17.43

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben heute auch die Verlängerung des COVID-19-Maßnahmengesetzes auf der Tagesordnung stehen, und diese Verlängerung wird von uns Freiheitlichen aus drei wesentlichen Gründen abgelehnt.

Erstens beinhaltet es erneut eine Verordnungsermächtigung, mit der diese Verlängerung nicht nur bis Sommer nächsten Jahres, sondern per Verordnung auch bis Ende 2023 von der Regierung beziehungsweise vom Minister verlängert werden kann. Eine Verord­nungsermächtigung sehen wir demokratiepolitisch als äußerst problematisch an, und sie hat in der Vergangenheit auch schon viele Probleme verursacht.

Zweitens wird mit diesem Maßnahmengesetz auch das Chaos, das wir im gesamten Maß­nahmenmanagement, im gesamten Krisenmanagement gehabt haben, prolongiert.

Und drittens wird mit diesem Maßnahmengesetz auch die Diskriminierung von gene­senen und gesunden Menschen verlängert, eine Diskriminierung, Herr Bundesminister, die Sie mit Ihrem Grünen-Pass-Erlass beziehungsweise Ihrer Verordnung bereits in eigener Verantwortung verursacht haben. Ich möchte Sie nur an die Aussagen Ihrer eigenen Expertin, der Virologin von Laer, im Gesundheitsausschuss letzte Woche erin­nern. Sie hat dort klar gesagt, dass zum Beispiel zweimal Geimpfte und danach Gene­sene mindestens genauso gut geschützt sind wie dreimal Geimpfte. Nichtsdestotrotz haben Sie eine verkürzte Gültigkeit des Grünen Passes für diese Genesenen von nur sechs Monaten im Vergleich zur zwölfmonatigen Gültigkeit, die dreifach Geimpfte genießen, ver­ordnet, und das, obwohl internationale Studien, auch der Impfstoffhersteller, zeigen, dass die Schutzwirkung der dritten Impfung nach drei Monaten kaum mehr vorhanden ist.

Wie kommen wir nun sicher in den Herbst? – Das ist ja das Argument, das Sie immer vorgeschoben haben, warum wir diese Verlängerung des COVID-19-Maßnahmen­geset­zes brauchen. Nun, bevor wir dieses Maßnahmengesetz beschließen, sollte man viel­leicht einmal die Maßnahmen der Vergangenheit evaluieren, wie das zum Beispiel die Schweiz getan hat, Herr Bundesminister. – Vielleicht hören Sie zur Abwechslung einmal zu, ich glaube, es könnte interessant sein.

Die Daten sind ganz neu, die Erkenntnisse und der Bericht der Schweizer Kommission ebenfalls. Die Schweizer haben zum Beispiel festgestellt, dass grobe Fehler im Manage­ment gemacht worden sind, dass zum Beispiel die Isolierung von alten Menschen zu mehr Problemen als Nutzen geführt hat, dass die Lockdowns in den Schulen zu massiven Problemen geführt haben und gesundheitlich nicht rechtfertigbar waren oder auch dass die Verschiebung von einfachen Behandlungen in den Spitälern sachlich nicht gerechtfertigt war und mehr Schäden angerichtet haben, als Nutzen gestiftet hat.

Eine derartige Evaluierung fehlt in Österreich bis heute. Herr Bundesminister, wir haben uns heute ja schon länger unterhalten, und Sie haben gesagt, Sie sind in einer Findungs- und Evaluierungsphase. Eine Evaluierung der Wirksamkeit der Maßnahmen gehört vor dem Beschluss der Fortsetzung des Maßnahmengesetzes gemacht und nicht hinten­nach. Ich würde Sie ersuchen, das auch in diesem Sinne unverzüglich anzugehen.

