12.26
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und Menschen, die in Österreich leben! Bevor ich zum eigentlichen Thema dieser Sondersitzung komme - - (Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln mit den Aufschriften „Echte Teuerungsbremse jetzt!“ beziehungsweise „Wohnen, Heizen, Tanken, Essen ... so teuer wie noch nie!“ in die Höhe.) – Die Sozialdemokratie übt sich wieder im Taferlhalten. Jörg Haider hat damit begonnen, Rendi-Wagner setzt es fort. Es ist unglaublich, welche Traditionen es hier gibt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)
Bevor wir aber zum eigentlichen Thema kommen, möchte ich daran anschließen, womit der Nationalratspräsident heute die Sitzung begonnen hat, nämlich an die Gedenkminute für diejenigen, die gerade Opfer eines schrecklichen Krieges geworden sind – es geht um die Verbrechen, die in Butscha passiert sind. Es wird darum gehen, diese Verbrechen aufzuklären. Es braucht internationale Aufklärung, es braucht die Vereinten Nationen und es braucht die internationale Strafjustiz, die da zum Zug kommt. Die Mühlen der internationalen Strafjustiz arbeiten zwar mitunter langsam, aber sie mahlen beständig. Die Opfer dieser schrecklichen Verbrechen haben sich deren vollständige Aufklärung verdient.
Gleichzeitig ringen wir innerhalb der Europäischen Union darum, dass es heißt: Solange der Krieg andauert, müssen die Sanktionen umso schärfer werden. – Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sanktionen haben nur dann einen Sinn, wenn sie tatsächlich den treffen, den sie treffen sollen, nämlich denjenigen, der die Sanktionen verursacht, aber nicht den, der die Sanktionen verhängt. Deshalb kommt es für uns in der Bundesregierung nicht infrage, dass es ein Importverbot für russisches Gas geben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Auch wenn wir über den Ukrainekrieg reden – die SPÖ befindet es für wert, mit populistischer Agitation im Hohen Haus zu agieren; es ist aber auch so, dass sich Ihre Arme langsam senken werden, weil das doch eine Kraftanstrengung bedeutet (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, sollten Sie daran denken: Sanktionen sollen immer nur gegen den wirken, der sie verdient, und nicht einen selbst treffen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Gabriela Schwarz – in Richtung SPÖ –: Ist schon genug!)
Die steigenden Preise sind ein sehr ernst zu nehmendes Problem, das Thema Inflation und Teuerung in besonderem Maße, und der soziale Zusammenhalt in unserem Land ist der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit besonders wichtig. Und auch weil hier oft Ursache und Wirkung miteinander verwechselt werden: Es ist nicht die Sanktion gegen denjenigen, der den Krieg begonnen hat, der die Inflation treibt, sondern es ist der Krieg in der Ukraine, der die Inflation, die Verteuerung der Energiepreise mitbegründet, aber nicht alleine dafür verantwortlich ist. Das haben wir schon letztes Jahr gesehen, denn schon da – im November, Dezember – und auch im Jänner waren die Energiepreise auf einem äußerst hohen Niveau.
Das war auch der Grund dafür, warum diese Bundesregierung – entgegen der Darstellung, die wir gerade gehört haben – das erste Paket in der Höhe von 1,7 Milliarden Euro geschnürt hat: um genau den Menschen zu helfen, von denen jetzt hier so viel die Rede war. Ich bin der Sozialdemokratie dankbar für diese Sondersitzung, denn sie gibt uns die Gelegenheit, gerade jetzt – in Zeiten, in denen Menschen besonders in Not sind – darauf hinzuweisen, wo überall die Regierung hilft. Im Gegensatz zu Frau Klubobfrau Rendi-Wagner brauche ich kein imaginäres Mail, das sie erhalten hat, um hier im Parlament vorgelesen zu werden, sondern ich brauche nur mit meinem Freund - - (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Können Sie jetzt – nach zweieinhalb Minuten – die Taferln runtergeben? Ich darf Sie ersuchen, die Taferln runterzugeben (Zwischenrufe bei der SPÖ), sonst sind Sie diejenigen, die in Permanenz rufen. (Abg. Matznetter: Schämen Sie sich, Herr Bundeskanzler, Menschen in Not ...!) – Danke.
Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc (fortsetzend): Wir waren bei dem Mail, das Frau Klubobfrau Rendi-Wagner angesprochen hat. Ich brauche niemanden, der mir ein Mail schreibt, sondern ich muss nur mit meinem Freund August Wöginger sprechen, dessen Vater Schichtarbeiter war, in der Bundesrepublik Deutschland gearbeitet hat und eine sehr kleine Pension bezieht, um zu erfahren, was es für Menschen bedeutet, die derzeit wenig Geld haben und wie wichtig es ist, ihnen zu helfen.
Deswegen haben wir dieses erste Antiteuerungspaket beschlossen: damit den Menschen unmittelbar geholfen wird. Und davor hat diese Bundesregierung noch die ökosoziale Steuerreform beschlossen, die jetzt gerne vergessen wird, welche eine Neustrukturierung des Steuersystems bedeutet, vor allem aber auch eine Entlastung für die Menschen in Höhe von 18 Milliarden Euro. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Und während wir hier diskutieren, wird sozusagen die zweite Tarifstufe gesenkt, nämlich von 35 auf 30 Prozent, und das wird auch eine merkliche Entlastung für die Menschen darstellen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Dann kam der Krieg, und wir haben gesehen, dass die Teuerung weitergeht, dass die Energiepreise steigen und die Menschen weiter belastet sind. Deswegen kam das zweite Maßnahmenpaket, das beschlossen worden ist, im Umfang von 2 Milliarden Euro. Das heißt, im ersten Quartal – entgegen der Erzählung, die Sie vorhin gehört haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, die uns zuhören – haben Sie als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler uns wieder ermöglicht, dass 2 Milliarden Euro Hilfe, Unterstützung und Entlastung für die Menschen in Österreich beschlossen worden sind. Das muss man hier fairerweise und auch seriöserweise erwähnen, denn: Es ist schon das Vorrecht der Opposition, zu kritisieren (Ruf bei der SPÖ: Danke!), aber das, was nicht sein soll, ist, dass man negiert, was trotzdem passiert.
