9.07

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich freue mich sehr über die heutige Aktuelle Stunde, denn sie widmet sich einem riesigen, wichtigen Zukunftsthema und einem ebenso riesigen und wichtigen Reformpaket, das diese Regierung auf den Weg gebracht hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Darüber, dass eine Bundesregierung die Zukunft der Pflege sichern muss, ist in diesem Haus schon oft diskutiert worden. Ich kann mich erinnern – meine Zeit hier beginnt 2013 –: Wir haben immer wieder Dringliche Anfragen und Dringliche Anträge zu diesem Thema eingebracht. Die Hilfsorganisationen in den Ländern schreien seit Jahren auf, dass es etwas braucht, aber bisher – bis zu diesem Paket! – ist wenig passiert. Daher bin ich sehr froh, dass wir jetzt mit Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch das größte Pflegereformpaket der letzten Jahrzehnte tatsächlich auf den Weg bringen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich durfte letzte Woche gemeinsam mit August Wöginger bei der Präsentation dabei sein, und ich habe bei dieser Pressekonferenz gemerkt, dass mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen ist, denn dieses milliardenschwere Paket bedeutet tatsächlich, dass sich die teilweise schon unzumutbare Situation von Pflegekräften im ganzen Land endlich verbessern wird. Die Bezeichnung Meilenstein ist da also angebracht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es muss unser aller Anspruch sein, dass Menschen in unserem Land unabhängig von ihrem Einkommen die bestmögliche Pflege bekommen, die sie brauchen – und das ist unser Anspruch, den lösen wir mit diesem Pflegepaket ein. Es geht aber in seiner Wir­kung über den direkten Bereich der Pflege natürlich hinaus, denn – wie Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren – in der Pflege arbeiten 80 Prozent Frauen, im mobilen Bereich sind es sogar 90 Prozent. Diese Frauen leisten Unglaubliches und haben meinen größten Respekt, insbesondere auch vor dem Hintergrund der extremen Belastung durch die Pandemie in den letzten beiden Jahren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Diese Frauen und auch die Männer, die dort arbeiten, wurden als Heldinnen und Helden des Alltags beklatscht – aber Applaus zahlt nicht die Miete. Dementsprechend setzen wir jetzt mit diesem Paket einen ganz wichtigen, großen Schritt, um deren Situation tatsächlich zu verbessern. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Selbstverständlich gilt das auch für die Pflege zu Hause, wo die Carearbeit, wo die Pflege auch zu zwei Dritteln von Frauen erledigt wird. Auch da ist unser Ziel, deren Situation maßgeblich zu verbessern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mehr Geld für die Pflege bedeutet automatisch mehr Geld für die Frauen in diesem Bereich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was bedeutet dieser große Durchbruch, diese Pflegereform, jetzt konkret? – Er bedeutet konkret für die Menschen, die im Pflegeberuf arbeiten, für die MitarbeiterInnen, dass sie einen monatlichen Gehaltsbonus erhalten. Im Schnitt kann das bis zu einem Monats­gehalt pro Jahr sein. Das ist genau das, worum die Pflegekräfte seit vielen Jahren bitten, sie sagen: Wir brauchen das, die Rahmenbedingungen sind so schwierig. – Wir schaffen das jetzt mit insgesamt 520 Millionen Euro, mit über einer halben Milliarde Euro, die wir hier in die Hand nehmen, um die Gehaltssituation für die Pflegekräfte deutlich zu verbes­sern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Für Auszubildende gilt: Wenn man in der Erstausbildung ist, bekommt man 600 Euro pro Monat beziehungsweise pro Praktikumsmonat. Wir brauchen ganz dringend Menschen, die in den schönen Pflegeberuf einsteigen. Wir wissen, wir brauchen bis 2030 bis zu 100 000 Pflegekräfte neu in diesem Feld, man muss sich aber eine Ausbildung über­haupt erst leisten können. Deshalb setzen wir einen ganz, ganz wichtigen Anreiz, indem wir ein Pflegestipendium in Höhe von 1 400 Euro auf den Weg bringen – für alle Men­schen, die in den Pflegeberuf umsteigen wollen und dementsprechend eine Ausbildung machen. Die Kriterien dafür werden auch so angelegt sein, dass es niederschwellig zugänglich ist, es muss dafür nicht all das, was für sonstige AMS-Förderungen notwen­dig ist, erfüllt sein. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt ist, denn mit 1 400 Euro ist die Existenzsicherung gewährleistet. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Pflegende Angehörige, die schwer Pflegebedürftige unterstützen und pflegen und selbst weiter versichert sind, erhalten in Zukunft 1 500 Euro Angehörigenbonus. Auch das ist ein wichtiges Zeichen, eine wichtige Unterstützung, eine finanzielle Unterstützung für die in erster Linie dort tätigen Frauen, um deren Situation zu erleichtern.

