Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Preise runter statt Einmalzahlungen, die verpuffen, bevor sie ankommen, Herr Bundeskanzler!“ (2682/A(E))

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur Behandlung des Dringlichen Antrages 2682/A(E). (Abg. Leichtfried – in Richtung Präsident Sobotka –: Kommt der jetzt wieder nicht? – Abg. Wöginger – in Richtung Abg. Leichtfried –: Er ist schon im Haus! – Abg. Leichtfried: Super! Wo ist er? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Ich unterbreche die Sitzung bis zum Eintreffen des Kanzlers.

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(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.02 Uhr wieder aufge­nommen.)

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die unterbrochene Sitzung wieder auf­nehmen und die Schülerinnen und Schüler der HTL Weiz recht herzlich bei uns begrü­ßen, dieses Mal bei der Behandlung des Dringlichen Antrages. (Allgemeiner Beifall.)

Wir sind nun wie gesagt bei der dringlichen Behandlung des Selbständigen Antra­ges 2682/A(E). Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich seine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Die Bundesregierung hat ein Anti-Teuerungspaket vorgelegt, das diesen Namen schlicht und ergreifend nicht verdient.

Durch das Paket wird kein einziger Preis gesenkt. Wie im Corona-Management hinkt die Regierung auch bei der Teuerung hinterher. Anstatt einzugreifen und die Preise zu deckeln oder zu senken, schauen ÖVP und Grüne zu, wie das Leben für die Menschen immer teurer und teilweise gar unleistbar wird. Die Einmalzahlungen schaffen es nicht einmal, die Inflationsentwicklung einzubremsen! Die Preise werden unaufhaltsam weiter steigen.

Im Juni lag die Inflation bei fast neun Prozent. Geht es in dieser Dynamik weiter, könnte laut einem Bericht in der Tageszeitung „Der Standard“ die Jahresinflation auf bis zu 18 Prozent steigen. Die Energiepreise für Gas und Strom sind auf einem Allzeithoch und steigen in Österreich ungebremst weiter.

Diese persistent hohe Inflation versucht die Bundesregierung mit Einmalzahlungen zu bekämpfen. Diese Einmalzahlungen verpuffen aber, bevor sie überhaupt bei der Bevöl­kerung angekommen sind. Das macht ungefähr so viel Sinn, wie wenn die Feuerwehr mit Spritzpistolen gegen einen Großbrand ausrückt.

Die Parallelen zur Corona-Pandemie sind unverkennbar. Auch bei der aktuellen Krise wird die Größenordnung des Problems völlig falsch eingeschätzt. Anders sind diese voll­kommen unzureichenden Pakete und Maßnahmen nicht mehr zu erklären.

In diesem Zusammenhang verwundert es wenig, dass die jüngsten Umfragen eindeutig belegen, wie wenig Vertrauen die österreichische Bevölkerung in ÖVP und Grüne noch hat. Die Menschen betrachten die Maßnahmen gegen die Teuerung zurecht als unzu­länglich. Es ist aber nicht nur die nachvollziehbare und richtige Einschätzung der Bevöl­kerung, die der Regierung ein derart schlechtes Zeugnis ausstellt. Auch die Fakten be­legen, wie wenig sinnvoll die Arbeit der Bundesregierung ist. Aufgrund der Versäumnisse von ÖVP und Grünen werden Millionen von Menschen in Österreich im Herbst Nachzah­lungen und neue höhere Rechnungen alleine für Strom und Heizen erhalten, die ein Vielfaches der Einmalzahlungen der Regierung ausmachen.

Ein ganz konkretes Beispiel einer Pensionistin, das von der Tageszeitung „heute“ aufge­deckt wurde, belegt diese Tatsache:

Ein Einfamilienhaus in NÖ, südlich von Wiener Neustadt, hat einen Gasverbrauch von etwa 23.000 kwH (Energieanbieter EVN) – das ist für ein Einfamilienhaus Durchschnitt. Das Haus bewohnt die Pensionistin mit durchschnittlicher ASVG-Pension alleine.