Natürlich bräuchten wir für eine Evaluierung auch verlässliche Daten, und da hapert es in Österreich halt leider ganz gewaltig. Da meine ich nicht nur die letzte Woche aufgetauchten über 3 400 zusätzlichen Covid-Toten, sondern da spreche ich davon, dass die gesamte Datenbasis, auf der ja die Bundesregierung ihre Maßnahmen immer fußen lässt und begründen muss und auf der vor allem auch die rechtlichen Abwägun­gen, ob etwas an Einschränkungen verfassungsrechtlich überhaupt noch tolerierbar ist oder nicht, erfolgen, schlicht und ergreifend nicht in einer solchen Konsistenz vorhanden ist, dass daraus tatsächlich belastbare Maßnahmen abzuleiten wären.

Das heißt: Diese transparenten Daten, die wir schon seit Sommer 2020 so dringend einfordern, sind nun endlich zu beschaffen, bevor wir hier wieder in eine Verlängerung des Maßnahmengesetzes gehen und wieder more of the same und ein Herumstochern im Nebel haben, was das Maßnahmenmanagement anbelangt.

Es gibt noch viele weitere Maßnahmen, die Sie ganz aktiv setzen könnten, und ich nehme mir heute die Zeit, sie noch einmal anzuführen, denn es geht ja, wie gesagt, um die Vorbereitung auf den Herbst.

Wir haben es in den Budgetverhandlungen schon oft diskutiert. Wenn einer der Kern­fak­toren für das Setzen von Maßnahmen die Überlastung des Gesundheitswesens ist, ist natürlich eine entscheidende Frage, wie viele Behandlungskapazitäten wir denn in Öster­reich überhaupt haben. Und nicht nur, dass diese Erfassung der Behandlungs­kapa­zitäten bis heute nicht standardmäßig und einheitlich geregelt ist: Es wurden auch in den gesamten zwei Jahren der Pandemie überhaupt keine zusätzlichen Kapazitäten geschaffen.

Das geht natürlich nur, wenn ich auch entsprechende Rahmenbedingungen schaffe, aber nicht nur bei den Arbeitsbedingungen, sondern es geht natürlich auch ums Geld. Es geht darum, dass die Länder für die Krankenanstaltenfinanzierung mehr Geld be­kommen, damit zusätzliche Planstellen geschaffen werden können, damit ein Pouvoir für Überstunden da ist, damit Reserveverträge mit zusätzlichen Ärzten und Pflegern geschlossen werden können, um bei Bedarf, im Fall einer neuen Welle, personell auf­stocken zu können, um so andere, viel drastischere Maßnahmen verhindern zu können.

Es geht aber auch ganz stark darum, den niedergelassenen Bereich zu stärken. Wenn wir aus der Krise etwas gelernt haben, dann das, dass es extrem wichtig war, die Men­schen zu Hause zu lassen und niederschwellig im niedergelassenen Bereich zu versor­gen, und da haben wir auch große Lücken gehabt. Wir haben die Menschen zwar zu Hause isoliert, aber wir haben keine entsprechende Therapieempfehlung gehabt, keine Therapieguidelines, was unmittelbar nach der Infektion zu tun ist. Auch da gehört dringend angesetzt und die Versorgung der Patienten zu Hause, in den eigenen vier Wänden deutlich ausgebaut. Dazu brauche ich ein funktionierendes System an Hausärz­ten, die diese Hausbesuche auch machen, oder alternativ an Epidemieärzten. Beides gehört schleunigst aufgebaut und mit entsprechenden Vergütungsanreizen für die kom­mende Saison etabliert.

Generell haben wir das Problem gehabt, dass wir in diesem Notbetrieb, den die Bundes­regierung in den vergangenen zwei Jahren geschaffen hat, mit den Impfstraßen, mit den Teststraßen, am liebsten auch noch mit zusätzlichen Behandlungscontainern, zu denen die Ideen schon herumgegeistert sind, Parallelstrukturen aufgebaut haben. All diese Parallelstrukturen haben aber Schlüsselpersonal aus dem medizinischen Bereich ge­bun­den. Es war die Diplompflegerin aus dem Altenheim, die in der Teststraße gestanden ist. Es ist der Spitalsarzt gewesen, der eigentlich auf seiner internen Station gebraucht wor­den wäre, der aber in der Impfstraße mehr verdient hat. Man kann es den Profes­sio­nisten ja nicht übel nehmen, dass sie dort hingehen, wo sie am besten bezahlt wer­den.

