16.59

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Regierungs­vertreter und -vertreterinnen! Das war bis jetzt eine sehr emotionale Debatte ist, aber zu Recht, wie ich finde. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Deshalb möchte ich das Ganze mit fünf sachlichen Argumenten nochmals untermauern: Brot plus 9 Prozent, Milch plus 10 Prozent, Gemüse plus 13 Prozent, Öl plus 20 Prozent und Butter plus 25 Prozent an Kosten – nur damit wir uns bewusst sind, worüber wir hier gerade sprechen, nämlich dass Grundnahrungsmittel teurer werden, und zwar nachhal­tig; da ist überhaupt kein Ende in Sicht. Da reden wir auch nicht von Kaviar, Champagner oder was auch immer, sondern wir reden über das, was jeder von uns zum Leben braucht.

Wir bringen das heute hier vor und, Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen ganz genau zugehört, wie Sie da gekontert haben: Sie haben erneut, nachdem das auch schon Vize­kanzler Kogler gemacht hat, von „Hysterie“ gesprochen. Ist das wirklich die Art und Wei­se, wie wir den MindestpensionistInnen, den Menschen mit ganz geringem Einkommen begegnen wollen, die gerade nicht mehr wissen, wie es weitergeht: dass wir sagen, das sei hysterisch? – Das kann nicht die Art und Weise sein, wie wir mit diesem Thema um­gehen, angesichts dessen, dass das Geld für viele nicht mehr reicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Sollen wir jetzt zuschauen, wie die Schlangen vor den Sozialmärkten immer länger wer­den, während die Essenspakete immer kleiner werden? – Nein, wir wollen nicht zu­schauen. Natürlich muss man etwas unternehmen, und ja, es wäre ganz einfach an der Zeit, einen Preisdeckel auf Grundnahrungsmittel einzuführen. (Beifall bei der SPÖ.) Das würde nämlich jedes Monat helfen, nicht so wie Ihre Einmalzahlungen, die irgendwann im Herbst ankommen werden und bei denen sowieso niemand mehr daran glaubt, dass sie dann tatsächlich etwas verändern, denn bis sie ankommen, sind sie verpufft. Und das ist natürlich ein Problem, wenn man immer große Versprechen macht, die dann aber nicht halten.

Herr Bundeskanzler, auch Sie selbst haben beispielsweise die Patientenmilliarde ver­sprochen. Hat die irgendjemand gesehen? Weiß irgendjemand, wo die angekommen ist, die Patientenmilliarde? (Zwischenruf des Abg. Zarits.) Wo gibt es denn die? – Die gibt es nicht. Das Gegenteil passiert: Die Menschen müssen aufgrund Ihrer Kassenreform mehr zahlen, 200 Millionen Euro mehr, anstatt sich etwas zu ersparen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht! – Rufe bei der SPÖ: Skandal!) Das ist das, was passiert ist, und da wundert man sich, wenn einem nichts mehr geglaubt wird. Sie haben die Patientenmilliarde persönlich versprochen – nichts ist es geworden!

Wir müssen aber nicht nur bei den Lebensmitteln ansetzen, sondern natürlich auch bei der Wurzel des Problems, bei den Energiepreisen. Auch da wollen wir nicht zuschauen, wie die Preise steigen, steigen, steigen und steigen und man eigentlich nichts dagegen unternimmt. Die Zeit, nur zu beobachten, den Markt zu beobachten, ist vorbei. (Beifall bei der SPÖ.) Wir müssen anerkennen, dass er gescheitert ist – gescheitert! – Erstens.

Zweitens: Wir müssen den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln, und zwar ganz drin­gend. Es ist absurd, dass jeweils das teuerste Kraftwerk den Strompreis diktiert, nämlich den generellen Strompreis – auch für die Wasserkraft, die ja gar nicht teurer wird. Da bittet man die Menschen jetzt nur noch mehr zur Kasse. Das ist das, was derzeit passiert. Sorgen wir für faire Preise, entkoppeln wir den Strompreis vom Gaspreis! (Beifall der SPÖ.)

Drittens – das ist auch notwendig, weil sich eine große Mehrheit der Menschen jetzt quasi dumm und deppert zahlt, während einige wenige aber aufgrund dieses Modells abkassieren –: Natürlich müssen wir – wir haben es jetzt schon mehrmals gefordert und wir bleiben dabei – die Übergewinne der Energieunternehmen abschöpfen. (Beifall bei der SPÖ.) Da geht es um Milliarden, und die brauchen wir auch ganz dringend, nämlich für echte Sozialpolitik.

Auch die Parteivorsitzende hat es angesprochen: Viele Menschen haben ehrlich Angst, haben wirklich Angst und fragen sich, wie sie am Ende des Monats die Rechnung zahlen sollen, wie sie sich die Lebensmittel für die Kinder werden leisten können und ob sich das eh alles ausgeht, haben Angst, dass sie vielleicht die Miete nicht mehr zahlen kön­nen und dann rausgeschmissen werden. Das ist echte Angst, die sich da gerade durch unsere Gesellschaft frisst, und die macht auch etwas mit der Gesellschaft. Da können wir nicht einfach zuschauen. Sind Sie alle schon so emotionale Kühlschränke, dass Sie nicht merken, dass da dringender Handlungsbedarf besteht? (Ah-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Salzmann.)

Wissen Sie, es herrscht auch Angst, ob es im Winter noch möglich sein wird, die Woh­nungen zu heizen. Auch davor fürchten sich wirklich viele Menschen. Was ich da nicht verstehe, und jetzt komme ich auch zu meinem letzten Punkt: Wir wissen alle, dass wir diese Abhängigkeit von Gas, diese Abhängigkeit von Russland beenden müssen, und wir wissen auch, dass es der beste Weg ist, die erneuerbare Energie auszubauen. Wir haben vor einem Jahr das entsprechende Gesetz beschlossen, und noch immer fehlen die Verordnungen. Das grenzt tatsächlich an Arbeitsverweigerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Seit einem Jahr warten wir auf Verordnungen, und jetzt, okay, kann man sagen, die ÖVP ist halt mit ihren Korruptionsskandalen beschäftigt, die kommt nicht dazu, die ist mit den Ermittlungsverfahren beschäftigt – aber was ist denn mit den Grünen? Seit einem Jahr warten wir beispielsweise auch auf das Energieeffizienzgesetz, in dem es darum geht, Energie effizient zu verwenden, Energie nicht zu vergeuden. Jeder Experte, jede Exper­tin sagt uns, wir müssen runter mit dem Energieverbrauch. Der Krieg in der Ukraine dauert jetzt schon bald fünf Monate. Wo sind die Maßnahmen? Genau darum geht es beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, aber auch beim Energieeffizienzgesetz – beides sind Sie uns schuldig, und das geht sich nicht länger aus. Da geht es um Klimaschutz und um soziale Gerechtigkeit sowie faire Preise. Das muss Hand in Hand gehen.

Reißen Sie sich also zusammen (Ruf bei der ÖVP: Sie auch!), stimmen Sie unserem Antrag zu, deckeln wir die Preise dort, wo es ganz, ganz dringend notwendig ist, und lassen Sie die Menschen mit dieser furchtbaren Angst nicht länger alleine! – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.05

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Irene Neumann-Hart­berger. – Bitte.