Sie hat von der EVN für den Zeitraum von Mai 2021 bis Mai 2022 – also bereits auch für das vergangene Jahr – eine Nachforderung nur für Gas in der Höhe von 2.300 Euro bekommen. Obwohl ihr Verbrauch sogar um 1.000 kwH gesenkt wurde. Der Gaspreis ist also um mehr als 300 Prozent erhöht worden.

Durch das Teuerungspaket der Regierung bekommt diese Frau zweimal eine Einmal­zahlung in Höhe von insgesamt maximal 900 Euro (erhöhter Klimabonus und Teue­rungsabsetzbetrag 2022). Einen Teil davon im Herbst, einen Teil wohl im Jahr 2023 – sie muss aber schon jetzt eine Gas-Nachzahlung in Höhe von 2.300 Euro leisten. Nicht einmal die Hälfte der Nachzahlung für die Gaspreiserhöhung für das letzte Jahr wird ihr durch das Paket der Regierung abgegolten – und es betrifft wohlgemerkt nur den Gas­verbrauch. Noch nicht die Kosten für Strom, Lebensmittel etc.

Die neue Gesamtvorschreibung für Strom und Gas beträgt für sie statt bisher 240 Euro, nunmehr 660 Euro (10x/Jahr). Zehn Mal im Jahr zahlt diese Person also um rund 400 Euro mehr – im Jahr also um insgesamt 4.000 Euro.

Das Beispiel dieser Frau ist kein „Ausreißer“, sondern steht pars pro toto für hunderttau­sende Haushalte in Österreich.

Es ist eine Tatsache, dass sich Österreich und ganz Europa in einer äußerst prekären Situation befinden, mit großen Auswirkungen auf Bevölkerung, Wirtschaft und Industrie. Es ist aber auch eine Tatsache, dass man dieser Situation aus politischer Verantwortung heraus begegnen kann und begegnen muss.

Es ist eine politische Frage, ob man den Mut und die Verantwortung besitzt, in den Markt einzugreifen und zumindest den Strompreis vom Gaspreis zu entkoppeln und somit auch der Preis für Strom günstiger wird. Es ist eine politische Frage, ob man den Mut und die Verantwortung besitzt, die Mehrwertsteuer auf Energie und Lebensmittel des täglichen Bedarfs auszusetzen bzw. abzusenken. Es ist eine politische Frage, ob man den Mut und die Verantwortung besitzt, die Spritpreise zu deckeln oder Mieterhöhungen auszu­setzen.

Genau dies sind Maßnahmen, wie verantwortungsvolle Politik im Sinne der Bürger*innen und der Wirtschaft in den Markt und in die Preisbildung eingreifen kann, um die Teuerung abzuschwächen und der Teuerungsspirale entgegenzuwirken.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist längst keine Utopie mehr. Derartiges passiert be­reits überall in Europa – nur nicht in Österreich unter der schwarz-grünen Regierung. Wie sehr gute Politik greifen kann, ist in Frankreich zu sehen. Dort liegt die Inflation aufgrund der genannten Markteingriffe drei Prozent unter jener der österreichischen. Es funktioniert – wenn man Verantwortung und Mut beweist. Doch beides hat die österrei­chische Bundesregierung offenkundig nicht, sie unternimmt nicht einmal den Versuch, gegen die explodierenden Preise vorzugehen.

Die exorbitant hohen Strom- und Energiepreise führen nicht nur dazu, dass sich laut Fiskalrat 35 Prozent der Haushalte die täglichen Ausgaben nicht mehr leisten können, sie gefährden auch Wirtschaft und Industrie und damit hunderttausende Arbeitsplätze.

Österreichische Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen und die hohen Produktionskosten nicht so einfach auf die Preise überwälzen können, sind in ihrer Exis­tenz massiv bedroht. Der österreichische Industrie- und Wirtschaftsstandort insgesamt ist massiv bedroht, wenn man nicht korrigierend in den Energiemarkt und die Preisbil­dung eingreift.

