14.52

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Gleichbehandlungsausschuss gab es seitens der Opposition sechs Anträge zum Thema Gewalt gegen Frauen auf der Tagesordnung. Zwei davon wurden abgelehnt, vier davon wurden vertagt. Die dringende Forderung nach mehr finanziellen Mitteln für den Gewaltschutz – abgelehnt. Eine Koordinierungs­stelle zur Umsetzung der Istanbulkonvention, die auch tatsächliche Befugnisse hat – abgelehnt. Ausbau der Männerarbeit – vertagt.

Die Begründung ist immer die gleiche: Man würde als grün-schwarze/türkise Bundes­regierung ohnehin schon wahnsinnig viel tun. Es ist wahnsinnig viel auf dem Weg, des­halb sind die Ideen der Opposition nicht gefragt. Sie sind veraltet, haben Staub ange­setzt, und die eigenen Ideen und Vorschläge wären viel umfassender.

Das hat ein System, und ich finde dieses System auch ein bisschen ärgerlich, weil es nämlich der Relevanz, die der Gewaltschutz hat, die die Gleichberechtigung hat, wirklich in die Suppe spuckt und vermittelt, dass wir am Ende des Tages dann doch alle Konkur­renten am Markt sind – und nicht gemeinsam an Verbesserung arbeiten: Das ist dann wirklich nur eine schöne Schicht, um nach außen hin Marketing zu machen, aber in der tatsächlichen Arbeit findet sich das leider viel zu wenig. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nichtsdestotrotz möchte ich wirklich auch anerkennen, dass viel weitergegangen ist. Das möchte ich auch wirklich nicht kleinreden, und ich bin für jeden einzelnen Schritt dankbar. Da ist wirklich mehr weitergegangen als bei vorigen Regierungen, das muss man auch wertschätzend anerkennen. (Beifall der Abg. Pfurtscheller.)

Ein Bereich, in dem mir zu wenig weitergegangen ist, ist der Bereich Femizide. Wenn Sie die Medien verfolgt haben, wissen Sie, dass erst am Montag wieder berichtet worden ist, dass eine 68-jährige Frau von ihrem Mann umgebracht wurde; er hat sich an­schließend suizidiert. Wir wissen nicht, ob das der zehnte oder der elfte Femizid in diesem Jahr in Österreich ist. Warum wissen wir das nicht? – Weil es Aufgabe von NGOs ist, Stricherllisten zu führen, weil es keine staatliche Stelle gibt, wo a) definiert ist, was denn ein Femizid ist, und b) auch protokolliert wird, wie viele Femizide es denn gibt, um dann in weiterer Folge auch Handlungsanweisungen zu entwickeln: Was tun wir denn, um diesen Femiziden Einhalt zu gebieten?

Deutschland hat diesen dringenden Handlungsbedarf schon erkannt. Seit 1. Jänner 2022 werden die Delikte, die – ich zitiere – „aufgrund von Vorurteilen bezüglich eines Geschlechts beziehungsweise einer geschlechtlichen Identität begangen werden“, in der Kriminalstatistik im Detail geführt. Österreich ist dabei wieder einmal mehr Nachzügler und nicht Vorreiter. Unsere Anträge auf Erfassung von Femiziden wurden vertagt. Österreich scheitert deshalb einmal mehr auch an einer Definition, was denn eigentlich ein Femizid ist. Wenn man keine Definition hat, kann man auch keine Morde zählen.

Das ist aber nicht nur in Österreich wichtig, das ist auch im internationalen Kontext wichtig. Aus der Ukraine erreichen uns immer mehr Berichte über gezielte sexualisierte Gewalt, über Massenvergewaltigungen ukrainischer Frauen durch russische Soldaten. Sexualisierte Gewalt als Waffe in militärischen Auseinandersetzungen ist leider nicht neu, auch nicht in Europa, und ein Großteil sexualisierter Gewalt zielt dabei auf Frauen ab. Sie werden stundenlang oder tagelang vergewaltigt, häufig vor den Augen der Familie. Sie werden verstümmelt, sie werden bewusst geschwängert, sie werden mit Krankheiten angesteckt, und auch schwangere Frauen und ältere Frauen werden dabei nicht verschont – ganz im Gegenteil.

Neben diesen direkten Verletzungen, neben den Demütigungen, neben den Entwürdi­gungen der Frauen soll auch der Kriegsgegner gedemütigt werden, es soll das soziale Gefüge über Generationen hinweg zerstört werden. Wir müssen diesen Aspekt bei der medizinischen Betreuung der großteils weiblichen Geflüchteten in Österreich ebenfalls aufnehmen, wir müssen ihn mitdenken. Einen entsprechenden Antrag haben wir heute auch dem Gesundheitsausschuss zugewiesen.

Gleichzeitig muss diese brutale und menschenverachtende Form von Gewalt auch inter­national aufs Schärfste verurteilt werden, und darauf zielt ein Antrag ab, den ich jetzt gleich einbringe, der aber schon im Vorfeld von Kollegin Pfurtscheller abgelehnt worden ist. Ich finde es ein bisschen schräg, hier zu spoilern, dass ich einen Antrag einbringe, der noch gar nicht eingebracht wurde, um ihn gleich im Vorfeld abzulehnen. (Zwischenruf der Abg. Pfurtscheller.) Das finde ich eigenartig. Vor allem wenn Sie den Text hören, werden Sie sehen: Man kann dem ganz einfach zustimmen.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sexu­ali­sierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird aufgefordert, die durch die russische Armee in der Ukraine verübte sexualisierte Gewalt – insbesondere gegen Frauen – auf das Schärfste zu verur­teilen und sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, eine Fact-Finding-Mission anzuregen und so zur Dokumentation und Verurteilung dieser brutalen Kriegsver­brechen beizutragen.“

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Wie kann man das ablehnen? – Es ist mir einfach ein Rätsel! Wenn man eh dafür ist, kann man hier auch zustimmen. Da kommen wir wieder von der wichtigen interna­tio­nalen Ebene, auf der wir gemeinsam daran arbeiten müssen, auch unseren Beitrag zu leisten, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben, dass sie protokolliert werden, hin zu einer kleingeistigen österreichischen Schrebergartenmentalität. (Beifall bei den NEOS.)

