14.15

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte KollegInnen! Wertgeschätzte Frau Ministerin! Werte ZuseherInnen zu Hause! Gender und Ge­schlecht, gendergerechte Medizin – ist das alles Genderwahn? – Nein, natürlich nicht. Sogar die FPÖ – genauer gesagt, eine Abgeordnete, eine Frau – scheint verstanden zu haben – auch wenn es nur in diesem spezifischen Themenfeld ist, im Bereich der Medizin, der medizinischen Forschung –, dass es da Handlungsbedarf gibt, speziell wenn es darum geht, dass die Gendermedizin stärker gefördert werden muss, und dass es vor allem in der Forschung einen Genderdatagap gibt.

Wie hat sich denn die gendergerechte Medizin in Österreich bis jetzt entwickelt? Wie viele Lehrstühle gibt es dazu auf den Unis in Österreich? Wie viele WissenschaftlerInnen forschen dazu? – Ein kurzer Blick in die Geschichte lehrt uns sehr viel und kann uns verständlich machen, in welchen Zeiten wir heute leben, warum das alles so eng mit den Geschlechterrollen und mit dem Geschlechterverhalten, also mit sozialem Geschlecht, Gender, zusammenhängt.

Frauen mussten sich über 500 Jahre lang ihre Bildungszugänge an den Universitäten erkämpfen. Jetzt haben wir zum Beispiel seit circa 120 Jahren einen Zugang zur Med-Uni Wien, die juristische Fakultät hat die Türen für Frauen noch später geöffnet. Die Soziologie sagt dazu: Um eine grundlegende Veränderung der Werte, der Glaubens­werte, in der Gesellschaft zu erreichen, braucht es circa 100 Jahre. Das geht aber auch nur dann, wenn demokratische, progressive Menschen an der Macht sind. Wir wissen, in Österreich war das in der Geschichte nicht der Fall und ist es auch heute immer noch so, dass konservative, rechtspopulistische Kräfte, AltdenkerInnen diese Veränderung bremsen – und das gilt es auch immer zu benennen.

Diese Frauen an den Universitäten schrieben und schreiben bis heute die Geschichte der Entstehung von männlichem Wissen der Universitäten um. Eine junge Disziplin – die der Geschlechterstudien, Genderstudies – kämpft sich ihren Weg durch die Disziplinen. Welch große Angst RechtspopulistInnen vor diesem neuen Wissen haben, zeigt etwa der Umstand, dass Orbán in Ungarn gleich ein ganzes Studium hat canceln lassen. Diese WissenschaftlerInnen müssen sich von den VerfechterInnen der alten Geschlech­terordnung Ideologie vorwerfen lassen. Dabei sind es doch deren Geschlechterglauben und deren Ideologien, die diese Wissenschaft ständig angreifen – und das gilt es klar zu benennen, auch in diesem Hohen Haus. (Beifall bei den Grünen.)

Eine noch jüngere Forschungsrichtung, die sich aus den Geschlechterstudien heraus­gebildet hat, ist die sogenannte Gendermedicine. Seit 2010, meine Damen und Herren, gibt es die Möglichkeit des Erwerbs eines Masters of Science in Gendermedicine an der Med-Uni Wien – seit 2010! Pro Med-Uni in Österreich gibt es, wenn überhaupt, eine Handvoll Frauen – ja, Frauen –, die unter anderem geschlechtsspezifische Auswirkun­gen, Wirkungen von Medikamenten erforschen – auf beide Geschlechter, stellen Sie sich das vor!

Es liegt in der Autonomie der Universitäten – und es ist wie überall, wenn es um Gender und Geschlecht geht, nach wie vor ein Verteilungskampf –, wer welche Forschungs­gelder zugesagt bekommt. Eine Professur gibt es in Wien, und diese Professur wird von Professorin Kautzky-Willer an der Med-Uni Wien bekleidet. Sie hat beim vierten Frauengesundheitsdialog am 11. Mai einen Vortrag über Gendermedizin in Zeiten der Covid-19-Pandemie gehalten – ein Thema, auf das Sie alle hier sich beziehen. Ich gehe jetzt nicht mehr darauf ein, es ist schon viel von dem, was sie da alles gesagt hat, an­gesprochen worden.

Zentral in ihrer Aussage ist, dass eben nicht nur der Körper, körperliche Unterschiede, sondern auch „soziokulturelle Umweltfaktoren“, also auch das Verhalten, die Erziehung, einen Einfluss darauf haben, wie sich Krankheiten unterschiedlich ausprägen und ver­laufen. „Beide befinden sich in laufender Wechselbeziehung und beeinflussen lebens­lang, wie Krankheiten entstehen und voranschreiten.“ Sie sagt auch: „Neben der Prob­lematik in der medizinischen Versorgung ist die psychische Gesundheit von Frauen eine weitere kritische Thematik, der Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.“ Dazu ist zu erwähnen, dass unter dem grünen Minister Mückstein die Psychotherapieplätze aufge­stockt wurden.

Die Auswirkungen der Krise – das haben wir auch schon mehrfach besprochen – haben die Frauen nicht doppelt, nicht dreifach, sondern mehrfach getroffen. Das wiederum hat mit den Geschlechtsstereotypen, also mit Gender, zu tun.

Der Frauengesundheitsbericht wird sich wie schon angesprochen unter anderem auch die Genderdatagap anschauen, er wird aber auch die psychische Komponente nicht auslassen. Die Stigmen, die nach wie vor auf psychischen Erkrankungen liegen, haben auch eine Geschichte in der Medizin: Freud, Hysterie als Stichwort.

Der Frauengesundheitsbericht ist natürlich Ergebnis der Koalitionsverhandlungen, Frau Ecker. Im Regierungsprogramm der türkis-blauen Regierung haben wir davon gar nichts lesen können. Ich schließe mich unserer Frauensprecherin Meri Disoski an, dass dies das Ergebnis harter Verhandlungen der Grünen ist und war. Ich freue mich über jede Kollegin und jeden Kollegen im Hohen Haus – und das meine ich so, wie ich es sage –, die die Verbindung von Gender und Geschlecht verstanden haben und ernst nehmen.

Weil der Schwangerschaftsabbruch angesprochen wurde, möchte ich ihn auch hier gerne thematisieren: Auch wir Grüne wollen, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Österreich reduziert wird. Wir wissen aus Studien: Wenn wir Verhütungsmittel kostenfrei zur Verfügung stellen würden, wenn wir zeitgerechte sexualpädagogische Aufklärung hätten, würde die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche um 10 Prozent reduziert werden.

Zum Schluss noch zur Periodenthematik, die angesprochen wurde: Ich möchte das auch gerne mit nachhaltigen Periodenprodukten in Verbindung bringen. Es gibt die Menstru­ationstasse, nur um ein Beispiel zu erwähnen.

Zuallerletzt, und das gilt: Geht es den Frauen gut, geht es uns allen gut. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

14.21

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Werner Saxinger. – Bitte.