Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „die aktuellen ÖVP-Finanzskandale“ (11286/J)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 11286/J. (Abg. Leichtfried hebt die Hand.)

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Seit der Angelobung der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen wird ebendiese in immer kürzeren Abständen mit Skandalen, Personalrochaden und Streit konfrontiert. Insgesamt 14-mal wurden Mitglieder dieser Regierung ausgewechselt – ein einsamer Rekord in der Geschichte der Zweiten Republik. Was den Menschen als „das Beste aus beiden Welten“ verkauft wurde, steht heute vor einem Trümmerhaufen. Versierte Beob­achter sind sich sicher: Das Einzige, was diese Regierung noch zusammenhält, ist die Angst vor Neuwahlen. In den letzten knapp zweieinhalb Jahren hat diese Bundesregie­rung immer mehr an Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Mehreren aktuellen Um­fragen zufolge kommen die beiden Regierungsparteien in der Sonntagsfrage zusammen nur noch auf rund ein Drittel der Stimmen.

Besonders schwerwiegend ist der Umstand, dass diese Regierung auch bereits drei Bundeskanzler „verbraucht“ hat. Am 6. Oktober 2021 werden die Büroräumlichkeiten des Kabinetts des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz auf Anordnung der Ermitt­lungsbehörden untersucht. Auslöser dafür war das bekannt gewordene „Beinschab-Tool“, mit dem offenbar das Finanzministerium (unter dem damaligen Generalsekretär Thomas Schmid) Umfragen in Auftrag gegeben hat, um damit Stimmung für Sebastian Kurz zu machen. Neben dem damaligen Kanzler selbst sollen auch seine damaligen Presse-Mitarbeiter in dieses abgekartete Spiel involviert gewesen sein. Nur zwei Tage später, am 8. Oktober 2021, kommen die Grünen unter dem Eindruck der Hausdurch­suchung im Bundeskanzleramt zur Auffassung, dass Sebastian Kurz nicht mehr amts­fähig ist. Um die Regierung nicht zu sprengen, dankt Kurz ab und wird durch den da­maligen Außenminister Schallenberg ersetzt, der wiederum Wochen später Karl Nehammer Platz machen muss, welcher auch den Vorsitz der ÖVP übernimmt.

Mit der letzten Rochade im Kanzleramt ist in dieser Regierung allerdings keine Stabilität eingekehrt. Das Gesundheitsministerium wurde im März 2022 neu besetzt, im Mai 2022 traten die ÖVP-Ministerinnen Schramböck und Köstinger zurück. Gleichzeitig wurde das Kabinett um zwei Staatssekretäre noch vergrößert.

Die Liste der Skandale rund um die ÖVP ging munter weiter. Die Affäre rund um den Personenschutz von Kanzlergattin und „Nehammer-Chefberaterin“ Katharina Nehammer ist bis heute nicht aufgeklärt. Es stehen nach wie vor schwere Vorwürfe im Raum, dass dieser Vorfall vertuscht werden sollte – und zwar von allerhöchster Stelle.

Die Abgründe aus dem aktuellen ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ziehen sich ebenfalls wie ein schwarzer Faden durch das ganze Land – und tagtäglich werden es mehr: Inseratenkorruption, Steuerhinterziehung, brutalster Postenschacher und das Lukrieren von Steuergeldern durch dubiose Umgehungskonstruktionen.

Die Akten liefern immer neue erschreckende Einblicke in das "System ÖVP", das auf der langjährigen Kontrolle der drei Säulen Innen-, Justiz- und Finanzministerium fußt. Die aktuelle Rücktrittswelle innerhalb der ÖVP legt nahe, dass gerade in den Bundes­länderorganisationen der ÖVP einige noch unaufgedeckte Skandale schlummern und sich die Handlungsunfähigkeit der Partei bis in die Länder zieht.

In der Corona-Pandemie hat die ÖVP einen weiteren Versuch unternommen, um die leeren Parteikassen aufzufüllen. Aus dem NPO-Corona-Fonds, der beim Vizekanzler angesiedelt ist, haben sich die schwarzen Seniorenbund-Organisationen in Oberöster­reich und Tirol Förderungen in Millionenhöhe mutmaßlich erschlichen; und auch die Politische Akademie der ÖVP ließ sich rund 400.000 Euro aus diesem Fonds überwei­sen. Eine entsprechende Überprüfung durch das Vizekanzleramt wurde in die Wege geleitet.

Vorläufiger Höhepunkt der ÖVP-Skandal-Liste ist der in der Vorwoche veröffentlichte Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Jahr 2019, den der damalige Generalsekretär und nunmehrige Bundeskanzler Karl Nehammer zu verantworten hat. Nicht nur, dass dieser insgesamt gleich dreimal eingereicht wurde – es ist der ÖVP auch nicht gelungen, die Fragen der Rechnungshof-Prüfer zu zweifelhaften oder mutmaßlich falschen An­gaben entsprechend auszuräumen, sodass sich der Rechnungshof veranlasst sah, zur Veröffentlichung des Berichtes am 10. Juni 2021 folgende Presseaussendung mitzu­schicken:

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Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei

(ÖVP) 2019 veröffentlicht

Der Rechnungshof hat am heutigen Tag den Rechenschaftsbericht der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) 2019 veröffentlicht.

