9.31

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! „Die Zukunft der Pflege jetzt sichern!“, so lautet das Thema der Aktuellen Stunde, und es ist schon sehr mutig von Ihnen, von den Regie­rungs­parteien, dieses Thema hier heute einzubringen. Ich sage Ihnen: Dieses angekündigte Reformpaket vom 12. Mai wird ein weiterer Eintrag in der Chronologie, in der Geschichte Ihres Versagens bei der Pflegereform sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen jetzt auch, warum. – Weil die Menschen Ihnen nicht mehr glauben, dass Sie bei der Pflege etwas weiterbringen werden, weil Sie in den letzten fünf Jahren im Bereich Pflege nur angekündigt, aber nichts getan haben! (Rufe bei der ÖVP: Was haben Sie getan?)

Schauen wir uns diese Chronologie der letzten fünf Jahre an; und ich nehme die Grünen für die ersten zwei Jahre aus. Schauen wir uns einmal nur das Jahr 2018 an: Kurz kün­digt im Sommer 2018 eine riesige Pflegereform an. (Zwischenruf der Abg. Maurer.) Im Jänner 2019 wird anlässlich der Regierungsklausur ein Pflegekonzept groß ange­kündigt. – Gekommen ist nichts!

Dann kommen die Grünen in die Regierung. Im Februar 2021 wird eine Taskforce Pflege angekündigt, wird gegründet. (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner.– Gekommen ist nichts!

Im April 2021 soll eine Zielsteuerungskommission, in der Bund, Länder, Städte und Gemeinden vertreten sind, die weitere Vorgangsweise entscheiden. – Gekommen ist nichts!

Und dann kommt der Dezember 2021, in dem diese ÖVP/Grünen-Regierung wieder eine weitreichende Pflegereform ankündigt. – Gekommen ist nichts!

Fünf Jahre Ankündigungen – egal welcher Bundeskanzler von der ÖVP oder welche Gesundheitsminister in diesen fünf Jahren aktiv waren: fünf Jahre verlorene Zeit, nur Ankündigungen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haubner: Zehn Jahre habt ihr nichts getan!)

Und dann kommt der 11. Mai. Die SPÖ macht eine Pressekonferenz, einen Tag vor dem Tag der Pflege, und kritisiert dieses Nichtstun der Regierung, bringt neuerlich ihre Vorschläge ein, legt neuerlich die Vorschläge auf den Tisch – Kollege Drobits wird dann auch noch näher erläutern, wie wir uns das vorstellen –, und gleich danach, unmittelbar danach, lädt die Bundesregierung zu einer Pressekonferenz am folgenden Tag ein – am Tag der Pflege, am 12. Mai, an dem Tag, an dem Zehntausende Beschäftigte auf die Straße gegangen sind und aufgezeigt haben, dass sie es nicht mehr schaffen, die pflegebedürftigen Menschen entsprechend zu versorgen, dass der Personalbedarf ein riesiges Problem in Österreich wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich verstehe nicht, Herr Bundesminister, warum Sie unseren Vorschlag nicht aufnehmen. Pflege und Betreuung sind Schwerstarbeit für die Beschäftigten. Machen Sie eine Ver­ordnung (Zwischenruf der Abg. Maurer), zeigen Sie diesen 159 000 Menschen zumin­dest Wertschätzung, indem Sie sagen: Ja, das, was ihr jeden Tag für die Menschen, die unsere Hilfe brauchen, macht, ist Schwerstarbeit! Pflegeberufe und Gesundheitsberufe bedeuten Schwerstarbeit. Warum machen Sie das nicht, Herr Bundesminister?

Immer mehr Beschäftigte aus diesem Bereich wechseln jetzt – coronabedingt, muss man auch klar anerkennen – in andere Branchen; sie kündigen und gehen in andere Branchen. Immer mehr Pflegekräfte stellen sich die Frage: Wenn ich aufgrund der Teue­rung mit meinem Einkommen meine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, warum soll ich dann diesen Job weiter in Vollzeit ausüben? – Pflegekräfte nicht zu vertreiben, liebe Regierungsparteien, sondern zu halten und zu motivieren, dies weiterhin zu tun, das ist die Aufgabe.

Die größte Reform des Jahrzehnts haben Sie auf zwei Seiten Pressepapier angekündigt. Diese zwei Seiten Pressepapier und die vorgestellten 20 Maßnahmen sind Ankündi­gungen, sind teilweise eine Kindesweglegung, indem Sie nicht auf jene Probleme ein­gehen, die für ein Pflegepaket wirklich notwendig sind – keine Nachhaltigkeit, keine Finanzierung, keine Planung, keine Lösung bei den 24-Stunden-Kräften, keine Entlas­tung bei den pflegenden Angehörigen!

August Wöginger hat diesen Angehörigenbonus hervorgehoben. Ich weiß, das ist ein Steckenpferd von dir, lieber August, aber: 1 500 Euro brutto im Jahr, 125 Euro brutto im Monat, 4,11 Euro am Tag als Bonus für die pflegenden Angehörigen, damit sie zu Hause bleiben (Abg. Michael Hammer: Im Burgenland kriegst ein Paar Ski dazu!) und ihre Verwandten pflegen – das ist kein Anreiz, das sind Almosen. (Beifall bei der SPÖ.) Das hätte ich gar nicht hineingeschrieben, August, das ist eindeutig zu wenig. Da gibt es ganz andere Modelle. Wir sehen am Modell Burgenland, wie es richtig geht und dass die Menschen sich dann auch entscheiden, zu Hause zu bleiben und die Pflege zu übernehmen.

Herr Bundesminister, das, was hier angekündigt wird, von dem vieles an die Länder übertragen wird, von dem vieles an die Sozialpartner übertragen wird, bezüglich dessen nicht geklärt ist, wer was zahlt, sind wieder nur Ankündigungen. Auf meine Nachfrage im Sozialausschuss, wo denn die Papiere dazu seien, wo die konkreten Texte zu diesen ganzen Ankündigungen seien, kam die Antwort von dir – Kollege Gödl hat ja dann geantwortet –, das müssten wir erst erarbeiten, das komme in den nächsten Wochen und Monaten, Stück für Stück, Teil für Teil.

Das ist wieder nur eine Ankündigung – wir werden Sie an den konkreten Taten messen, Herr Bundesminister! (Beifall bei der SPÖ.)

9.37

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.