11.41

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminis­terin! Hohes Haus! Vor allem sehr geehrte Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Sie werden es wahrscheinlich nicht mitbekommen haben: In den vergangenen Monaten fand die sogenannte EU-Zukunftskonferenz statt, der angeblich größte Bürgerbeteiligungs­prozess in der Geschichte der EU, dessen Ergebnis nun ein umfassender Forderungska­talog ist, den jetzt alle anderen Parteien in diesem Haus umsetzen wollen.

Ein großer Bürgerbeteiligungsprozess, von dem nur leider in Österreich kaum ein Bürger überhaupt irgendetwas mitbekommen hat. Werte Kollegen, weil Sie immer die Bedeu­tung dieser EU-Zukunftskonferenz hervorheben und daraus auch einen Auftrag ableiten wollen: Gehen Sie einmal hinaus! Sprechen Sie mit der österreichischen Bevölkerung! Gehen Sie auf die Straße und fragen Sie einmal nach, wer überhaupt weiß, was die EU-Zukunftskonferenz ist! Gehen Sie dem einmal nach und fragen Sie, ob die Bevölkerung diese Forderungen überhaupt haben will! Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie das tun wür­den, dann müssten Sie mit all diesen Forderungen genau eines machen: sie wegschmei­ßen (Ruf bei der ÖVP: Unerhört!); denn genau so ist die Zustimmung der Bevölkerung dazu. Dieses Ergebnis ist für den Willen der österreichischen Bevölkerung nämlich gar nicht repräsentativ, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Zukunftskonferenz war von Beginn an auch organisatorisch die reinste Farce. Sie war unkoordiniert, unprofessionell, das Ganze war für die Europäische Union richtigge­hend peinlich, dagegen war das Kaufhaus Österreich noch ein voller Erfolg. Die Bürger­beteiligung war so gewaltig, dass nur rund 800 Bürger mitmachen durften, insgesamt über verschiedene Plattformen nur rund 53 000, das sind 0,01 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung, und das ist die Legitimation für diese Forderung!

Natürlich wurde das alles unter fachkundiger Anleitung der Eurokraten und sogar einiger EU-Faktenchecker begleitet, um ja sicherzugehen, dass die Forderungen der Bürger nur ja EU-konform sind. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist kein Bürgerbeteiligungs­prozess, das ist ein reiner Show-Bürgerbeteiligungsprozess. (Beifall bei der FPÖ.) Da hat man Mitbestimmung simuliert, eine große Show aufgezogen und am Ende ist genau das rausgekommen, was eh schon von Anfang an feststand, nämlich: mehr EU, noch mehr EU und noch mehr EU, mehr an Zentralismus, noch mehr an Bürokratie, noch weniger an Souveränität für die Mitgliedstaaten und damit noch weniger Mitspracherecht der Bürger.

Das war nichts anderes als eine pseudodemokratische Veranstaltung, die einer weiteren Zentralisierung Legitimation verschaffen sollte – ein weiterer großer Schritt in Richtung Ziel einer Staatswerdung der Europäischen Union, und dazu gibt es von uns, sehr ge­ehrte Damen und Herren, ein klares Nein. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn ich mir diesen Forderungskatalog anschaue, macht es mich teilweise wirklich fas­sungslos, dass alle anderen Parteien nicht nur im EU-Parlament einer raschen Umset­zung dieser Forderungen zugestimmt haben, sondern auch noch hier im Parlament einen Antrag einbringen, um genau diese rasche Umsetzung zu fordern. Also ich bin ja von Ihnen schon einiges an Österreichvergessenheit gewohnt, aber da frage ich mich schon, ob Sie alle diese Forderungen wirklich im Detail durchgelesen haben, ob Sie überhaupt wissen, was da drinnen steht.