Z U M   A B L A U F   D E S   V E R F A H R E N S

Politische Parteien mussten dem Rechnungshof ihre Rechenschaftsberichte 2019 bis Ende September 2020 übermitteln. Im Verfahren kontrolliert der Rechnungshof dann die Richtigkeit der Angaben – Einblick in die Unterlagen der Parteien kann er dazu aber nicht nehmen. Bei Zweifeln an den Angaben in einem Rechenschaftsbericht ersucht der Rechnungshof die Partei um Aufklärung. Diese Zweifel können sich aus dem Kontroll­verfahren selbst, aus bekanntgewordenen Umständen oder etwa auch aus Unterlagen, die dem Rechnungshof von dritter Seite übermittelt werden, ergeben. Der Rechnungshof muss sich bei seinem Kontrollverfahren auf die Angaben der Partei verlassen. Bleiben Zweifel an der Richtigkeit des Rechenschaftsberichts bestehen, erfolgen zu diesen Be­denken des Rechnungshofes Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS). Dieser entscheidet dann, ob eine Verletzung des Parteiengesetzes tatsächlich vorliegt.

Das Verfahren zur Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019 war außer­gewöhnlich. Die neue Rechtslage ab 9. Juli 2019 – erstmalige Einbeziehung der nicht-territorialen Teilorganisationen – sowie das umfangreiche Bekanntwerden über mutmaß­liche Aktivitäten der Partei hatten direkte Auswirkung auf das Kontrollverfahren. Es machte mehrere Frage-runden an die ÖVP notwendig.  

Im Sinne der Transparenz hier eine zeitliche Darstellung des Kontrollverfahrens:

Erstes Ersuchen der ÖVP

um Fristverlängerung für die Abgabe des Rechenschaftsberichts:            28. 09. 2020

Erneutes Ersuchen um Fristverlängerung:                                                   28. 10. 2020

Erste Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                   22. 12. 2020

Erste Aufforderung des Rechnungshofes

an die ÖVP zur Stellungnahme:                                                                   04. 05. 2021

Zweite Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                   28. 05. 2021

Stellungnahme der ÖVP zur ersten Aufforderung eingelangt:                     28. 05. 2021

Zweite Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                       06. 10. 2021

Auskunftsverlangen des Rechnungshofes

an das Bundesministerium für Finanzen betreffend Studien:                      15. 10. 2021

Stellungnahme der ÖVP zur zweiten Aufforderung eingelangt:                  06. 12. 2021

Dritte Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                       25. 01. 2022

Vierte Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP

zur Stellungnahme:                                                                                       18. 02. 2022

Stellungnahme der ÖVP zur vierten Aufforderung eingelangt:                    07. 03. 2022

Stellungnahme der ÖVP zur dritten Aufforderung eingelangt:                     23. 03. 2022

Mitteilung der ÖVP an den Rechnungshof, dass eine dritte

Fassung des Rechenschaftsberichts 2019 übermittelt wird:                       23. 03. 2022

Aufforderung des Rechnungshofes an die ÖVP, die angekündigte

dritte Fassung des Rechenschaftsberichts auch zu übermitteln:                26. 04. 2022

Abänderung der Stellungnahme zur dritten Aufforderung

durch die ÖVP:                                                                                              28. 04. 2022

Dritte Fassung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

beim Rechnungshof eingelangt:                                                                   29. 04. 2022

Veröffentlichung des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019

durch den Rechnungshof:                                                                            10. 06. 2022

Österreichische Volkspartei (ÖVP)

Wahlkampfkosten:

EU-Wahl (26. Mai 2019):                                                                  6.915.401,37 Euro

Nationalratswahl (29. September 2019):                                          5.602.512,40 Euro

Spenden über das gesamte Jahr:                                                     2.115.512,19 Euro

Die ÖVP erklärt im Rechenschaftsbericht 2019, die Wahlkampfkosten-Obergrenze für die Nationalratswahl (7 Millionen Euro) eingehalten zu haben. Für den Rechnungshof ergibt sich dazu zusammengefasst folgendes Bild:

•           Der Oberste Gerichtshof (OGH) hält in einer Entscheidung fest, dass er nicht widerspricht, wenn Gerichte die Behauptung zulassen, dass Wahlkampfkosten nicht als solche verbucht worden seien.

•           Dem Rechnungshof wurden von unbekannter dritter Seite Unterlagen zu den Wahlkampfkosten übermittelt. Der Rechnungshof schätzt diese Unterlagen, die Inhalte und Zahlen aus der Buchhaltung der ÖVP enthalten, als authentisch ein. Die Dokumente lassen die Angaben, die Wahlkampfkosten-Obergrenze wurde eingehalten, zweifelhaft erscheinen.

