14.30

Abgeordneter Mag. Yannick Shetty (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren, wie wir gerade schon gehört haben, einen Antrag der FPÖ zur Einführung einer Lehrabschlussprämie. Wir haben das auch im Ausschuss schon gesagt: Das ist grundsätzlich gut und geht in die richtige Richtung, denn wir müssen alles tun, um die Lehre attraktiver zu gestalten. Es wird aber halt nicht ausreichen.

Ich möchte ein paar Gründe nennen, warum da so dringend Handlungsbedarf ist. Der schon häufig, auch heute schon häufig angesprochene Fachkräftemangel ist im Endef­fekt primär ein Lehrlingsmangel. Wenn man sich die Mangelberufsliste auf Bundesebene und diese 66 Berufe anschaut, dann kommt man zum Schluss, dass ungefähr zwei Drit­tel dieser Berufe, also zwei Drittel aller Mangelberufe, Lehrberufe sind.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders schockierend, wenn wir auf die Lehrlingszahlen schauen. Während 2008 132 000 junge Menschen in einer Lehre waren, waren es 2021 nur mehr 107 000, also ein Minus von 20 Prozent. Gleichzeitig sind die offenen Lehr­stellen in diesem Zeitraum explodiert. 2008 waren – unter Anführungszeichen – „nur“ 3 600 Lehrstellen offen, während 2021 mehr als 7 200 Lehrstellen offen waren, die Zah­len haben sich verdoppelt. Wir müssen also mehr tun und wir müssen weniger auf Flos­keln setzen, wie zum Beispiel Lehre attraktiveren – ich kann das fast schon nicht mehr hören, wenn das kommt. Wir müssen diese Floskel, wenn wir sie verwenden, auch mit Leben erfüllen!

Deswegen möchte ich Ihnen drei ganz konkrete Vorschläge machen, was wir tun könn­ten. Erstens: Wir machen die Lehre attraktiver, indem wir sie flexibler gestalten. Wir le­ben nicht mehr im Jahr 1950, als man einen Beruf erlernte und den dann sein ganzes Leben ausübte. Wir müssen vereinfachen, dass man von einem Lehrberuf auf einen anderen umsteigen kann, deswegen müssen wir die Lehre modularisieren.

Zweitens: Wir brauchen mehr, wir brauchen bessere, wir brauchen verpflichtende Be­rufsorientierung. Ich sage das jetzt ganz salopp so dahin: Wenn man mit 14 oder 15 Jahren in der Schule sitzt, ist es dann nicht sinnvoller, sich beispielsweise zwei Stunden pro Woche mit einer ordentlichen Berufsorientierung auseinanderzusetzen –natürlich muss diese Berufsorientierung qualitativ hochwertig sein –, als zwei Stunden im Zeichen- oder Religionsunterricht zu sitzen?

Ich erzähle Ihnen ein ganz konkretes Beispiel: Ich war in Oberösterreich bei einem klei­nen und mittleren Unternehmen und habe dort mit den Lehrlingen gesprochen. Da war eine junge Frau – ich muss noch einmal nachschauen, denn es ist ein so komplexer Lehrberuf –, sie hat eine Lehre zur Wärme-, Kälte- und Schallschutztechnikerin gemacht, also etwas sehr Technisches. Bei ihr ist bei der Berufsorientierung rausgekommen, dass sie Leichenwäscherin werden soll. Also jetzt nichts gegen Leichenwäscher, aber, ich glaube, dass das ein bisschen praxisfern ist und auseinandergeht, das erkennt jeder.

Drittens, das wird der FPÖ jetzt weniger gefallen, werden wir die Lehrstellenlücke nicht nur mit österreichischen Lehrlingen schließen können. Deswegen haben wir auch einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, nämlich die Rot-Weiß-Rot-Karte zu reformieren und einen eigenen Aufenthaltstitel mit der Rot-Weiß-Rot-Karte Lehre einzuführen, damit jun­ge Menschen aus Drittstaaten die legale Möglichkeit haben – das ist jetzt nicht möglich –, nach Österreich zu kommen, um hier einen Lehrberuf zu lernen. Ich sage es ganz klar: Ja, wir brauchen eine Willkommenskultur für qualifizierte Zuwanderung.

Die Lehre ist der Weg aus dem Fachkräftemangel. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, und jetzt müssen Sie bitte endlich ins Tun kommen! (Beifall bei den NEOS.)

14.33

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.