22.44
Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, einen riesengroßen Vorteil hat es, wenn man an so einem Abend Letztredner ist. Man schaut in wahnsinnig viele zuversichtliche Gesichter, die sich auf die nahe Zukunft freuen. Es ist schön, dass alle hier sind. Ich habe es vorhin meinem Kollegen gesagt: Ich beziehe es auf mich persönlich, dann hat man auch viel mehr Freude beim Reden.
Ich freue mich über alle, die sich an der Debatte beteiligen; mir ist aufgefallen, eine Fraktion hat sich heute eigentlich gar nicht an der außenpolitischen Debatte beteiligt. Es ist ein ganz wesentliches Thema: 75 Jahre Marshallplan – wir feiern ein Symbol, das ist ein symbolischer Wert der Hoffnung, der Solidarität und des Mitgefühls. Wir feiern es deshalb, wie meine Kollegen schon gesagt haben, weil wir den Wohlstand Europas diesem Marshallplan von damals verdanken.
Deswegen ist dieser Antrag im Rahmen einer gestärkten Partnerschaft Österreichs mit den USA und einer verstärkten Kooperation der Diplomatischen Akademie mit der Fulbright-Kommission wichtig.
Vor 75 Jahren schlug George Marshall, US-Außenminister, das erstmals als Hilfsprogramm vor. Es wurden damals 13 Milliarden US-Dollar investiert, das entspricht heute 140 Milliarden Dollar. Diese wurden sehr selbstlos in Hilfsgüter investiert, und von diesen Erlösen wurde das zerstörte Europa wieder aufgebaut. Heute haben wir dieselbe Frage wie damals. Da kamen viele und haben gesagt: Unter welchen Vorbehalten? Was wollen die eigentlich? Die verfolgen sicher unhehre Ziele, das ist nicht nur uneigennützig.
Heute, 75 Jahre später, führen wir genau dieselbe Diskussion wieder, das Verhältnis Europa : USA, nicht nur Österreich : USA, das Verhältnis Europa zur Welt. Schauen wir uns Russia Today oder Telegram an, dort wird in abstruser Weise unterstellt, dass keinerlei Selbstlosigkeit vorhanden sein konnte. Es wird sogar behauptet, dass die Nato das globale Sicherheitsgefüge bedrohen würde, und deshalb ist es klar und wichtig, dass wir klare Worte finden.
Jörg Leichtfried, du hast vorhin von Begeisterung gesprochen. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir schon hervorheben: Die amerikanische Verfassung darf weiterhin für Begeisterung sorgen. Was wir vielleicht nicht so mögen, ist, wie sie heute ausgelebt wird, aber die Verfassung darf für Begeisterung sorgen. Wir müssen auch Danke sagen, denn in dem vergangenen Jahrhundert haben uns die USA immer wieder aus Krisen herausgeholt, in die wir uns vielleicht als Europa auch selbst hineinmanövriert haben, aus schrecklichen Krisen, sie sind als starker Partner an unserer Seite gestanden, waren sie doch maßgeblich daran beteiligt, den Zweiten Weltkrieg zu beenden.
Wenn wir jetzt an die Alliierten damals, die Besatzungsmächte, zurückdenken, was die Elterngeneration erzählt: Ich habe noch nie ein schlechtes Wort über die US-Besatzungsmächte gehört; ganz im Gegenteil zu vielen anderen. Das ist jüngere Geschichte: Balkankrieg beendet. Warum im Kosovo die USA als Befreier gefeiert werden, hat den Grund, dass Europa viel zu spät eingegriffen hat, weil wir viel zu unentschlossen waren. Und im jetzigen Angriffskrieg auf die Ukraine – mein Kollege Brandstätter hat das gerade gesagt – sieht man auch wieder eine ganz starke Rolle der USA, denn sie sind uns oft in ihrer Entschlossenheit einfach weit voraus.
Niemand hat uns daran gehindert, etwas aufzubauen, Truppen aufzubauen, autark zu sein. Auch heute im energiepolitischen Bereich, im sicherheitspolitischen Bereich hat uns niemand gehindert. Das ist unser eigenes Verschulden, und wir hätten vielleicht viel früher agieren müssen. Das soll uns jetzt auch eine Warnung sein. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken und selber proaktiv werden.
Eine Frage müssen wir uns stellen: Wer als Europa ist unser ehrlichster Partner da draußen in der Welt? Wer teilt am ehesten unsere Werte, unsere Werte wie Freiheit, wie Demokratie, wie Rechtsstaatlichkeit? Darauf gibt es nur eine einzige Antwort: Die transatlantischen Beziehungen müssen wir als Europa auf Augenhöhe hochhalten, wir müssen sie im wirtschaftlichen Bereich, im kulturellen Bereich, vor allem im sicherheitspolitischen Bereich, im ökologischen Bereich ausbauen.
Deswegen bedeuten für mich 75 Jahre Marshallplan eine Geschichte der Hoffnung und der Solidarität, aber es ist auch eine Geschichte der Freiheitsrechte. Ich schließe mich Reinhold Lopatka an: Es geht um eine freie Welt und es geht um die Einigkeit in dieser freien Welt.
Ich wünsche euch allen eine gute Nacht und freue mich, wenn wir uns alle morgen wiedersehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)
22.49
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Graf. – Bitte. (Abg. Leichtfried: Jetzt aber nicht eine Viertelstunde!)