13.18
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vielleicht, bevor ich zur Sache spreche, einmal mit dem Hinweis darauf anfangen, was das heute für ein wirklich unwürdiges Schauspiel ist. Das muss ich jetzt wirklich einmal ansprechen. (Beifall bei den NEOS.)
Das ist doch bitte unerträglich: Wir sind in einer der größten Krisen – wir stolpern überhaupt nur von Krise zu Krise – in der Zweiten Republik. Es geht um ein sehr ernstes Thema, nämlich um die Preissteigerungen auf allen Ebenen – und hier findet ein kleinliches, peinliches parteipolitisches Hickhack, vor allem zwischen ÖVP und SPÖ, aber auch – mittendrin agitierend – der FPÖ, statt. Das ist ja nicht auszuhalten! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Jetzt mischen Sie sich auch noch ein!)
Jetzt haben wir eine Bundesregierung, die auch in einer sozusagen neuen Zusammensetzung definitiv nicht die besten Köpfe bietet, die meines Erachtens notwendig wären, um diese Krise zu meistern (Ruf bei der ÖVP: Da brauchen wir Sie dazu!) – und jetzt zeigt sich dieses Parlament als Legislative auch von dieser Seite. Ich sage Ihnen, das ist beschämend zu einem Zeitpunkt, an dem das Vertrauen in die Politik ohnehin schon im Keller ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.)
Es braucht Seriosität, um sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und nicht ein Hochamt des Populismus (Ruf: Genau! Von den Sozis! Jawohl!), wie wir es heute hier erleben. Seit Monaten weisen wir NEOS darauf hin, dass die Preissteigerungen, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben – das war noch vor dem Krieg in der Ukraine –, und jetzt haben wir die Situation des Kriegs in der Ukraine, die vor allem natürlich Rohstoffpreise, Energiepreise ins Unermessliche steigen lässt.
Kann Österreich – und das einmal zu sagen ist mir schon auch wichtig – grundsätzlich etwas unternehmen, um diese Preissteigerungen an der Wurzel zu packen? – Nein. Wir haben derzeit keinen Einfluss auf die Situation in der Ukraine – ich komme darauf zu sprechen. Wir haben derzeit keinen Einfluss auf die Frage, wie sich an den internationalen Märkten die Energiepreise entwickeln.
Was kann und muss Österreich aber tun? – Eines ganz zuvorderst, nämlich diese Preissteigerungen für die Menschen abfedern, die sozial nicht in der Lage sind, das aus Eigenem zu tragen, und die am meisten davon betroffen sind. Es ist nämlich nicht so, dass alle gleich davon betroffen sind. Die Frage der Energiekosten, der Wohnkosten, der gestiegenen Preise der Dinge des täglichen Bedarfs, also vor allem auch der Lebensmittel, trifft natürlich gerade die sozial Schwächsten am meisten. Da muss ganz zielgerichtet, temporär, klug unterstützt werden, und da ist auch schon etwas passiert. Es ist durchaus in diversen Bundesländern auch etwas unternommen worden, unter anderem auch in Wien, wo wir in der Verantwortung sind. (Abg. Belakowitsch: Was denn? – Ruf bei der ÖVP: Teurer habt ihr es gemacht!)