Da steht drinnen: Vergemeinschaftung des Gesundheitssystems, noch mehr Kompeten­zen für die EU, mehr Kompetenzen für das EU-Parlament, europäische Wahllisten, damit die Abgeordneten nur ja keinem Nationalstaat mehr verpflichtet sind, bis hin zu mehr legaler Migration und einem Asylsystem mit verpflichtenden Flüchtlingsumverteilungs­quoten. Es wird auch gefordert, den Konditionalitätsmechanismus auszuweiten, um auf­müpfige Staaten wie Ungarn noch leichter und besser bestrafen zu können, und – jetzt aufpassen! – es werden auch dauerhaft gemeinsame EU-Schulden gefordert, damit wir noch mehr für marode Staaten zahlen und haften dürfen, weg von Österreich umvertei­len, nur immer zulasten der österreichischen Steuerzahler. Natürlich wird auch ein eige­ner EU-Haushalt mit eigenen europäischen Steuern gefordert, um direkt in die Tasche der Bürger in Österreich greifen zu können.

Vor allem, das ist der wesentliche Punkt, soll endlich dieses lästige Einstimmigkeitsprin­zip fallen. Dann könnte Österreich genau gar nichts mehr mitreden, dann sind wir Brüssel vollkommen ausgeliefert, dann entscheiden die Staaten mit Mehrheit über den Kopf von Österreich hinweg. So schnell können Sie dann gar nicht schauen, schon haben wir eine Zwangsverteilung von Flüchtlingen, schon haben wir ein Öl- und Gasembargo, was ein wirtschaftlicher Selbstmord für Österreich wäre. Nicht dass das die anderen Parteien hier stören würde, denn die haben im EU-Parlament sowieso auch für ein Öl- und Gas­embargo gestimmt.

Also kurz gesagt: Dieser lange Forderungskatalog liest sich, als wäre er eine Wunsch­liste der EU-Zentralisten. Er würde nichts anderes als eine Entmündigung der Mitglied­staaten bedeuten. Damit soll die Europäische Union endlich zu einem EU-Staat entwi­ckelt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Für uns ist das eine gefährliche Bedrohung für Ös­terreich und ein Großangriff auf unsere Unabhängigkeit. Und dann fragen Sie mich auch noch allen Ernstes, ob ich, ob wir bei diesem Antrag mit dabei sein wollen? – Also nein, sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und den anderen Parteien, wir haben nicht vergessen, auf welche Verfassung wir angelobt und wem wir verpflichtet sind.

Das Gute ist, für die Umsetzung dieser Forderung braucht es einen EU-Konvent. Not­wendig dafür wäre eine Mehrheit der Mitgliedstaaten, und bereits 13 Staaten haben sich gegen solch einen Konvent ausgesprochen, jetzt bräuchte es nur noch einen Staat. Das heißt, Österreich hätte es in der Hand, diesen Konvent zu verhindern und damit auch die Umsetzung dieser Reihe an wirklich unerträglichen Forderungen. Wir könnten dem eine klare Absage erteilen.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhalt des Ein­stimmigkeitsprinzips“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Kon­vent zur Umsetzung der Forderungen der ‚Konferenz zur Zukunft Europas‘ ist deswegen abzulehnen."

*****

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben heute die Möglichkeit, mit Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag doch noch zu zeigen, dass Ihnen die österreichische Bevölkerung nicht völlig egal ist. Erteilen Sie diesem Zukunftskonvent eine klare Absage und schützen Sie damit Österreich vor den Zentralisierungsfantasien Brüssels! (Beifall bei der FPÖ.)

11.47

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Steger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips

eingebracht in der 158. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 19. Mai 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 2, Bericht des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union über das Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG betreffend 14996/21 – Conference on the Future of Europe – National best practices on communication (85342/EU XXVII. GP) (1426 d.B.)

Die Europäische Union unternimmt regelmäßig Versuche, das ihr immanente Demokra­tiedefizit mittels Instrumenten der Schein-Partizipation zu kaschieren. Das neueste dies­bezügliche Experiment, die „Konferenz zur Zukunft Europas“, hat allerdings mit ihrem Abschlussbericht des Pudels Kern offenbart: Herausgekommen ist ein Forderungskata­log der Zentralisten, welche die Mitgliedstaaten weiter entmachten und einen europäi­schen Bundesstaat errichten wollen.

