10.07

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerinnen und Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen zu Hause! Ich hoffe, Sie sind zu Hause. Ich bitte Sie: Bleiben Sie zu Hause!

Von unserer Fraktion werden sich am heutigen Tag nur jene Abgeordneten in diesem Saal befinden, die auch tatsächlich Redebeiträge leisten werden. Wir sind eigentlich 183. Wir sitzen hier heute in Abständen voneinander. Wir verfolgen natürlich alle die Sitzung, aber aus gutem Grund werden die Abstimmungen an diesem heutigen Tag ge­blockt am Ende der Sitzung stattfinden, damit nämlich auch wir hier dafür sorgen, dass das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich bleibt. Wir haben hier eine Verant­wortung, wir haben hier auch eine Vorbildwirkung.

Als Politikerinnen und Politiker sind wir dafür verantwortlich, die Bewohnerinnen unse­res Landes zu schützen, dafür zu sorgen, dass sie gut versorgt sind, dass sie Arbeit haben, dass sie gesund sind und dass sie auch gesund bleiben. Es ist auch unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, dafür zu sorgen, dass die Schwächsten in unserer Gesellschaft, jene, die die schlechtesten Voraussetzungen haben, beson­ders geschützt werden, dass sie aufgefangen werden, dass sie besonders unterstützt werden. Im Fall von Corona haben die schlechtesten Voraussetzungen jene, die über 65 sind, jene, die Vorerkrankungen haben, aber auch jene, die die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser massiven Krise am deutlichsten spüren werden: Das sind kleinere Unternehmen, Kleinstunternehmen, Einpersonenunternehmen, ganz viele Künstlerinnen und Künstler, deren Veranstaltungen abgesagt wurden, das ist die einzelne Grafikerin, die am Ende der Kette sitzt, weil sie die Flyer und die Layouts pro­duziert. Wir dürfen niemanden zurücklassen, wir müssen allen helfen.

Wir beschließen heute in dieser Sitzung Sofortmaßnahmen, die es uns erlauben, die Risikogruppen bestmöglich zu schützen und zu unterstützen, die dafür sorgen, dass unsere Wirtschaft nicht zusammenbricht, die dafür sorgen, dass Menschen ihre Arbeits­plätze behalten können. Wir schaffen heute eine rechtliche Grundlage dafür, dass die Geschäfte und die Lokale – abgesehen von den Geschäften, die für die tägliche Ver­sorgung notwendig sind – geschlossen bleiben können. Wir schaffen eine rechtliche Grundlage dafür, dass der Gesundheitsminister per Verordnung dafür sorgen kann, dass so wenige Sozialkontakte wie möglich stattfinden.

Wir wissen, eine Reduktion der Sozialkontakte um 25 Prozent senkt das Ansteckungs­risiko um 50 Prozent. Ich würde sagen: 25 Prozent sind zu wenig. Wir sollten sie noch viel stärker reduzieren. Die Situation ist ernst. Wir müssen alle daran arbeiten, alle daran mitarbeiten, dass das Ansteckungsrisiko nicht nur für uns selber, sondern für die anderen, mit denen wir in Berührung kommen, so gering wie möglich ist. Wir sorgen damit dafür, dass an den Abenden nicht Tausende Menschen in Bars und Restaurants sitzen und den Virus weiterverbreiten.

An dieser Stelle möchte ich einen dringenden Appell an die Studentinnen und Stu­denten dieses Landes richten. Gestern hatten die Bars offen, es waren sehr viele Men­schen dort. Es gibt ganz viele Wohngemeinschaften in Österreich. Ich möchte explizit darum bitten: Leute, kommt jetzt nicht auf die blödsinnige Idee, WG-Partys abzuhalten, weil sonst nichts offen hat! (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abge­ordneten der SPÖ.) Das ist absolut verantwortungslos euren Kolleginnen und Kollegen gegenüber, älteren Menschen gegenüber, aber auch euch selbst gegenüber. Es ist nicht so, dass junge Menschen bei einer Coronavirusinfektion automatisch einen viel milderen Verlauf haben. Es gibt genauso Fälle mit schwerem Verlauf trotz sehr jungen Alters und obwohl es keine Vorerkrankungen gibt.

