12.38
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Interessante Erkenntnis des Tages: Es ist für die ÖVP nicht vorstellbar, dass eine Pensionistin ein E-Mail an einen Abgeordneten schreibt. Die Normalität ist anscheinend, dass Volksschulkinder Briefe an den Bundeskanzler schreiben. Das ist das, was Sie, glaube ich, eher glauben, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zarits – erheitert –: Warum schicken Sie dich immer raus? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Es geht aber hier nicht um E-Mails und Briefe, sondern es geht darum, geschätzte Damen und Herren - - (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Insbesondere die Herren bei der ÖVP sind heute sehr aufgeregt; zum Glück hören Sie das nicht, es ist auch nichts, was man unbedingt hören muss, aber ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen.
Worum geht es eigentlich heute? – Es geht darum, dass es in diesem Land Menschen gibt, ob sie jetzt E-Mails schreiben oder nicht – wenn das jemandem so wichtig ist –, dass es Menschen gibt, die am Ende des Monats entscheiden müssen, ob sie einkaufen gehen oder einheizen, die entscheiden müssen, ob sie noch irgendwo hinfahren können, oder ob sie dann keine Butter mehr kaufen können. Das ist die Situation in diesem Land, und die Regierung hat diese Situation einfach verschlafen und ignoriert, und darum geht es heute in dieser Sitzung. (Beifall bei der SPÖ.)
Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich darüber alterieren, dass wir jetzt das, was Ihr Finanzminister gesagt hat, zum Thema machen, dann überlegen Sie einmal, wie es auf die Menschen wirkt, wenn ein Finanzminister sagt: Im Angesicht dieser Teuerung müssen wir vorsichtig bei Lohnerhöhungen sein! – Das Umgekehrte muss passieren, um den Menschen zu helfen, und nicht nur bei den Löhnen, auch bei den Pensionen, und nicht mit 1,8 Prozent, sondern adäquat zu diesen Teuerungen. (Beifall bei der SPÖ.)
Monatelang versuchen wir, Sie dazu zu bewegen, etwas zu unternehmen. Diese Inflationsrate ist nicht erst jetzt absehbar geworden, sie ist auch nicht mit Kriegsbeginn absehbar geworden, sondern es war schon im Juni klar, dass sie kommen wird. Die Bundesregierung hat nichts, aber überhaupt nichts dagegen unternommen, außer sich gegenseitig zu beobachten. Sie hat beobachtet, hat zugeschaut und hat die Dinge einfach schleifenlassen. Das ist nicht die Politik, die das Land braucht. Herr Nehammer, Sie sprechen immer die Menschen in Österreich und die Österreicherinnen und Österreicher an: Tun Sie endlich einmal etwas für die Menschen, beobachten Sie nicht nur, agieren Sie endlich einmal! (Beifall bei der SPÖ.)
Im Gegensatz zu Ihnen geht mir das halt ans Herz, wenn ein Pensionist aus Guntramsdorf – geschätzte Kolleginnen und Kollegen, das ist auch kein fingiertes E-Mail, das ist ein echtes E-Mail! – schreibt (Abg. Michael Hammer: Das merkt man ...! – Heiterkeit bei der ÖVP): Wissen Sie, Herr Leichtfried (Abg. Zarits: Seichtfried!), ich habe immer versucht, ein bisserl hochwertigere Lebensmittel zu kaufen. Ich bin nicht mehr der Jüngste und möchte mich gesund ernähren – das geht jetzt nicht mehr. – Zitatende.
Geschätzte Damen und Herren, wissen Sie, was die Herren von der ÖVP hier in dieser Situation tun? – Sie grinsen hämisch. Das zeigt das Verständnis der ÖVP für Menschen wie diesen Herrn. (Beifall bei der SPÖ.)
Tag für Tag brechen Sie nicht nur Versprechen, sondern Sie machen sich über diese Menschen, denen es nicht gut geht, lustig. Ich würde Ihnen einmal wünschen, dass Sie überlegen müssen, ob Sie sich noch ein Stückerl Butter kaufen können oder nicht. Das würde ich Ihnen wirklich einmal wünschen, geschätzte Damen und Herren von der ÖVP. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Menschen, die diese Probleme im täglichen Leben haben, das sind die Pensionistinnen und Pensionisten, ja, das sind aber auch jene, die, ohne zu pendeln – und ich sage das bewusst und jedes Mal: auch ohne zu pendeln –, auf ihr Auto angewiesen sind. Mir wird da immer geraten, das Waldviertel zu zitieren, wo das der Fall sein mag – da kenne ich mich zu wenig aus –, aber kommt einmal nach Bruck, wohnt einmal am Pischkberg! Am Pischkberg kann man ohne Auto weder in die Schule gehen noch einkaufen noch zum Arzt gehen noch sonst wohin gehen. Diese Situation gibt es auch. Schaut euch das einmal an, damit ihr einmal das echte Leben seht! (Beifall bei der SPÖ.)
Wissen Sie, es wäre so leicht, zu helfen, die Vorsitzende der SPÖ hat es aufgezählt. Wissen Sie, was Sie tun? – Sie wissen es wahrscheinlich und schauen jetzt beschämt zu Boden: Nichts tun Sie! Wie können Sie erklären, dass derzeit nur drei Gesetzentwürfe in parlamentarischer Begutachtung sind? Das hat es in diesem Parlament überhaupt noch nie gegeben. Das ist Arbeitsverweigerung! Jeder andere, der in der Privatwirtschaft oder sonst wo eine solche Arbeitsverweigerung betreiben würde, wäre schon längst gekündigt worden, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Ich habe in den letzten Wochen zahlreiche Gespräche geführt, auch mit Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und von den Grünen, und was ich da gehört habe, war schon sehr interessant. Insbesondere die Damen und Herren von der ÖVP, mit denen ich gesprochen habe, sind von einer großen Sorge erfüllt, nämlich von der Sorge um unsere Industrie und von der Sorge, dass sie deswegen (Ruf bei der ÖVP: Höhere Löhne ...!) von den Grünen blockiert werden, dass die Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Der Einzige, mit dem ich nicht darüber gesprochen habe, war Herr Hörl, weil er von diesem Problem nicht betroffen ist.
Ich habe aber auch mit vielen Kolleginnen und Kollegen von den Grünen gesprochen (Abg. Wöginger: Wer redet denn mit dir überhaupt? Mit wem hast denn überhaupt geredet?), die erzählt haben, wie sie von der ÖVP vorgeführt, ausgetrickst und blockiert wurden. Mich hat besonders eines, das mir eine Kollegin gesagt hat, getroffen: Weißt du, der Anstand wird uns wahrscheinlich nicht mehr wählen, aber wir müssen zumindest dafür sorgen, dass er sich nicht dafür schämt, uns gewählt zu haben, und das Ganze so schnell wie möglich beenden. Das wäre die einzige Antwort darauf. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)
12.44
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte sehr.