Selbst die sicherlich nicht als EU-kritisch einzustufende Süddeutsche Zeitung fasst die Ergebnisse der Konferenz folgendermaßen zusammen: „In weiten Teilen liest sich das Dokument so, als hätten es die großen Fraktionen des EU-Parlaments allein verfasst - ohne die Kommission und vor allem ohne die Mitgliedstaaten“ (Süddeutsche Zeitung 30.04.2022: Eine Konferenz, die Europa verändern will).

Neben einer umfassenden Kompetenzverschiebung nach Brüssel, fordert der Ab­schlussbericht auch das Ende des Einstimmigkeitsprinzips ein. Wortwörtlich führt der Abschlussbericht an: „Alle Angelegenheiten, die bislang einstimmig beschlossen werden müssen, sollten künftig mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Die einzigen Ausnahmen sollten die Aufnahme neuer Mitglieder in die EU und Änderungen an den Grundprinzipien der EU sein“ (Konferenz zur Zukunft Europas. Bericht über das endgül­tige Ergebnis 2022: S. 90). Eine derartige Reform hätte zur Folge, dass kein einzelner Mitgliedstaat in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, sowie in Angelegenheiten der Sozial-, Steuer- und Haushaltspolitik, nationalstaatliche Interessen vor Schnellschüssen der Europäischen Union bewahren könnte. Ein Öl- und Gas-Embargo gegen die Russi­sche Föderation wäre unter diesen Voraussetzungen wohl schon längst beschlossene Sache, auch wenn aufgrund dieser Sanktionierung der österreichischen Industrie die Lichter ausgehen würden und hierzulande Massenarbeitslosigkeit eine weitere Folge wäre. Für Sanktionen gegen einen einzelnen EU-Mitgliedstaat wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit wäre künftig ebenfalls keine Einstimmigkeit mehr erforderlich.

Der Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips würde die tatsächlich demokratisch legitimier­ten Entscheidungsträger in Europa – nämlich die Regierungen der Nationalstaaten – in unverantwortlichem Ausmaß schwächen. Demokratische Wahlen in den Mitgliedstaaten würden dadurch ebenfalls entwertet werden. Denn zum einen müsste der Bürger eines Mitgliedstaates hinkünftig bei nationalen Wahlen mit dem Wissen seine Stimme abge­ben, dass die von ihm gewählten Vertreter im Zweifel machtlos und nicht in der Lage wären, die Interessen der Bevölkerung auf europäischer Ebene zu schützen. Zum ande­ren wären auch die gewählten Repräsentanten außerstande, gegenüber ihrer Bevölke­rung Wahlversprechen einzuhalten, sofern diese den Brüsseler Zentralisten nicht ge­nehm sind.

Das Ende des Einstimmigkeitsprinzips würde folgerichtig der Demokratie in Europa einen herben Schlag versetzen. Jede demokratisch legitimierte Regierung eines EU-Mit­gliedstaats muss primär den Anliegen und Sorgen seiner Bürger entsprechen, gegebe­nenfalls dieser Verpflichtung mittels der Nutzung seines nationalen Vetos auf europäi­scher Ebene gerecht werden können. Vor allem kleine Mitgliedstaaten, wie Österreich, wären ohne dem Einstimmigkeitsprinzip jedweder Möglichkeit beraubt, in entscheiden­den Politikbereichen im Interesse der eigenen Bevölkerung einen Einspruch zu erheben. Die Missachtung der verfassungsrechtlich verankerten Neutralität Österreichs durch die schwarz-grüne Bundesregierung im Zuge des Krieges in der Ukraine hat vor Augen geführt, wie schnell EU-Hörigkeit dazu führen kann, Grundprinzipien des eigenen Staa­tes zu untergraben. Derartigen Tendenzen muss entgegengewirkt werden, indem eine weitere Aushöhlung der nationalstaatlichen Souveränität unterbunden wird.