ÖVP und Grüne gefährden durch ihre Verantwortungslosigkeit also nicht nur die Lebens­umstände der Bevölkerung, sondern beschädigen auch die österreichische Wirtschaft und den Industriestandort schwer. Die österreichische Wirtschaft verliert aufgrund der hohen Energiepreise an Wettbewerbsfähigkeit, gleichzeitig wird aufgrund der hohen In­flation – etwa im Vergleich zu Frankreich – der Lohndruck sehr hoch sein. Es ist eine lose-lose Situation für Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen, weil die Regierung nicht den Mut und die Verantwortung besitzt, die richtigen Schritte zu setzen.

Neben der preislichen Bedrohung zeichnet sich mittlerweile immer mehr auch eine reale Bedrohung unserer Energieversorgung ab. Die Regierung hat zu lange auf das Prinzip Hoffnung gesetzt und es verabsäumt, rasche und entschlossene Schritte zu setzen. Es gibt z.B. bis heute keine wahrnehmbare Aktivität zur Senkung des Energiebedarfs, mit einer Energiesparkampagne will die Regierung gar bis in den Herbst warten. Während sich andere Länder rasch und konsequent um den Zugang zu alternativen Quellen und den Aufbau ausreichender Infrastruktur bemüht haben, war die Regierung mit sich selbst beschäftigt und hat immer nur Stückwerk abgeliefert, anstatt einen ordentlichen Plan zu machen und diesen dann umzusetzen. Anders ist es nicht erklärbar, wieso die Regierung erst nach vier Monaten realisiert hat, dass man für die Absicherung der Stromversorgung auch alte Kraftwerke reaktivieren könnte. All das lässt Leadership in der Krise vermissen.

Und so schaut die österreichische Regierung lieber zu, wie Energiekonzerne auf Kosten der Menschen in Österreich Milliarden an Euro verdienen. Auch Ölkonzerne zählen zu den Krisengewinnlern und verdoppeln derzeit ihre Ergebnisse. In vielen europäischen Ländern wurden längst die Preise durch regulatorische und steuerpolitische Maßnah­men gesenkt und gedeckelt, oder auch Übergewinnsteuern eingeführt. Nur Österreich macht nichts. Die österreichische Regierung sieht diesem Treiben tatenlos zu und nimmt in Kauf, dass die Menschen in Österreich immer mehr Sorgen haben und die Wirtschaft in Österreich immer mehr unter Druck gerät.

In diesem Zusammenhang ist es kein Wunder, dass der österreichische Bundeskanzler bisher kein einziges Wort im Parlament zur Teuerung verloren hat. Die letzte Sondersit­zung, die sich mit dem Thema Teuerung beschäftigte, haben die Regierungsfraktionen akkurat auf einen Termin gelegt, an dem Bundeskanzler Karl Nehammer im Ausland war.

Es ist verantwortungslos und mutlos, sich als Regierung und Bundeskanzler in Krisen nicht zu stellen und nicht zum Wohle des Landes, seiner Bevölkerung und seiner Wirt­schaft zu arbeiten. Es ist eines Bundeskanzlers unwürdig. Fehler einzugestehen, ver­langt Größe. Wir wollen Ihnen, Herr Bundeskanzler, die Chance geben Größe, Mut und Verantwortungsbewusstsein zu zeigen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Vorbild anderer europäischer Länder zu folgen und entschlossen gegen die Teuerung vorzugehen, indem unter anderem

- die Preise der wichtigsten Grundbedürfnisse – Lebensmittel, Energie und Wohnen – durch staatlichen Eingriff und/oder Steuersenkungen – wie es in andern Ländern längst passiert – gesenkt werden,

- die Übergewinne der Energiekonzerne – wie in anderen Ländern – zur Finanzierung der Anti-Teuerungsmaßnahmen sowie der Energiewende abgeschöpft werden und

- endlich alle Instrumente zur Sicherung der Gasversorgung ergriffen werden, insbeson­dere direkte Kooperationen mit den Nachbarländern bei Aufbau und Nutzung nötiger Infrastruktur.

Dieses Paket soll unverzüglich an den Nationalrat übermittelt werden. Es gilt keine Zeit mehr zu verlieren.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Ge­legenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Klubobfrau Rendi-Wagner als An­tragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort erteilen. Gemäß § 74 Abs. 5 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit 20 Minuten. – Bitte sehr.