•           Es ist mit der politischen Lebenswirklichkeit für den Rechnungshof schwer in Einklang zu bringen, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl.

Die ÖVP konnte in ihren Stellungnahmen an den Rechnungshof die Bedenken nicht ausräumen. Die Unterlagen, die der Rechnungshof von dritter Seite erhielt, können wohl ein internes Dokument für eine Planung sein, so die ÖVP. Konkrete Fragen des Rech­nungshofes zu diesen Unterlagen beantwortete die ÖVP aber teilweise nicht (etwa, warum bestimmte Kosten laut dieser Unterlagen nicht in die Kosten für den Wahlkampf eingerechnet wurden).

Der Rechnungshof sieht in der Zusammenschau genügend Anhaltspunkte für eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS), dass ein Verstoß gegen das Parteiengesetz (Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze) vorliegt.

Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat hat im Sommer 2021 allerdings erstmals Folgendes zu Zahlenangaben in einem Rechenschaftsbericht entschieden (GZ 2021-0.394.557):

Selbst wenn der UPTS dem Rechnungshof zustimmt, dass er zutreffend konkrete Anhaltspunkte für unrichtige Zahlenangaben in einem Rechenschaftsbericht hat und selbst wenn der UPTS ebenfalls zustimmt, dass die Partei Zweifel nicht ausräumen konnte, muss der Rechnungshof dennoch vorher eine Wirtschaftsprüferin beziehungs- weise einen Wirtschaftsprüfer beauftragen, der im Auftrag des Rechnungshofes diese Zahlenangaben der Partei prüft. Erst danach kann der Rechnungshof eine Mitteilung an den UPTS erstatten.

Der Rechnungshof setzt daher – der Entscheidung des UPTS vom 12. Juli 2021 folgend – erstmals eine Wirtschaftsprüferin beziehungsweise einen Wirtschaftsprüfer ein, die oder der den Auftrag erhält, die Angaben der ÖVP zu den Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl zu prüfen. Die ÖVP hat vollen Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege zu gewähren.

Das Gesetz sieht vor, dass der Rechnungshof die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nunmehr um die Erstellung einer Liste mit in Frage kommenden Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfern ersucht. Danach entscheidet der Rech­nungshof durch Los, wer aus dieser Liste beauftragt wird. Die Kosten für dieses Ver­fahren sind aus den Budgetmitteln des Rechnungshofes zu tragen.

Zu folgenden Punkten erfolgen direkt Mitteilungen des Rechnungshofes an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS):

•           Studien im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen

Im Zusammenhang mit der bekanntgewordenen Verdachtslage, Meinungsumfragen im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen wären parteipolitisch und zugunsten der ÖVP durchgeführt worden, ersuchte der Rechnungshof das Finanzministerium um Infor­mationen, ob beziehungsweise welche Umfragen im Jahr 2019 beauftragt wurden.

Eine Auswertung des Rechnungshofes ergab Folgendes:

Bei zwei Umfragen, die unmittelbar vor der EU-Wahl 2019 durchgeführt wurden, sind die Kosten pro Fragestellung ohne ersichtlichen Grund in einem Vergleich zu den anderen Studien in diesem Jahr einmal 50 Prozent und einmal 100 Prozent höher.

Der Rechnungshof sieht – vor dem Hintergrund des Gesamteindrucks – darin einen Anhaltspunkt dafür, dass es im Zusammenhang mit diesen beiden Umfragen zu unzu­lässigen Spenden in der Höhe von zumindest 26.208 Euro zugunsten der ÖVP gekom­men sein könnte.

•           Österreichischer Seniorenbund

Der Rechnungshof hatte bereits bei seiner Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2016 Bedenken, dass im Zusammenhang mit dem Österreichischen Senioren­bundeine Verletzung des Parteiengesetzes vorliegenkönnte und erstattete deshalb eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS). Konkret ging es darum, dass der Seniorenbund Wolkersdorf eine Spende der Stadtgemeinde Wolkersdorf erhalten hat. Der Rechnungshof war der Ansicht, dass der Seniorenbund Wolkersdorf der ÖVP zuzurechnen ist (und nicht etwa ein gleichnamiger Verein ist, der keine Verbindung zur ÖVP hat). Daher sei eine Spende einer Gemeinde an den Senio­renbund unzulässig. 2018 bestätigte der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) diese Annahme des Rechnungshofes. Das Bundesverwaltungsgericht bestä­tigte diesbezüglich den Verstoß gegen das Parteiengesetz, ging jedoch nicht auf die Grundsatzfrage ein.