Wer ein Ende der Einstimmigkeit fordert, kann nicht die Interessen der Österreicher und Österreicherinnen vertreten, sondern nur jene der EU-Zentralisten. Es ist bezeichnend, dass im Europäischen Parlament die Vertreter der ÖVP, der SPÖ, der Grünen und der Neos die Ergebnisse der Konferenz und eine Änderung der EU-Verträge zur Erleich­terung der Umsetzung der Vorschläge befürworteten. Das Europäische Parlament for­derte außerdem den Ausschuss für konstitutionelle Fragen auf, Vorschläge für eine Re­form der EU-Verträge auszuarbeiten. Dies würde im Rahmen eines Konvents gemäß Artikel 48 des Vertrages über die Europäische Union geschehen. Zur Einsetzung eines Konvents bedarf es allerdings einer einfachen Mehrheit im Rat, folgerichtig der Zustim­mung von 14 Regierungen.

Es ist in diesem Kontext erwähnenswert, dass sich bereits 13 EU-Mitgliedstaaten gegen einen Verfassungskonvent ausgesprochen haben, nämlich Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien und Schweden. Würde Österreich den gleichen Mut wie diese Länder aufbringen, wäre ein möglicher Verfassungskonvent zur Umsetzung der Forde­rungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ frühzeitig Geschichte. Die schwarz-grüne Bundesregierung ist bedauerlicherweise in solch hohem Ausmaß in ihrer Brüssel-Hö­rigkeit gefangen, dass sie es bisher unterließ, diesen Schritt zu setzen. Obwohl die Vor­schläge, welche dem Konvent zugrunde liegen sollen, den Interessen Österreichs zu­tiefst widersprechen, ist die Bundesregierung unter Karl Nehammer nicht gewillt oder in der Lage, es den anderen 13 Mitgliedstaaten gleichzutun und die Idee eines Konvents zu missbilligen. Ein derart mutloses Agieren auf europäischer Ebene kann einer gewis­senhaften Repräsentation österreichischer Interessen nicht gerecht werden. Im Gegen­teil: Nur wer die Interessen seines Landes und seiner Bürger glaubhaft und beherzt vertritt, kann sich gegen die Agenda der EU-Zentralisten behaupten. In diesem Sinne sollte die österreichische Bundesregierung dem geplanten Konvent eine glasklare Absa­ge erteilen!

Europa benötigt keine immer mehr Kompetenzen an sich ziehende Europäische Union, sondern soll ein Verbund freier Völker und selbstbestimmter Vaterländer sein. Die Wah­rung der Demokratie in Europa obliegt den Nationalstaaten, deren gewählte Repräsentanten sich vor ihrem Wahlvolk für ihre Entscheidungen – auch im Rahmen der Institutionen der Europäischen Union – zu rechtfertigen haben. Weitere Kompetenzverschiebungen weg von den Mitgliedstaaten und hin zur Europäischen Kommission sind abzulehnen. Die von der schwarz-grünen Bundesregierung torpedierte, verfassungsrechtlich verankerte Neutralität Österreichs muss im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheits­politik wiederhergestellt werden.

Eine Reform der EU-Verträge würde das Leben aller Österreicher und Österreicherinnen in hohem Ausmaß beeinträchtigen. Deshalb sollen auch die österreichischen Staatsbür­ger darüber entscheiden, ob und in welcher Ausgestaltung sie eine Reform der EU-Ver­träge wünschen. Die österreichische Bundesregierung hat folgerichtig eine Zustimmung zu einer allfälligen Reform der EU-Verträge davon abhängig zu machen, inwiefern sich die österreichischen Bürger vorab in einer verbindlichen Volksabstimmung für ebendiese aussprechen. Eine derartige Vorgehensweise würde einer wahrhaftig demokratischen Legitimation entsprechen und keiner Schein-Partizipation von vermeintlich zufällig aus­gewählten 800 Personen, welche gerade einmal 0,00017897 Prozent der Bevölkerun­gen der EU-Mitgliedstaaten ausmachen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf europäischer Ebene für den Erhalt des Einstimmigkeitsprinzips und der Souveränität der Mitgliedstaaten einzusetzen. Ein Kon­vent zur Umsetzung der Forderungen der „Konferenz zur Zukunft Europas“ ist deswegen abzulehnen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)