14.58

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Henrike Brandstötter, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine

eingebracht im Zuge der Debatte in der 153. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Gleichbehandlungsausschusses über den Antrag 2168/A(E) der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend umfassender Gewaltschutz (1431 d.B.)– TOP 5

Nach rund 2 Monaten Krieg in der Ukraine häufen sich Berichte über gezielte sexuali­sierte Gewalt und Massenvergewaltigungen ukrainischer Frauen durch russische Solda­ten. Sexualisierte Gewalt, insbesondere Vergewaltigung ist eine häufige Begleiterscheinung militärischer Auseinandersetzungen. Der Bosnien-Krieg mit seinen eigens eingerich­teten Lagern zur sexuellen Folter von Frauen oder der Genozid in Ruanda in den 1990er Jahren sind nur einige wenige Beispiele aus der jüngeren Geschichte für zielgerichtete, brutalste sexualisierte Gewalt v.a. gegen Frauen. Auch wenn sexualisierte Gewalt sich im Krieg prinzipiell auch gegen Kinder und Männer richtet, der Großteil sexualisierter Gewalt zielt auf Frauen ab. Sie werden stunden- oder tagelang vergewaltigt, häufig vor den Augen der Familie, sie werden verstümmelt, gezielt mit Krankheiten angesteckt und geschwängert. Auch Frauen im hohen Alter oder Schwangere werden nicht verschont, im Gegenteil. "Neben der Verletzung, Demütigung und Entwürdigung der Frauen ist dann das Ziel, die gegnerische Kriegspartei zu erniedrigen und das soziale Gefüge zu zerstören. Die Gewalt ist darüber hinaus ein Symbol der Erniedrigung des Gegners, der "seine" Frauen nicht schützen könne", so Frauenrechtlerin Sara Fremberg.1

Immer mehr solcher Berichte erreichen uns aktuell aus der Ukraine.2 Die russische Armee hat bereits in der Vergangenheit im Tschetschenienkrieg und bei der Annexion der Krim bewiesen, dass sexualisierte Gewalt zu ihrem Kriegsrepertoire gehört. Als be­sonders problematisch werden syrische und tschetschenische Söldnertruppen innerhalb der russischen Armee eingeschätzt - sie kommen aus Kriegsschauplätzen, an denen massive sexualisierte Gewalt ausgeübt wurde. Aber auch innerhalb des russischen Militärs selbst haben Berichte über sexuelle Misshandlungen als eine Art Aufnahmeritus über die letzten Jahre zugenommen.

Die internationale Staatengemeinschaft darf hier nicht einfach zusehen. Jeder Kriegstag mehr bedeutet unzählige weitere Opfer – nicht nur von Bomben und Raketen, sondern von gezielter und brutaler sexualisierter Gewalt durch die russische Armee. Die Direk­torin von UN Women, Sima Bahous, forderte bereits Mitte April eine unabhängige Unter­suchung der durch russische Truppen verübten sexualisierten Gewalt in der Ukraine, um Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit zu gewährleisten.3 Für den Konfliktforscher Robert Nagel erfüllen die von Betroffenen geschilderten Vergewaltigungen Einzelmerk­male von Völkermord ("Wir werden dich so sehr vergewaltigen, dass dich kein ukraini­scher Mann je wieder anfasst!").4 Diese massiven Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen in allen politischen Diskussionen immer wieder klar benannt, umfassend unter­sucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die österreichische Bundesregierung muss hier klar Stellung beziehen, diese abscheulichen Verbrechen auf das Schärfste verurteilen und alles in ihrer Macht stehende tun, um einerseits den Geflüchteten in Österreich die notwendige psychologische und medizinische Betreuung zukommen zu lassen, als auch auf internationaler Ebene für Gerechtigkeit zu sorgen. Eine Fact-Finding-Mission wie in Myanmar zur Dokumentation und Ahndung sexualisier­ter Gewalt wäre ein dringender erster Schritt, den es hier anzuregen gilt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internatio­nale Angelegenheiten, wird aufgefordert, die durch die russische Armee in der Ukraine verübte sexualisierte Gewalt – insbesondere gegen Frauen – auf das Schärfste zu verurteilen und sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, eine Fact-Finding-Mis­sion anzuregen und so zur Dokumentation und Verurteilung dieser brutalen Kriegsver­brechen beizutragen."

1 https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_92018448/gewalt-an-frauen-im-ukraine-krieg-zieh-dich-aus-oder-ich-erschiesse-dich-.html

2 https://www.tagesschau.de/ausland/europa/vergewaltigung-kriegswaffe-101.html;

3 https://www.derstandard.at/story/2000134859430/uno-will-gewalt-gegen-frauen-im-ukraine-krieg-untersuchen

4 siehe Fn. 2

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Romana Deckenbacher gelangt zu Wort. – Bitte.