Nach umfangreichen Recherchen im Zuge des Kontrollverfahrens für den Rechen­schaftsbericht 2019 vertritt der Rechnungshof die Ansicht, dass jedenfalls für das Jahr 2019 die Vereine „Österreichischer Seniorenbund“ der Teilorganisation der ÖVP zuzu­rechnen sind.

So beschreibt sich der Seniorenbund selbst noch in von ihm veröffentlichten Presse­unterlagen im Juni 2021 mit: „Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Inter­essensvertretung in einem.“

Dazu kommen oftmals deckungsgleiche Vereinssitze (ident am Ort der Bundes- bezie­hungsweise der jeweiligen Landespartei), die Präsentation der Vereine des Senioren­bundes im Internet (weitgehend unklar, ob von einem Verein oder von der Teilorga­nisation die Rede ist), sowie die Formulierungen in den Beitrittserklärungen (in Ober­österreich findet damit etwa ein Beitritt zur Teilorganisation statt).

Der Rechenschaftsbericht der ÖVP 2019 ist nach Auffassung des Rechnungshofes vor diesem Hintergrund unrichtig und unvollständig, weil bei der Teilorganisation „Öster­reichischer Seniorenbund“ sämtliche Einnahmen und Ausgaben aus den Vereinen „Öster­reichischer Seniorenbund“ fehlen.

Die ÖVP bestreitet in ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof, dass die Vereine Seniorenbund Teil der Partei seien. Sie seien auch keine nahestehenden Organi­sa­tionen. Es gebe grundsätzliche Unterschiede hinsichtlich Rechtsform, Organisation, Gebarung und Rechnungswesen.

Selbst für den Fall, dass die Vereine nicht der Teilorganisation zugerechnet werden, liegt nach Ansicht des Rechnungshofes ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vor:

Die ÖVP gibt Einnahmen aus „Mitgliedsbeiträgen“ für die Teilorganisation Seniorenbund von 896.448,04 Euro an. In ihrer Stellungnahme an den Rechnungshof führt die ÖVP jedoch selbst aus, dass in (nur) drei Bundesländern zwischen 5 und 12 Prozent des von den Vereinen eingehobenen Mitgliedsbeitrags pro Mitglied an die Teilorganisation weitergeleitet werden. In Niederösterreich funktioniere es umgekehrt: Hier behalte die Teilorganisation Seniorenbund 5 bis 12 Prozent ein und leite die verbleibenden Mit­gliedsbeiträge an den Verein Seniorenbund weiter. All dies ergibt nach Berechnungen des Rechnungshofes einen Betrag von maximal 342.204 Euro. Eine Erklärung für die erhebliche Abweichung zu den ausgewiesenen „Mitgliedsbeiträgen“ für die Teilorgani­sation Seniorenbund gab die ÖVP nicht. Der Rechnungshof sieht Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben.

Überdies recherchierte der Rechnungshof inseratenähnliche Einschaltungen im Jahr 2019 in Medien, deren Medieninhaber oder Herausgeber der Verein Österreichischer Seniorenbund war. Der Rechnungshof qualifiziert dies als Wahlwerbung zugunsten der ÖVP, die in der Spendenliste aufscheinen muss. Dies aber ist nicht der Fall.

Abschließend zu diesem Thema folgender Hinweis: Diese Mitteilung an den Unabhän­gigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) erfolgt unabhängig von den jüngst bekannt­gewordenen Umständen zu Förderungen aus Corona-Hilfen. Diese werden im Kontroll­verfahren für den Rechenschaftsbericht der ÖVP 2020 beziehungsweise 2021 eine Rolle spielen.

•           Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“

Der Wirtschaftsbund Landesgruppe Vorarlberg – und somit eine Teilorganisation der ÖVP – war zumindest im Jahr 2019 Medieninhaber des Magazins „Vorarlberger Wirt­schaft“.

Die Zeitung erschien im Jahr 2019 neun Mal. Sie enthielt zwischen 47 Prozent und 82 Prozent Inserate – ein im Vergleich zu anderen Printmedien durchaus hoher Anteil. Laut Tarif zuzüglich 5 Prozent Werbeabgabe und 20 Prozent Umsatzsteuer betrug dafür der Inseratenpreis zusammengefasst über 1.600.000 Euro.

Berechnungen und Vergleiche des Rechnungshofes mit den Inseratentarifen eines in Aufmachung, Umfang und Druckqualität ähnlichen Blattes („Gemeindeblatt für die Lan­des­hauptstatt Bregenz sowie für die Gemeinden des Bezirks Bregenz“) ergeben fol­gendes Bild:

Selbst wenn man einräumt, dass das Gemeindeblatt eine niedrigere Auflage hat, bleibt für den Rechnungshof zweifelhaft, wie sich der Anzeigenpreis von über 1.600.000 Euro beim Magazin „Vorarlberger Wirtschaft“ darstellen lässt. Die entsprechende Anzahl an gleichartigen Inseraten würde beim Gemeindeblatt insgesamt nämlich nur rund 268.000 Euro kosten.