4 Milliarden Euro sind sehr viel Geld; die müssen auch erwirtschaftet werden. Sie werden von uns allen gemeinsam, von jenen, die Lohnsteuer zahlen, erwirtschaftet und so wird dieser Transferausgleich ermöglicht. Mit dem zweiten Teuerungsausgleich werden jene Gruppen – mit dem ersten und zweiten Paket – entlastet, die besonders von der Inflation betroffen sind; wie im Falle des eben von mir zitierten Beispiels des Vaters von Gust Wöginger, der schon 150 Euro erhalten hat. Es wird nicht das letzte Geld sein, das er erhalten wird, um der Teuerung etwas entgegensetzen zu können. Das Geld fließt nämlich jetzt, und das sind in Summe schon 100 Millionen Euro.
Mit dem Aussetzen der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrages haben wir die Haushalte allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 150 Millionen Euro entlastet. Das heißt, entgegen der Darstellung der Opposition – die tatsächlich selbst ja nichts entscheiden kann, aber hauptsächlich auch hier im Hohen Haus natürlich dazu berufen ist, viel zu kritisieren – haben wir auch da schon 150 Millionen Euro in die Hand genommen, um den Menschen unmittelbar und direkt zu helfen. Und wenn jetzt das nächste Gesetz im Bundesrat tatsächlich auch noch beschlossen wird, dann haben wir mit dem Energiekostenausgleich eine Entlastung von 600 Millionen Euro geschaffen.
Das sind Millionenbeträge. Was aber bedeuten sie tatsächlich für die Menschen im Einzelnen? Was bedeuten sie in deren Leben? Was bedeutet es, wenn wir nicht nur die ganz Armen in unserer Gesellschaft entlasten? Diese Entlastung passiert mit bis zu 800 Euro im Jahr; dieses Jahr werden die Menschen, die wenig Einkommen beziehen, mit bis zu 800 Euro netto entlastet. Was aber passiert mit denen, die diese Entlastung durch ihre Arbeit überhaupt erst möglich machen, die durch ihr Einkommen dafür sorgen, dass der soziale Wohlfahrtsstaat, dass die Transferleistungen tatsächlich erwirtschaftet werden?
Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an: ein Ehepaar mit zwei Kindern, sie verdient brutto 3 000 Euro, er brutto 3 100 Euro. Diese Familie wird 2022 um 2 400 Euro entlastet, und das ist wichtig und richtig, denn das sind die Menschen, die für unseren Wohlstand sorgen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)
Reden wir von den viel zitierten Pensionistinnen und Pensionisten, ein Beispiel: Er bekommt brutto 1 300 Euro Pension und sie bekommt brutto 1 100 Euro Pension. (Abg. Belakowitsch: ... eh 1,8 Prozent!) Das ist nicht viel Geld (Abg. Belakowitsch: Na o ja!), aber es ist für die Gesellschaft und auch für die Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, ein Einkommen, mit dem sie auch fortkommen müssen – im wahrsten Sinne des Wortes –, mit dem sie die Belastungen des Alltags stemmen müssen. Genau dieses Ehepaar, diese Pensionistin und dieser Pensionist, wird mit über 1 200 Euro im Jahr entlastet. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Das ist nicht geredet, das ist nicht angekündigt, das ist tatsächlich umgesetzt worden. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Wird es das Letzte sein, was wir tun – gerade jetzt –, um den Menschen zu helfen? – Nein, wahrscheinlich nicht. Das aber, was die Klubobfrau angesprochen hat, wird gerade von Wirtschaftsexperten und Volkswirtschaftlern hoch kritisch beurteilt. Dem Finanzminister das zu unterstellen ist eine Möglichkeit der Opposition – ich kenne Sie aber an und für sich als redliche Maklerin der Politik –, aber der Finanzminister hat etwas angesprochen, das ganz wesentlich sein wird und auch in der Sozialpartnerschaft besprochen werden muss, und zwar maßvoll mit dem Thema Löhne umzugehen, kreative Ideen zu suchen, um die Menschen auch noch weiter zu entlasten, denn auch die Sozialdemokratie hatte große Volkswirtschaftler in ihren Reihen und weiß, dass das Gefährlichste, das uns jetzt begegnen kann, die Inflationsspirale ist, dass die Preissteigerungen (Zwischenruf des Abg. Stöger) mit den Lohnsteigerungen einhergehen und sich dadurch das mehr Verdiente für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht rentiert.
Das heißt: weg mit alten Konzepten, hin zu kreativen Lösungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! (Abg. Belakowitsch: Die da wären?) Diese Kreativität, auf die Menschen ausgerichtet und fokussiert, das ist Selbstanspruch und Verpflichtung dieser Bundesregierung, und mit aller Leidenschaft und Nachdruck genau das zu machen, was heute in dieser Sondersitzung Thema ist: nämlich die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen, zu spüren, wo Hilfe notwendig ist, von jenen mit Kleinsteinkommen bis zu denen, die für unseren Wohlstand sorgen – das ist Auftrag und Verpflichtung dieser Bundesregierung. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen.)
12.36
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.