Wenn Sie das aber alles noch forcieren, eine entsprechende Einteilung vorsehen und auch diese Parallelstruktur aufrechterhalten, obwohl gar keine Notwendigkeit mehr ist, obwohl man die vorhandenen Fälle schon längst in das Regelsystem zurückführen könnte, dann verschlimmern Sie die Zustände und die Arbeitsbedingungen des verblie­be­nen Personals in den Kliniken und in den Pflegeeinrichtungen.

Auch bei den Gesundheitsbehörden, Herr Bundesminister, haben wir dringlichsten Handlungsbedarf. Wir haben noch immer etliche Bezirke in Österreich, die nicht einmal einen Amtsarzt haben, geschweige denn ausreichendes Sanitätspersonal in den Behör­den, um ihren behördlichen Verpflichtungen als Gesundheitsbehörde nachzukommen, um die Kontrollen eigenständig durchzuführen und nicht immer die Sicherheitskräfte, die Polizei oder gar das Bundesheer zur Kontaktnachverfolgung oder zur Überprüfung von Absonderungen und für Ähnliches einzusetzen. Das ist Aufgabe der Gesundheits­be­hörde und nicht der Sicherheitskräfte oder des Bundesheeres.

Zu guter Letzt kommt die Gesundheitsbildung, die Aufklärung der Bürger, der Menschen in Österreich, damit sie eigenverantwortlich mit dieser Viruserkrankung umgehen können.

Mittlerweile ist das Virus ja endemisch geworden. Das ist etwas, was die Experten ja vor eineinhalb Jahren gehofft haben, dass dieser Zustand eintritt, dass dieses Virus sich so weit abschwächt und so große Teile der Bevölkerung schon getroffen hat, dass kaum mehr mit schweren Verläufen zu rechnen ist, dass eine natürliche Immunität in der Bevölkerung vorhanden ist. Auch wenn das keine sterile Immunität, kein kompletter Schutz vor einer Infektion ist, ist es aber doch ein gewisser Schutz vor schweren Erkrankungen. Man hat anhand der Omikronwelle ja gesehen, dass es im Vergleich zu den Infektionszahlen nur sehr, sehr wenige schwere Erkrankungen und Hospitalisie­rungen gegeben hat.

Da muss man die Menschen halt aufklären, dass sie, auch wenn es keinen gesetzlichen Zwang gibt, entsprechend ihrem persönlichen Risiko Schutzmaßnahmen treffen. Der Staat soll sie dabei unterstützen, der Staat soll im Falle einer Pandemie kostenlose Schutzausrüstungen, ja auch Schutzimpfungen und Medikamente zur Verfügung stellen. Zuerst brauchen wir aber die Aufklärung, das Verständnis der Menschen, welche Maß­nahmen für sie tatsächlich geeignet sind, damit sie sie auch freiwillig tragen. Ein Zwang, wie es das aktuell noch immer als Damoklesschwert über den Köpfen der Menschen schwebende Impfpflichtgesetz ist, ist für jede Art von Aufklärung kontraproduktiv, denn Druck erzeugt Gegendruck, und damit erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie proklamiert haben.

Sie sehen, es gibt sehr viel zu tun. Mir ist bewusst, Sie sind sich über viele dieser Punkte, die ich angesprochen habe, im Klaren. Sie haben bis zum Herbst einige Monate Zeit, Ihr Bestmögliches zu geben, und ich hoffe für Sie, aber vor allem für die gesamten Menschen in unserem schönen Land, dass Sie diese notwendigen Vorbereitungs­maß­nah­men zeitnah treffen, damit wir mit diesen starken, einschränkenden Maßnahmen der Vergangenheit nicht mehr konfrontiert werden und wir uns diese in Zukunft ersparen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schallmeiner ist zu Wort ge­meldet. – Bitte.