Der Rechnungshof vertritt somit die Auffassung, die Differenz, nämlich rund 1.332.000 Euro, sei im Sinne des Parteiengesetzes als Spende zu qualifizieren. In diesem Betrag sind unzulässige Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und von Unter­nehmungen mit mindestens 25 Prozent öffentlicher Beteiligung in der Höhe von rund 232.000 Euro enthalten. Naturgemäß wird auch die ab 9. Juli 2019 geltende Spen­denobergrenze von 7.500 Euro je Spenderin oder Spender zu beachten sein.

•           Ausweis von Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes an die Vorarlberger Volkspartei

Im Rechenschaftsbericht 2019 der ÖVP ist unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ein Betrag von 500.000 Euro vermerkt.

Die ÖVP teilte dem Rechnungshof auf entsprechende Fragen mit, dass es sich dabei um eine Zahlung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes aufgrund parteiinterner Ver­pflichtungen handle.

Es sind jedoch – auch aufgrund einer Finanzprüfung – Umstände bekanntgeworden, die nahelegen, dass es abseits dieser „parteiinternenVerpflichtung“ weitere Zahlungen des Vorarlberger Wirtschaftsbundes im Jahr 2019 an die Vorarlberger Volkspartei gegeben hat, wie etwa Übernahme von Kosten für Veranstaltungen mit ÖVP-Politikerinnen und ÖVP-Politikern. Dies zeige sich aus den Unterlagen im Zuge der Finanzprüfung.

Dazu findet sich jedoch unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ nichts. Für den Rechnungshof ergeben sich daraus Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Angaben.

•           „Niederösterreich Zeitung“

Die „Niederösterreich Zeitung“ erschien im Jahr 2019 ein Mal, und zwar im Mai 2019, im Vorfeld der EU-Wahl. Medieninhaber war die INNOVA Verlag GmbH. Herausgeber war die Volkspartei Niederösterreich.

Der Rechnungshof sieht auf mehreren Seiten dieser Ausgabe eindeutige Wahlwerbung für zwei ÖVP-Kandidaten und für die Partei.

Der Rechnungshof sieht Gratis-Werbung (inseratenähnliche Beiträge) zugunsten einer Partei oder ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten als Spende im Sinne des Parteien­gesetzes.

Die ÖVP meint dazu gegenüber dem Rechnungshof, dass die Bewertung solch einer Berichterstattung als Spende eine unzumutbare Einschränkung des verfassungs­recht­lich geschützten Rechts auf freie Meinungsäußerung ist.

Legt man den gängigen Inseratentarif für die „Niederösterreich Zeitung“ zugrunde und addiert dazu anteilig die Produktions- sowie Versandkosten, kommt der Rechnungshof auf eine Summe von rund 64.000 Euro, die als Spende ausgewiesen (und sofort gemeldet) hätte werden müssen.

Zusammengefasst erfolgen weitere Mitteilungen an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) betreffend:

•           mögliche unzulässige Spende im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauern­bundball (Werbung für den Bauernbundball aus öffentlichen Mitteln des Landwirt­schafts­ministeriums in der Höhe von 43.200 Euro)

•           Spenden von IGO Industries GmbH und Heide Margarethe Goëss-Horten (Frage des Zeitpunkts der Spenden und allfällige unverzügliche Meldepflicht)

•           möglicherweise fehlender Ausweis von Spenden: Inserate im „NÖGemeinde-Fachjournal für Gemeindepolitik“ (Medieninhaber: Österreichischer Kommunal-Verlag GmbH) als Wahlwerbung zugunsten der ÖVP (und damit als auszuweisende Spenden in der Höhe von rund 29.000 Euro)

•           unklarer Ausweis der Kärntner Volkspartei betreffend Kreditaufnahme und der Kreditrückzahlungen (unterschiedliche Angaben in der zweiten Fassung und der dritten Fassung des eingereichten Rechenschaftsberichts der ÖVP 2019)

•           vermutete, teilweise unrichtige Zuordnung von Mitgliedsbeiträgen (Mitglieds­bei­träge des Wirtschaftsbundes fallweise als Mitgliedsbeitrag, fallweise als „Beiträge inner­halb der Parteiorganisation“ ausgewiesen)

•           möglicher unrichtiger Ausweis der Vorarlberger Volkspartei betreffend einen Betrag von 175.422,85 Euro, der in dem im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 50/2020 veröffentlichten Rechenschaftsbericht der ÖVP Vorarlberg unter „Zahlungen an nahestehende Organisationen“, in dem Rechnungshof über-mittelten Rechenschafts­bericht allerdings unter „Beiträge innerhalb der Parteiorganisation“ ausgewiesen ist

Auffälligkeiten im Kontrollverfahren:

Der Rechnungshof macht auf zwei Punkte aufmerksam, die auffällig sind (allerdings aufgrund seiner derzeit bestehenden Möglichkeiten nicht hinreichend für eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat aufbereitet werden können):