Was soll der Staat darüber hinaus tun? – Ich bitte Sie jetzt schon einmal darum, den Menschen nach zwei Jahren einer Politik des Koste-es-was-es-wolle reinen Wein einzuschenken. Kann und soll der Staat jegliches Risiko übernehmen, das es gibt? Kann und soll der Staat jegliche Preissteigerung abfedern, auch im wirtschaftlichen Bereich, wo die Wirtschaft gerade darauf gebaut hat, dass sie durch niedrige Energiekosten zu Externalitätspreisen wie zum Beispiel die Verschmutzung der Umwelt oder aber die sozusagen geopolitische Exponiertheit gegenüber Russland einen wirtschaftlichen Vorteil hatte? – Nein, selbstverständlich geht das nicht. Zwei Jahre lang haben wir schon eine Politik des Koste-es-was-es-wolle, und es kommt uns teuer zu stehen. Den Steuerzahler und die Steuerzahlerin kommt es teuer zu stehen und es wird zukünftige Generationen noch viel, viel teurer zu stehen kommen. Hören Sie doch auf, den Menschen Sand in die Augen zu streuen und so zu tun, als ob alles kompensierbar wäre! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Was aber kann und muss der Staat in einer solchen Situation tun? – Vor allem da, wo er selber der Belastende ist, den Gürtel enger schnallen, also vor allem bei den Fragen der Belastungen durch Steuern, Abgaben und Gebühren, und – jetzt komme ich zu dem Punkt, den wir auch seit Jahren fordern – die kalte Progression abschaffen. Der Finanzminister, der nicht da ist, freut sich ja geradezu über diese Preissteigerungen, weil die natürlich das Geld in die Börse spülen, das man dann wieder großzügig – noch etwas großzügiger, wenn es nach den Linken gehen würde – verteilen könnte, in sozusagen guten Taten oder guten Gaben gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Schaffen Sie endlich die kalte Progression ab und entlasten Sie damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nachhaltig von dieser Inflationssteuer! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Zumindest in einem ersten Schritt: Passen Sie die Tarifstufen an! Das ist jetzt nicht tagesaktuell, aber im letzten Wahlkampf haben wir ein Steuerreformkonzept auf den Tisch gelegt, das selbstverständlich die Anpassung der Tarifstufen vorgesehen hätte – und das betrifft alle Tarifstufen, wenn es nach uns geht. Schauen wir uns einmal die erste Tarifstufe an: 11 000 Euro, da greift der erste Steuersatz. Wissen Sie, seit wann das nicht angepasst wurde? – Seit 2009. Seit 2009 ist diese Tarifstufe nicht angepasst worden. Das ist der Schritt, den Sie jetzt setzen müssen, diese Tarifstufen anzuheben und damit alle steuerzahlenden Menschen, insbesondere auch den Mittelstand, Kollegin Rendi-Wagner, nachhaltig zu entlasten. (Beifall bei den NEOS.)
Der zweite Punkt, der mir wichtig ist: Die Energieabgaben sind angesprochen worden. Ja, da ist viel versprochen worden. Da können noch weitere Schritte unternommen werden und das muss jetzt auch endlich passieren. Wir haben uns das genau angeschaut. Wenn man da auf die zulässigen Mindeststeuersätze der Europäischen Union gehen würde – nicht alles ist zulässig, Frau Kollegin Rendi-Wagner, was Sie hier heute vor-schlagen –, dann wäre eine Steuersenkung von minus 93 Prozent bei Strom und minus 84 Prozent bei Gas möglich, und das würde eine Entlastung bringen.
Nächster Punkt: Gebühren senken – oder zumindest nicht erhöhen –, selbstverständlich, und zwar breitflächig (Abg. Zarits: Das ist aber auch Koste-es-was-es-wolle, oder?), Bundesebene wie auch Landesebene, alle Landesebenen. Das ist der Bereich, in dem die Gebührenzahler in dem Fall noch einmal zusätzlich belastet werden und in dem der Staat selber der Preistreiber ist. Da kann der Staat tatsächlich entlasten.
Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist, betrifft natürlich die Frage der notwendigen Lohn- und Gehaltsanpassungen. Das ist völlig klar, dass das auch harte Verhandlungen werden müssen, aber, geschätzte Sozialdemokratie, Sie können die Augen nicht vor der Frage des Wirtschaftsstandorts verschließen. Auch wenn Sie es nicht sagen, es existiert das Phänomen der Lohn-Preis-Spirale, also Sie können nicht so tun, als wäre das nicht ein Risiko, das sehr wohl über der Frage der zukünftigen Lohn- und Gehaltsverhandlungen schweben würde. Ich bin durchaus der Meinung, dass es ordentliche Anpassungen geben muss, weil sich die Menschen das Leben leisten können müssen – es muss möglich sein, sich durch ein Einkommen ein ordentliches Leben leisten zu können (Zwischenruf bei der SPÖ) und sich auch etwas aufbauen zu können. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)
Was kann der Staat tun, um jetzt sozusagen schon zu entlasten, damit diese Lohnverhandlungen auch für die Arbeitgeberseite gut ausgehen und den Wirtschaftsstandort zumindest stärken? (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Selbstverständlich die Lohnnebenkosten senken, und zwar jetzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen mehr Netto vom Brutto. Wir sind heute nicht hier, um zu besprechen, was die Menschen oder die Betriebe tun können, die ohnehin geknechtet sind, sondern um zu besprechen, was zuvorderst einmal der Staat tun kann – und das wäre ein sehr wichtiger Bereich. (Beifall bei den NEOS.)