Wir beschließen heute mit dem 4-Milliarden-Euro-Fonds einen ersten Schritt zur wirt­schaftlichen Abfederung. Wir beschließen ein Modell zur Kurzarbeit, das sicherstellen soll, dass Menschen ihren Arbeitsplatz trotz dieser extremen Herausforderung nicht verlieren werden. Wir beschließen die teilweise Bezahlung von Sonderurlaub für jene, die ihre Kinder betreuen müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass die vielen kleinen Unternehmen in unserem Land an dieser Krise nicht zerbrechen. Wir werden ermög­lichen, dass Zahlungen an die Sozialversicherung und an das Finanzamt gestundet werden können. Wir werden Überbrückungskredite ermöglichen. Wir werden Fonds für Härtefälle schaffen müssen, um die Folgen für die betroffenen Menschen abzufedern.

Noch nie ist hier in diesem Haus ein Gesetz in einer solchen Geschwindigkeit be­schlossen worden. Es ist eine völlig außergewöhnliche Situation, dass wir in Sitzungen gestern und heute Gesetze beschließen, die morgen in Kraft treten. – Vielen Dank an alle Fraktionen im Haus, die mitmachen und mithelfen und bei diesen Maßnahmen auch mitgehen. Ich weiß, es ist eine große Herausforderung. Die Gesetze wurden über Nacht geschrieben, es sind heute noch Abänderungen gekommen, die notwendig sind. Ich danke für das Verständnis und auch für die Mitarbeit. Wir werden auch bestimmte Punkte aus euren Anträgen aufnehmen. Die Gesetze werden besser, wenn mehrere Leute drüberschauen, auf jeden Fall.

Ich möchte alle Zuseherinnen und Zuseher darum bitten: Seien Sie solidarisch! Bleiben Sie zu Hause, wenn Sie nicht rausmüssen! Helfen Sie aber auch alten Menschen, der Nachbarin vielleicht, die niemanden hat, der sich um sie kümmert, beim Einkaufen, sodass sie sich nicht dem Risiko einer Ansteckung aussetzen muss! Helfen Sie sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung, wenn möglich!

Corona wird unser Leben in den nächsten Wochen deutlich entschleunigen, auch das wird eine interessante Erfahrung für das Land. Lesen Sie ein gutes Buch! Tun Sie die Dinge in der Wohnung, die Sie seit Ewigkeiten aufschieben! Ich für meinen Teil habe das vor, es liegt genügend herum. Begeben Sie sich bitte nicht mehr in Menschen­men­gen! Bleiben Sie zu Hause, damit Sie gesund bleiben, und vor allem, damit Sie keine Gefahr für andere werden!

Ich möchte mich auch noch bei Menschen bedanken, die noch nicht bedankt wurden. Selbstverständlich gilt unser Dank genauso dem gesamten medizinischen Personal, der Polizei, allen Leuten, die dafür sorgen, dass unser tägliches Leben aufrechtbleibt, dass die Versorgung sichergestellt ist. Gruppen von Menschen, die noch nicht genannt wurden, sind die Reinigungskräfte und die Müllabfuhr. Sie sorgen genauso dafür, dass wir in dieser extrem herausfordernden Situation gut weiterleben können und dass die Rahmenbedingungen für ein sicheres Leben gegeben sind. – Vielen Dank dafür. (Bei­fall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)

Die nächsten Wochen werden unweigerlich eine riesengroße Herausforderung. Es be­darf unser aller gemeinsamer Kraftanstrengung, unser aller gemeinsamer Beiträge. Ich bin überzeugt davon, dass uns diese Krise stärker machen wird und uns, auch wenn jetzt Social Distancing angesagt ist, insgesamt auch näher zusammenbringen wird, zumindest in der Solidarität und in der Bekämpfung dieser Krise. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

10.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.