•           Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers durch das Bundes­kanzler­amt

Der Rechnungshof nahm Berichte und eine parlamentarische Anfrage zum Anlass, die Partei zur Stellungnahme aufzufordern, wie es sich mit den Kosten für die Betreuung des Twitter-Accounts des Bundeskanzlers verhält. Das Bundeskanzleramt, so die Beant­wortung der parlamentarischen Anfrage, betreibe einen BKA-Account und betreue außerdem den „persönlichen Twitter-Account des Bundeskanzlers“. Die ÖVP teilte dem Rechnungshof mit, dass im Jahr 2019 der Medieninhaber des persönlichen Twitter-Accounts des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz die ÖVP gewesen sei. Der Account sei ausschließlich von der Partei betreut worden. Soweit Leistungen bezie­hungsweise Services des Bundeskanzleramts dafür verwendet worden seien(etwa Videos oder Fotos) wären diese allen Medien (Fotoservice des Bundeskanzleramtes) zur Verfügung gestanden.

In diesem Zusammenhang wird der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern“ auf seinen Prüfplan setzen.

•           Niederösterreichischer Gemeindebund

Die ÖVP Niederösterreich erhielt laut Rechenschaftsbericht 2019 einen Betrag von 3.030.431,51 Euro aus „Zahlungen von nahestehenden Organisationen“.

Laut dem Rechnungshof vorliegenden Informationen dürfte darunter der „Niederöster­reichische Gemeindebund“ sein. Für jede ÖVP-Gemeindemandatarin beziehungsweise für jeden ÖVP-Gemeindemandatar bezahlt die jeweilige Gemeinde einen Beitrag an den „Niederösterreichischen Gemeindebund“. Zumindest einen Teil davon erhält die Niederösterreichische Volkspartei nämlich dafür, dass sie Schulungen für die Gemeindeverteterinnen und -vertreter ermöglicht, Räumlichkeiten zur Verfügung stellt etc.. Recherchen des Rechnungshofes – unter anderem Inhalte aus einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten – legen nahe, dass für die Schulung („Wei­terbildung und Schulung der Gemeindemandatare aus Gemeindemitteln“) der nieder­öster­reichischen ÖVP-Gemeinderäte 2019 ein Anteil von rund zwei Millionen Euro vorgesehen war, der aus Gemeindemitteln ausbezahlt wurde.

In diesem Zusammenhang wird der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Öffentliche Schulungsgelder für Gemeindemandatare in Niederösterreich“ auf seinen Prüfplan set­zen.

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Österreich braucht in politisch herausfordernden Zeiten (Teuerung, Corona, Ukraine) eine Bundesregierung, die mit voller Kraft und ohne parteipolitische Ablenkungen und Einschränkungen für die Menschen in unserem Land arbeitet. Die in erster Linie rund um die ÖVP aufgetretenen und wohl auch in Zukunft auftretenden Korruptions- und Machtmissbrauchsvorwürfe sind keinesfalls geeignet, der aktuellen österreichischen Bundesregierung diese notwendige Stabilität zu geben. Welche Rolle dem von Journalist Martin Thür aufgedeckten Netzwerk von knapp 900 Vereinen im „Parteiumfeld“ der ÖVP zukommt, wird aufzuklären sein.1 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundes­kanzler folgende

Dringliche Anfrage

1.         Wie wirken sich die permanent aufschlagenden ÖVP-Finanzskandale auf die Arbeit der Bundesregierung aus?

2.         Inwieweit beeinträchtigen diese Skandale Ihre Amtsführung?

3.         Wie beurteilen Sie den Umstand, dass Sie den vom Rechnungshof bean­standeten Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Jahr 2019 als damaliger General­sekretär der ÖVP unterfertigt haben, in rechtlicher und in politischer Hinsicht?

4.         Halten Sie die Bundesregierung vor dem Hintergrund der stabil schlechten Umfragewerte von rund 30 Prozent für hinreichend legitimiert im Amt zu verbleiben?

5.         Haben Sie die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage oder andere Maßnahmen in Aussicht genommen, um unerlaubte Geld- und Sachspenden von Ministerien an Parteien grundsätzlich zu verhindern, zumal nach Ansicht des Rechnungshofes Mei­nungsumfragen im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen parteipolitisch und zugunsten der ÖVP durchgeführt worden seien?

6.         Wenn ja, welche Maßnahmen sind in Aussicht genommen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Rechnungshof eine Prüfung zum Thema „Social Media Accounts von Regierungsmitgliedern“ auf seinen Prüfplan setze?

