmen, 2,4 Milliarden Euro, und jetzt noch einmal 3,7 Milliarden Euro – nichts wert. (Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.) Ich erwarte mir von den Abgeordneten hier im Haus schon ein bisschen mehr Seriosität, was das betrifft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
9.54
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte.