14.52
Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Frau Belakowitsch, ich weiß, die FPÖ hat es nicht so mit evidenzbasierter Politik, aber ein Fakt ist: Menschen mit Migrationsbiografie sind Nettozahlerinnen und Nettozahler im System. Das ist ein Faktum. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)
Mit den Anpassungen zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, die wir heute beschließen, ziehen wir – Kollege Koza hat es schon gesagt – einige Giftzähne von dieser Sozialhilfe Neu, damals von der ÖVP-FPÖ-Regierung eingeführt. Wir ziehen heute diese Giftzähne, und das ist gut so. Das ist vor allem für jene Menschen wichtig, die aufgrund dieser türkis-blauen Sozialhilfe Neu zwischen den Seilen der sozialen und finanziellen Absicherung durchgerutscht sind. Unser Job als Politikerinnen, als Politiker ist es, diese Seile enger zu ziehen und daraus ein Netz zu knüpfen, das möglichst alle auffängt. Und diesem Ziel kommen wir heute einen Schritt näher. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das ist auch aus frauenpolitischer Sicht wichtig. Wieso? – Stellen Sie sich eine alleinerziehende Mutter vor, nennen wir sie Anna F. Anna arbeitet in einer Supermarktkette, sie hat ein Baby zu Hause, aber niemanden in ihrem persönlichen Umfeld, der sie bei der Kinderbetreuung unterstützen kann. Somit kann sie neben ihrer Betreuungsarbeit nur geringfügig gegen Lohn arbeiten. Damit Anna sich und ihr Kind über die Runden bringen kann, bezieht sie also Sozialhilfe. Bisher verlor sie dadurch das 13. und 14. Gehalt, weil die türkis-blaue Regierung befunden hatte, dass Menschen, die neben einem geringen Lohn auch Sozialhilfe beziehen, kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld beziehen sollen. Für Anna heißt das, die Monate, in denen sie potenziell ein bissel Extrageld für einen Geburtstag, für ein Weihnachtsgeschenk oder für einen Ausflug mit dem Baby auf die Seite hätte legen können, oder ein bissel Geld für eine Notsituation – eine kaputte Waschmaschine, eine kaputte Brille – gab es nicht, weil das Geld gekürzt worden ist.
Was bedeutet das wiederum? – Man muss sich die Auswirkungen vorstellen: ein permanentes Verharren in einer Angstsituation genau vor solchen nicht geplanten Ausgaben. So wie Anna F. geht es in Österreich rund 14 000 Menschen, und für diese Menschen schaffen wir heute eine Verbesserung, indem wir dafür sorgen, dass künftig das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht mehr auf die Sozialhilfe angerechnet werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ein weiterer Missstand, den Türkis-Blau damals konstruiert hat, war die bisherige Reduktion des Sozialhilfeanspruchs, wenn – wir haben es heute schon gehört – frau in einem Frauenhaus lebt oder bei einer Gewaltschutzorganisation untergebracht ist. Was hat das für die von Gewalt betroffenen Frauen bedeutet? – Das hat mir letzte Woche bei meinem Besuch des Frauenhauses in Klagenfurt das Team dort sehr eindrucksvoll vor Augen geführt. Das muss man sich vorstellen: Das bedeutet bis zu 55 Prozent weniger Sozialhilfe für Frauen, die den Mut aufbringen, aus einer gewalttätigen Beziehung auszubrechen, und Schutz in einem Frauenhaus suchen. Praktisch heißt das, die Frauen mussten sich für das existenzielle Nichts entscheiden – entkomme ich dieser Gewaltbeziehung, kriege ich kein Geld – oder dafür, bei dem Gewalttäter zu bleiben, bei diesem Partner zu bleiben und wenigstens irgendwie halbwegs finanziell abgesichert zu sein.
Aus der Praxis wissen wir: Frauen gehen zumeist zum gewalttätigen Partner zurück, bevor sie riskieren, dass sie ihre Kinder nicht mehr versorgen können, nicht mehr ernähren können. Und wir Grüne wissen auch, diese Art von Entscheidung sollte keine Frau jemals treffen müssen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Genau aus diesem Grund korrigieren wir auch diesen türkis-blauen Missstand. Gewaltschutzeinrichtungen gelten künftig nicht mehr automatisch als Wohngemeinschaften, und das führt eben, wenn man dort lebt, nicht mehr automatisch zu Sozialhilfekürzungen. Das wiederum ist ein wichtiger Schritt im Gewaltschutz. Das haben mir auch die Frauen vor Ort im Frauenhaus Klagenfurt so bestätigt.
Weil die Bundesländer jetzt schon ein paarmal genannt worden sind, möchte ich abschließend die Bundesländer nicht nur ermutigen, sondern explizit auch dazu auffordern, diese erleichterten und erweiterten Handlungsmöglichkeiten, die wir heute hier schaffen werden, nicht nur anzunehmen, sondern sich auch wirklich in der Pflicht zu sehen, diese Verbesserungen entsprechend rasch umzusetzen. Wir alle, die wir hier sind, haben Kolleginnen und Kollegen in den Bundesländern, die in den entsprechenden Funktionen sitzen und dafür Sorge tragen müssen, das umzusetzen. Bitte greift zum Telefonhörer! Redet mit den Kolleginnen und Kollegen! Sorgt dafür, dass das, was wir heute hier beschließen, dort auch wirklich ankommt!
Wir schauen dorthin, wo andere früher weggeschaut haben. Wir schauen dorthin, wo wir wissen, dass die Sozialhilfe zuallererst Kinder, Frauen, alte Menschen, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen schützt und unterstützt. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wir werden auch weiterhin hinschauen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
14.57
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.