22.59

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Eigentlich müsste ich mich zu gefühlten 15 tatsächlichen Berichtigungen zu Wort melden, denn was Kollegin Brandstötter hier behauptet, das passt auf keine Kuhhaut, und da müsste ich jetzt echt Punkt für Punkt alles durchgehen.

Fangen wir bei dem wirklich völlig absurden und haltlosen Vorwurf an, diese Bundes­regierung hätte sich nicht klar gegen diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg artikuliert und ihn nicht verurteilt. Ich meine, wir sind letzte Woche gemeinsam im Menschenrechts­ausschuss gesessen, wir sitzen im Gleichbehandlungsausschuss, du bist hier in den Plenarsitzungen – es reicht, einmal zu googeln und du kommst sehr schnell zum Beispiel auf Justizministerin Zadić – Zitat –: „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine“. (Abg. Brandstötter: Bitte den Antrag lesen! Es geht um sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung als Kriegswaffe in der Ukraine, aber Vergewaltigung als Kriegswaffe wird mit keinem Wort vom offiziellen Österreich verurteilt! – Gegenruf der Abg. Maurer.) Ich verurteile diesen Angriffskrieg auf das Schärfste und begrüße die Einleitung der Ermittlungen durch den Internationalen Strafgerichtshof. – Zitatende. Google Name eines Regierungsmitglieds plus ein Statement! Du hast hier gerade behauptet, es gäbe von der Bundesregierung keine Verurteilung dieses Krieges. Bitte google nach, das stimmt nicht. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Brandstötter: Das stimmt nicht! Hör doch genau zu! – Abg. Maurer: Das ist peinlich!)

Ja, dieser Krieg dauert – drei Monate. Seit drei Monaten erleben wir einen brutalen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Was wir auch erleben, ist, dass mit jedem weiteren Tag, den dieser Krieg andauert, die Zivilbevöl­ke­rung von wirklich schockierenden Kriegsverbrechen betroffen ist, dass Vergewaltigun­gen als sexualisierte Kriegswaffen als Kriegstaktik gegen die Zivilbevölkerung verwendet werden, und insbesondere betrifft das Frauen und Mädchen. Es hat zum Beispiel ein 14-jähriges Mädchen aus Butscha in einem Gespräch mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch angegeben, stundenlang von fünf russischen Soldaten gefoltert und vergewaltigt worden zu sein. – Wir werden dich vergewaltigen, bis du keine Kinder mehr zur Welt bringen kannst!, erinnert sich dieses Mädchen im Gespräch mit der Organisation.

Wir wissen – es ist heute schon gesagt worden – auch aus der Geschichte – erinnern Sie sich an den Bosnienkrieg, an die Vergewaltigungslage, die es dort gegeben hat –, dass genau diese geschlechtsspezifischen Kriegsverbrechen, genau diese Vergewalti­gun­gen gezielt als strategische Kriegswaffen gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden.

Ich glaube, Kollegin Kugler war es, die vorhin ausgeführt hat, dass laut Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs genau solche Gewalttaten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als Kriegsverbrechen strafbar sind und so auch geahndet werden müssen. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen und auch strafrechtlich verfolgt werden. Wir haben heute auch schon gehört, dass der UN-Menschenrechtsrat bereits mit März 2022 die Errichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskom­mission zur Ukraine mit Sitz in Wien beschlossen hat.

Kollegin Brandstötter, dein Antrag ist, glaube ich, einen Monat später eingereicht wor­den. Zu diesem Zeitpunkt gab es diese Kommission schon. Dein Antrag verlangt eine Factfindingmission. Es gab zu dem Zeitpunkt schon eine internationale Factfinding­mission mit Unterstützung von Österreich. Der Herr Minister hat es vorhin ausgeführt, sowohl finanziell als auch personell wird die Arbeit dieser Kommission unterstützt. Auch die Justizministerin ist da unterstützend tätig – natürlich, weil wir selbstverständlich unse­ren Beitrag an der Aufklärung dieser Kriegsverbrechen leisten. Das könnte man zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man kann sich aber auch einen Monat später herausstellen, einen Antrag einbringen und behaupten: Das interessiert hier keinen und das ist alles wurscht und überhaupt hat man vielleicht nichts dazu gehört und ihr tut nichts und ihr macht nichts! – Das ist aber halt nicht den Tatsachen entsprechend.

Der zweite Antrag, den du erwähnt hast, Kollegin Brandstötter, wurde tatsächlich im Gesundheitsausschuss debattiert. Darin forderst du die Bundesregierung dazu auf, Überlebenden sexualisierter Kriegsgewalt eine umfassende medizinische Versorgung zu gewährleisten. – Eine solche Versorgung ist natürlich über die Sozialversicherung auch für ukrainische Flüchtlinge gewährleistet.

Jetzt kommen wir zum zweiten Punkt: Du forderst die Bundesregierung auch dazu auf, im Ukrainekrieg vergewaltigen Frauen bundesweit einen raschen und niederschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu garantieren. Ich wünschte, ich könnte in Österreich im Jahr 2022 hier stehen und sagen: Na selbstverständlich ist das auch gewährleistet. – Das kann ich aber nicht und das macht mich als Frau und als Politikerin wütend.

Meine Haltung, die Haltung der Grünen dazu ist eindeutig und bekannt: Wir wollen, dass Frauen in ganz Österreich einen Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch haben, dass die damit verbundenen Kosten von der Sozialversicherung übernommen werden. Wäre dies bereits der Fall, dann wäre ja selbstverständlich auch der rasche Zugang, wie von dir gefordert, für die ukrainischen Frauen gewährleistet. Das ist aber nicht der Fall. Wäre das schon der Fall, dann hätten sie diesen Zugang, so wie jede andere Frau in Österreich auch. Eine solche bundesweite Kostenübernahme müsste aber klarerweise auch hier im Parlament beschlossen werden. Man kann schon einfach so tun, als gäbe es die Mehrheiten dafür, dann wäre es aber kein Thema. Es ist einfach wirklich eine beschämende, eine erschütternde Tatsache, dass hier in diesem Haus im Jahr 2022 keine politische Mehrheit für einen derartigen Beschluss gegeben ist – das ist ein Faktum. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Kucher.)

Ich kann dir versichern, dass ich als grüne Frauensprecherin, dass meine Kolleginnen und Kollegen von den Grünen nicht ruhen werden, bis wir diese Mehrheit haben. Ich freue mich, da bekannt ist, dass die SozialdemokratInnen dafür sind, jetzt auch bei den NEOS Verbündete für dieses Anliegen zu haben. (Abg. Seidl: Was heißt hier „jetzt“?) Kämpfen wir gemeinsam weiter für diese Mehrheiten, noch haben wir sie nicht, das ist ein Faktum!

Deshalb möchte ich abschließend tatsächlich an die Bundesländer appellieren und sie darum bitten, dass sie akut betroffenen ukrainischen Frauen unbürokratisch helfen, indem sie ihnen in den Landeskrankenhäusern diesen Zugang zu den Schwanger­schaftsabbrüchen gewährleisten, weil eben genau jede Frau, jedes Mädchen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben hat, das Recht hat, über den eigenen Körper zu ent­scheiden, egal ob sie aus Eisenstadt, aus Graz, aus Butscha oder aus Kiew kommt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.05

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.