7.         Haben Sie oder Ihre Amtsvorgänger, beziehungsweise die jeweiligen Kabinetts­mitarbeiter, beim UPTS zugunsten der ÖVP zu intervenieren versucht, zumal der Rech­nungshof bereits bei seiner Kontrolle des Rechenschaftsberichts der ÖVP 2016 Beden­ken, dass im Zusammenhang mit dem Österreichischen Seniorenbund eine Verletzung des Parteiengesetzes vorliegen könnte, hatte, und deshalb eine Mitteilung an den UPTS erstattete, in der es konkret darum ging, dass der Seniorenbund Wolkersdorf eine Spende der Stadtgemeinde Wolkersdorf erhalten habe, zumal der Rechnungshof der Ansicht war, der Seniorenbund Wolkersdorf sei der ÖVP zuzurechnen und nicht etwa ein gleichnamiger Verein?

8.         Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen schlagen Sie vor, um sicherzu­stellen, dass die Doppelnatur des Österreichischen Seniorenbundes als Partei und Verein in Zukunft nicht mehr rechtsmissbräuchlich verwendet werden kann, zumal der Rechnungshof die Ansicht vertritt, dass jedenfalls für das Jahr 2019 die Vereine „Österreichischer Seniorenbund“ der Teilorganisation der ÖVP zuzurechnen sind?

9.         Gibt es Initiativen der Bundesregierung um die, vermeintlich dolos vom Österreichischen Seniorenbund ergatterten Steuergelder zurückzuerhalten beziehungs­weise unterstützen Sie solche Bemühungen?

10.       Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen ziehen Sie aus der Tatsache, dass inseratenähnliche Einschaltungen im Jahr 2019 in Medien, deren Medieninhaber oder Herausgeber der Verein Österreichischer Seniorenbund war, vom Rechnungshof als Wahlwerbung, die in der Spendenliste aufscheinen müsste, zugunsten der ÖVP quali­fiziert wurde?

11.       Können Sie ausschließen, dass durch ÖVP-nahe oder öffentliche Institutionen Geldmittel in die maroden Parteikassen der Volkspartei geflossen sind, zumal diese laut Berichten der Wochenzeitung Falter im Jahr 2017 einen Schuldenstand von rund 21,5 Millionen Euro hatte, dieser jedoch im Jahr 2019 – nach öffentlichen Aussagen – bereits reduziert werden konnte?

12.       Wieviel umgeleitetes Steuergeld aus grauen Quellen wurde für die Umsetzung des Projekts Ballhausplatz verwendet, zumal vielfach davon berichtet wird, dass die Amtsübernahme von Sebastian Kurz der Volkspartei viel Geld gekostet hat, weil sein Stab und seine Mitarbeiter massive Aufwendungen für die Abwicklung des „Projekts Ballhausplatz“ aufgewendet haben und davon auszugehen ist, dass dieser Übernah­meplan der ÖVP auch durch Sie in ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär unterstützt wurde. 

13.       Sind Anzeigen beim UPTS, der Ihrem Ressort zugeordneten ist, betreffend eine von der ÖVP parallel geführte Buchhaltung, von welcher die Wochenzeitung Falter im Jahr 2019 berichtete, eingegangen, was darauf schließen lassen würde, dass Sie in Ihrer damaligen Funktion als Generalsekretär involviert gewesen wären?

14.       Haben Sie die Ausarbeitung einer Regierungsvorlage oder andere Maßnahmen in Aussicht genommen, um die mutmaßlich von der ÖVP praktizierte Praxis der doppelten oder mehrfachen Buchführung besser ahnden zu können?

15.       Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen nehmen Sie in Aussicht, um eine Umgehung des Parteiengesetzes, wie im Falle der „Vorarlberger Wirtschaft“ vom Rech­nungshof aufgezeigt, in Zukunft zu verhindern?

16.       Sind Ihnen weitere ähnliche Beispiele aus Ihrer Partei bekannt, die diesbezüglich für eine Novelle des Parteiengesetzes von Interesse sind, zumal alleine im Fall der „Vorarlberger Wirtschaft“ ein Anzeigenpreis von über 1.600.000 Euro verrechnet wurde, obgleich lediglich 268.000 Euro fremdüblich gewesen wären?

17.       Sind Sie, vor dem Hintergrund, dass der Rechenschaftsbericht 2019 der ÖVP unter „Einnahmen und Erträge der ÖVP Vorarlberg – Beiträge innerhalb der Partei­organisation“ einen nach Ansicht des Rechnungshofes offenkundig falsch ausgewie­senen Betrag von 500.000 Euro vermerkt, dafür, dass die Strafen für unrichtige Angaben in Rechenschaftsberichten angehoben werden?

18.       Überlegen Sie, vor dem Hintergrund der Causa „INNOVA“ legistische Maß­nahmen, um Gratis-Werbung (inseratenähnliche Beiträge) zugunsten einer Partei oder ihrer Kandidatinnen oder Kandidaten als Spende im Sinne des Parteiengesetzes künftig gänzlich zu vermeiden, zumal alleine in diesem Fall 64.000 Euro, als Spende aus­gewiesen und sofort gemeldet hätte werden müssen?

