10.08

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte KollegInnen! Wertgeschätzte ZuseherInnen hier auf der Galerie und natürlich auch zu Hause! Wenn Kinder und Erwachsene die erhöhte Familienbeihilfe aufgrund einer Behinderung beziehen und Pflegegeld bekommen, wurden bis jetzt 60 Euro auf das Pflegegeld angerechnet. Etwas angerechnet zu bekommen, das klingt irgendwie super – oder? –, de facto bedeutet es aber, dass die erhöhte Familienbeihilfe von der Pflegegeldhöhe abgezogen wurde. Völlig inakzeptabel! Diese Anrechnung wird nun gestrichen. Je nach Höhe der Pflegegeldstufe wird das ein beträchtliches Plus bedeuten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bezog eine Familie beispielsweise für ihr behindertes Kind erhöhte Familienbeihilfe plus Pflegegeld der Stufe 1 – fangen wir bei der niedrigsten an –, wurden von den an monatlichem Pflegegeld zustehenden 165,40 Euro 60 Euro abgezogen. Das heißt, die Familie bekam dann also nur 105 Euro. Durch die Aufhebung der Anrechnung bekommt die Familie nun den vollen Betrag, und das ist faktisch eine Erhöhung des Pflegegelds für diese Familie um 57 Prozent. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Bei Pflegegeld Stufe 3 und entsprechender Pflegegeldhöhe blieben bisher 415 Euro, durch den Entfall der Anrechnung bleibt das volle Pflegegeld, also 475 Euro, das ist immerhin ein Plus von 14 Prozent. Insgesamt profitieren allein von dieser einzigen Maßnahme 45 000 Personen, und das, werte Damen und Herren, freut mich als Sprecherin für Menschen mit Behinderung enorm. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Darüber hinaus wird die Einstufung für das Pflegegeld für Menschen mit Demenz und schweren psychischen Beeinträchtigungen verbessert. Die Erschwerniszulage wird von 25 auf 45 Stunden erhöht. Dadurch kann und wird sich eine höhere Pflegegeld­einstufung ergeben.

Eine weitere Maßnahme – sie wurde schon genannt – ist der Angehörigenbonus, und ja, auch das ist gut so. Davon werden 12 000 Angehörige in Österreich profitieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein weiterer Punkt, der mir als Sprecherin für Menschen mit Behinderung wesentlich erscheint, ist die Verbesserung in den Pflegeberufen. Meine Kollegin Bedrana Ribo hat in ihrer Rede schon sehr eindeutig beschrieben, welche wesentlichen Verbesserungen kommen werden. Wie manche von Ihnen wissen, war ich ja selbst in der Behindertenhilfe tätig. Es kommen derzeit vereinzelt immer wieder Meldungen darüber, dass auch der Sozialbereich, also genauer gesagt der Behindertenbereich, in dem Pflege passiert, im Maßnahmenpaket nicht berücksichtigt wurde. Dem kann ich hier klar und deutlich wider­sprechen. Es sind alle Berufsgruppen – der Pflegeassistenz, der Pflegefachassistenz und der diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege – umfasst, unabhängig vom Set­ting, in dem die Personen arbeiten. Das bedeutet, dass genau jene, die die Pflege in der Praxis ausführen, eben auch im Behindertenbereich – das sind in etwa 6 400 KollegIn­nen –, von dieser Änderung umfasst sind, und das ist auch gut so. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich stimme aber auch zu, dass es in der Praxis aufgrund der unterschiedlichen Bedarfe einer Person durchaus zu Graubereichen kommen kann. Zum Beispiel ist die Abtren­nung, wo Pflege passiert und wo Betreuung passiert, oft nicht möglich. Wir als Be­treuerInnen, die keine Pflegeausbildung haben, können ja jetzt nicht sagen: Ah, Sie brauchen jetzt Pflege! Na, dann warten wir, bis die Kollegin kommt! – Deswegen wurde es möglich gemacht, dass wir unter Anleitung oder Anordnung von einer diplomierten Fachkraft auch pflegerische Tätigkeiten ausüben können. Der Unterschied ist aber ganz eindeutig: BehindertenbetreuerInnen haben keine Pflegeausbildung.

Ich möchte hier ganz klar sagen, die BetreuerInnen in der Behindertenhilfe leisten unfassbar wichtige Arbeit, ihre Arbeit ist unverzichtbar. Es ist ja eine Tatsache, dass sich die Gewerkschaft für soziale Berufe schon lange für bessere Rahmenbedingungen einsetzt. Ich erinnere mich noch an die Verhandlungsergebnisse der Sozialwirtschaft Österreich 2019. Ich sehe da natürlich auch die Länder, die die Hauptkompetenz in der Behindertenhilfe haben, sowie auch die TrägerInnen selbst in Verantwortung, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich persönlich stehe sehr gerne für einen Dialog oder für eine Diskussion dazu bereit.

Wir alle wollen – hoffentlich – Inklusion. Das bedeutet vor allem Deinstitutionalisierung, Lohn statt Taschengeld, ein Ende der Werkstätten, wie sie derzeit noch gedacht und gelebt werden, ein Aufmachen der Schule für Kinder und Jugendliche mit Behin­de­rungen, vor allem in den elementaren und tertiären Bildungseinrichtungen, und das Auf­machen des Ersten Arbeitsmarkts. Meine Damen und Herren, ein würdevolles Miteinan­der braucht eine Systemänderung. Diese, werte ZuseherInnen, kann nicht alleine mit einem Pflegereformpaket – dem ersten Schritt, der getan wurde – kommen. Dennoch – das ist deutlich zu sagen – ist diese Pflegereform, auf die wir seit Jahrzehnten warten mussten und die nun unter grüner Regierungsbeteiligung in Umsetzung kommt, eine sehr, sehr gute Sache. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Herr Drobits, noch kurz: Wir anerkennen schon, was alles passiert ist, aber wir aner­kennen auch, was alles nicht passiert ist! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.14

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Seidl. – Bitte sehr.