Ich habe es gesagt: ein Hochamt des Populismus. Manche Vorschläge, die da vonseiten der Sozialdemokratie gekommen sind, sind geradezu planwirtschaftliche Zugänge, und da gibt es von unserer Seite ein ganz klares Nein dazu (Abg. Herr: Jessas! Jessas!) und eine ganz große Warnung. Insbesondere dann, wenn Sie direkt in Preise oder in den Markt eingreifen, gibt es ein ganz klares Nein dazu. (Abg. Herr: Der Markt, der heilige Markt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Ich sage Ihnen das auch deswegen, weil wir in einer sehr heiklen Situation sind. Wir sind noch nicht dort, und ich werde alles dafür tun, dass wir nicht dort hinkommen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich hoffe auch, dass Österreich da noch mehr entschlossener tut, dass wir nicht dort hinkommen. Wir sind noch nicht in einer kriegswirtschaftlichen Situation. In so einer Situation jetzt schon mit planwirtschaftlichen Instrumenten zu hantieren (Abg. Herr: Der Markt regelt gar nichts!) oder die zumindest irgendwie in den Raum zu stellen, das geht absolut nicht.
Als Allerletztes, weil ich die Energiepreise angesprochen habe und es ein aktuelles Thema ist, zu den Kriegsverbrechen, die wir gestern in Butscha gesehen haben. Es gibt ja auch namhafte Wissenschafter, Beobachter, die davor warnen, dass das tatsächlich schon das Ausmaß eines Genozids hat – und das sind Menschen, die diesen Begriff nicht leichtfertig in den Mund nehmen. Es ist aber nicht nur Butscha, sondern es sind auch andere Städte, andere Regionen betroffen, in denen ganz offensichtlich eine systematische Ermordung, Erschießung von der Zivilbevölkerung passiert. Das kann niemanden kalt lassen. Wir müssen selbstverständlich zum Frieden zurück.
Ich möchte an dieser Stelle vielleicht auch eines noch einmal sagen, weil ich es so unerträglich finde: Neutralität heißt nicht, den Aggressor nicht klar zu benennen, und das ist Wladimir Putin, das ist der Kreml, das ist Russland, die einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine begonnen haben.
Sehr geehrte Damen und Herren von der FPÖ, einmal mehr, weil Sie sich hier immer hinter dem Deckmantel der Neutralität verstecken, aber in Wirklichkeit seit Jahren nichts anderes machen als das Geschäft Wladimir Putins und des Kremls hier in Europa, nämlich zu destabilisieren. Schämen Sie sich! (Abg. Kickl: Sie haben die besseren Beziehungen, mit dem Herrn Haselsteiner!) Das ist antipatriotisch, was Sie hier machen! Sie haben nicht einmal den Mumm, den Aggressor klar zu benennen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und Grünen.)
Ich habe heute viel gehört zu Sanktionen und dass Sanktionen den zu Sanktionierenden mehr wehtun müssen als denen, die die Sanktionen beschließen. Nun ja, ich würde das ein bisschen anders sehen. (Ruf bei der ÖVP: Redezeit!) Ich finde, kaum wo zeigt sich die Schwäche Europas, die Schwäche Österreichs aufgrund von schlechten und falschen politischen Entscheidungen der Vergangenheit – auch der ÖVP, auch der SPÖ, auch der FPÖ – so dramatisch wie in dieser Frage. (Ruf bei der ÖVP: Auch der NEOS!)
Sanktionen haben aber nur dann Sinn (Ruf bei der SPÖ: Redezeit!), wenn sie glaubwürdig sind.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (fortsetzend): Glaubwürdig sind sie nur dann, wenn man auch bereit ist, selber Einbußen in Kauf zu nehmen. Ansonsten ist es nur ein Zeichen der Schwäche. Es ist völlig klar, dass wir den Krieg derzeit mitfinanzieren. Wir müssen alles unternehmen, dass wir jetzt Frieden schaffen und den Weg zum Verhandlungstisch für Putin wieder erzwingen. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
13.29
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wimmer. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)