19.       Welche ähnlichen Fälle sind Ihnen aus Ihrer Partei bekannt, die für die Novel­lierung des Parteiengesetzes hinsichtlich inseratenähnlicher Beiträge spricht?

20.       Können Sie bestätigen, dass es sich bei dem großzügigen ÖVP-Spender – die ÖVP Niederösterreich erhielt laut Rechenschaftsbericht 2019 einen Betrag von 3.030.431,51 Euro aus „Zahlungen von nahestehenden Organisationen“ – wie vom Rechnungshof vermutet, um den „Niederösterreichischen Gemeindebund“ handelt?

21.       Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, um den vom Rechnungshof aufgrund des Rechenschaftsberichts 2019 aufgeworfenen Vorwurf einer möglichen unzulässigen Spende aus dem Landwirtschaftsministerium im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauernbundball in der Höhe von 43.200 Euro unter der damals verantwortlichen Minis­terin Elisabeth Köstinger aufzuklären?

22.       Kam es zu ähnlichen Spenden aus anderen ÖVP-geführten Ministerien? 

23.       Wie erklären Sie die Ungereimtheiten zwischen der zweiten und dritten Fassung des eingereichten Rechenschaftsberichts 2019 betreffend Kreditaufnahme und Kredit­rückzahlung der Kärntner Volkspartei, zumal Sie selbst als Bundesparteiobmann der ÖVP die dritte Fassung erst am 27.4.2022 – zu dem Zeitpunkt waren Sie bereits Bundeskanzler – gezeichnet haben?

24.       Ist in diesem Lichte eine Verschärfung der Strafbestimmungen des Parteien­gesetzes hinsichtlich falscher Angaben gegenüber dem Rechnungshof angezeigt?

25.       Können Sie vor dem Hintergrund dessen, dass der Journalist Martin Thür vorläufig bereits knapp 900 Vereine im „Parteiumfeld“ der ÖVP ausfindig machen konnte, ausschließen, dass diesen Vereinen aus den ÖVP-geführten Ministerien bzw. insbe­sondere Ihrem Ressort in den Jahren 2012 bis 2022 finanzielle Mittel zugeflossen sind?

26.       Wenn nein, welchem der österreichweit hunderten ÖVP-Vereinen auf der Liste von Martin Thür wurden welche finanziellen Mittel jeweils in den Jahren 2012 bis 2022 zuteil?

27.       Haben Sie Zuwendungen aus dem NPO-Coronafonds an Ihre Partei, bezie­hungsweise deren Teilorganisationen oder Vereine im „Parteiumfeld“ der Liste von Martin Thür, mit dem Vizekanzler erörtert?

28.       Wenn ja, was war der Inhalt des Gespräches und inwiefern wurde die Zulässigkeit solcher Zuwendungen aus dem NPO-Coronafonds in rechtlicher und politi­scher Hinsicht beurteilt?

29.       Welche, allenfalls legistischen Konsequenzen, sind daraus zu ziehen, dass der Ihnen als Generalsekretär der ÖVP im Jahr 2019 unmittelbar als Bundesgeschäftsführer der Partei unterstellte Nationalratsabgeordnete Alexander Melchior zwar in seiner Befragung im Untersuchungsausschuss vom 5. März 2021 bestätigte, dass ihm jede Spende im Untersuchungszeitraum 2017 – 2019, bekannt war (wörtlich meinte er: „Jede Spende, die wir erhalten haben, finden Sie auch im Rechenschaftsbericht, und die Rechenschaftsberichte, auch im Untersuchungsausschuss, sind mir bekannt.“), Spen­den von IGO Industries GmbH an die ÖVP nunmehr jedoch dem Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) vom Rechnungshof gemeldet wurden, um Fragen betreffend den Zeitpunkt der Spenden und einer allfälligen unverzüglichen Meldepflicht zu klären – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Alexander Melchior sein Amt als ÖVP-Generalsekretär im Februar 2022 zurücklegte und beruflich zu besagter IGO Industries GmbH wechselte?

30.       Welche Konsequenzen betreffend die nunmehr aufgetauchten Spenden von der IGO Industries GmbH an die ÖVP ziehen Sie, zumal der Abgeordnete Melchior von diesem im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss nichts wissen wollte?

31.       Haben Sie oder Mitarbeiter Ihres Kabinetts die diesbezügliche Aussage des Abgeordneten Melchior im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss abgesprochen?

32.       Wann haben Sie erstmals von der Spende der IGO Industries GmbH an die ÖVP erfahren?

33.       Welche Konsequenzen werden Sie ziehen, falls der UPTS rechtswidriges Han­deln in Ihrem Verantwortungsbereich feststellt?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 1 GOG-NR

zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

[1] https://twitter.com/MartinThuer/status/1535972874502168576?cxt=HHwWgICzlaDM79AqAAAA 

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsordnung: Bitte, Herr Abgeordneter Leichtfried.

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