Wir verlängern den Rechtsanspruch auf Pflegekarenz auf drei Monate. Wir verändern etwas bei der Ausbildung – Kollege Wöginger wird in seiner Rede die Pflegelehre ganz sicher umfangreich beschreiben. Wir erweitern die Kompetenzen, damit auch bessere Abläufe möglich sind, damit wir Entbürokratisierung schaffen und damit die Pflegekräfte in den Einrichtungen bestmöglich eingesetzt werden. Auch bei der Zuwanderung mit der Rot-Weiß-Rot-Karte setzen wir Maßnahmen, damit wir die Zahl von 100 000 Pflege­kräften, die notwendig ist, die wir brauchen, tatsächlich erreichen können.

All das sind jetzt vielleicht abstrakte Punkte, aber sie haben eine ganz konkrete Aus­wirkung auf die Lebensrealität von einer Million Menschen, die in Österreich direkt oder indirekt von diesem Thema betroffen sind. Die Pflegekräfte, die Pflegenden, die Ange­hörigen: Für all sie bedeutet dieses Paket eine massive Verbesserung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Verteilung dieser 520 Millionen Euro, die wir zur Verfügung stellen, um die Gehälter der Pflegekräfte deutlich zu verbessern, werden wir gemeinsam mit den Sozialpartnern und den Ländern sicherstellen. Genau da sind wir bei einem Punkt, der in der Pflege­debatte oftmals schwierig ist – in anderen Bereichen wie der Pandemiebekämpfung oder im Gesundheitssystem kennen wir das bereits –: Die Pflege liegt in der Hauptver­ant­wortung der Länder und dementsprechend ist es eben nicht allein der Bund, der hier tätig werden kann. Der Bund legt aber mit diesem riesigen Pflegereformpaket etwas auf den Tisch, wozu ich sagen muss: Liebe Länder, da gibt es jetzt keine Ausreden mehr, damit könnt ihr jetzt wirklich arbeiten! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich schaue bei dieser Frage auch in die Reihen der Sozialdemokratie und richte den eindeutigen Appell an Sie: Seien auch Sie PartnerInnen bei dieser Reform und helfen Sie in den Bundesländern, in denen Sie regieren, mit, Ihren Anteil zum Erfolg beizu­tragen! Kollege Hacker aus Wien hat ja die Reform auch schon sehr begrüßt und gelobt (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), genauso wie im Übrigen alle Hilfsorganisationen, angefangen bei der Caritas. Heute ist im „Falter“ ein großer Artikel darüber, dass die Pflegereform tatsächlich der große Wurf ist, den man sich viele, viele Jahre erwartet hat. Ich denke, wir können auch ein bisschen stolz darauf sein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine Reform dieses Ausmaßes kann nicht nur im Interesse einer Partei oder einer Koalition sein, eine Reform dieses Ausmaßes muss in unser aller Interesse sein. Dem­entsprechend hoffe ich auf breite Unterstützung der anderen Fraktionen hier im Par­lament. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wie Sie wissen, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir in den letzten Jahren viel vom Pflegenotstand gehört – zu Recht. Die Pflegekräfte sind auch auf die Straße gegangen, haben auf ihre schwierige Situation aufmerksam gemacht. Pflegenotstand ist eine besorgniserregende Formulierung, aber sie verdeutlicht, welche Antwort es hier braucht, nämlich tatsächlich eine, die in der Lage ist, diesen Notstand aufzulösen. Ich glaube, die legen wir hier vor, nämlich so, dass wir das Problem an der Wurzel angehen können.

Ich möchte hier auch sagen: Das sind nachhaltige Maßnahmen. Niemand wird in zwei Jahren auf die Idee kommen, die Gehälter zurückzudrehen. Nein, diese Maßnahmen bleiben, und es werden selbstverständlich noch weitere folgen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sichern mit dieser Reform nicht nur den Fortbestand der Pflege, wir bauen sie massiv aus und legen damit den Grundstein für eine lebenswerte Zukunft für unsere und die nächste Generation. Jede Person wird irgendwann in ihrem Leben mit diesem Thema konfrontiert sein, wird sich damit beschäftigen müssen, und mit dieser Pflegereform schaffen wir es, diese Herausforderung gut anzugehen.

Mein Fazit zu dieser Reform und auch das Fazit dieser Rede ist: Es ist das größte Pflegereformpaket seit Jahrzehnten. Bitte konzentrieren wir uns darauf, sie gemeinsam gut umzusetzen, im Sinne der zu Pflegenden, der Pflegekräfte und der Angehörigen in diesem Land. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Punktlandung.

Ich darf Herrn Bundesminister Rauch sehr herzlich bei uns begrüßen und ihm das Wort erteilen. – Bitte sehr, Herr Bundesminister.