Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Bundesminister, rückblickend betrachtet haben viele Maßnahmen, die die Bundesregierung gesetzt hat, um die Coronakrise zu überwinden, sich als unverhältnismäßig erwiesen und mehr Schaden als Nutzen gestiftet. So hat auch der Rechnungshof festgestellt, dass im ersten Krisenjahr besonders im Gesundheitswesen viele Leistungen nicht erbracht worden sind: 6,55 Millionen weniger Arztkontakte von Patienten, 3,8 Millionen weniger Ambulanzbesuche, 1,8 Millionen weniger Belegstage in den stationären Abteilungen in den Spitälern. Selbst auf den Intensivstationen gab es – trotz der Mehrbelastung durch Corona – 32 000 weniger Belegstage.
Wie gedenken Sie, die durch die unverhältnismäßigen Coronamaßnahmen der Bundesregierung verursachen Kollateralschäden in unserem Gesundheitssystem, inklusive Behandlungsrückstau, zu sanieren?
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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 184/M, hat folgenden Wortlaut:
„Wie sanieren Sie die Kollateralschäden im österreichischen Gesundheitssystem inklusive Behandlungsrückstau nach den unverhältnismäßigen Coronamaßnahmen der Bundesregierung?“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Gut, was die Einschätzung der Maßnahmen und die Verhältnismäßigkeit angeht, haben wir unterschiedliche Auffassungen und haben diese auch schon oft diskutiert. Wir hatten es zu Beginn der Pandemie – das ist auch klar – mit einem völlig unbekannten Virus zu tun. Es sind dann europaweit, weltweit auch Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen worden. Das war angesichts der damaligen Virusvariante, die grassiert ist, angezeigt und notwendig.
Was Ihre Frage zum Behandlungsrückstau betrifft: Ich hatte gestern ein intensives Gespräch mit allen Landeskrankenanstalten beziehungsweise deren Vertreterinnen und Vertretern, a) um mir ein Bild über die aktuelle Situation dort zu machen, auch was die Personalausstattung und den Personalmangel angeht, und b) um mich kundig zu machen, wie es genau mit dem von Ihnen angesprochenen Behandlungsrückstau ausschaut. Dieser wird – und das ist zugesichert – sukzessive abgearbeitet, und das ist in manchen Bereichen auch weit fortgeschritten.
Ja, es stimmt, es ist da auch im Sinne der Prioritätensetzung zu Verzögerungen gekommen, die aber nicht nur der Pandemie geschuldet sind. Es ist schon so, dass in den Landesspitälern mittlerweile auch die Personalsituation und Personalausstattung mit dazu beitragen, dass dort Rückstände aufgetreten sind. Auch – das sei dazugesagt – gewisse Mangelerscheinungen, die Sie kennen und die im ambulanten Bereich vorhanden sind – Stichwort: niedergelassene Ärzteschaft –, tragen mit dazu bei, dass Behandlungen in Spitäler verlagert werden, die eigentlich dort nichts verloren haben.
Insgesamt aber gilt: Ja, die Abarbeitung des Rückstaus bei den Behandlungen läuft, sie ist im Gange und auf gutem Wege.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? – Bitte.
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Besonders gravierend und vor allem auch langfristig problematisch ist der Behandlungsrückstau bei den Vorsorgeuntersuchungen beziehungsweise auch im Bereich der Krebsfrüherkennung. Allein im ersten Krisenjahr wurden 11 Prozent weniger Krebsdiagnosen getroffen und über 135 000 Vorsorgeuntersuchungen weniger durchgeführt. Was gedenken Sie, vor allem in den beiden Bereichen Mammakarzinom und Kolonkarzinom – was die beiden Hauptkrebsarten sind, von denen die Österreicher betroffen sind – zu tun, um diesen Rückstau bei den Maßnahmen zur Früherkennung zu beseitigen?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Was die Vorsorgeuntersuchungen und die Prophylaxe angeht, haben Sie recht, da ist natürlich ein Rückstau entstanden. Das ist aber insgesamt ein Problem und hat wiederum mit der Mangelsituation auch im niedergelassenen Bereich zu tun. Das ist unbefriedigend – vollkommen klar –, weil jede Früherkennung, die wir schaffen – und da rede ich ein Stück weit aus eigener Erfahrung –, Leid, Krankheit und auch Kosten verhindert.
Ja, es ist eine zentrale Aufgabe in unserem System, dieses Angebot zu schaffen, um rechtzeitig zur Vorsorge gehen und diese Vorsorgeuntersuchungen machen zu können. Ich bin gemeinsam mit der Sozialversicherung und den Ländern dabei, die Möglichkeiten zu prüfen, da erstens auszubauen, zweitens zu beschleunigen und sicherzustellen, dass Vorsorge in einer Geschwindigkeit stattfindet, die auch in der Fläche eine Wirkung erzielt. Ich teile Ihre Einschätzung: Das ist die beste Maßnahme, um im Gesundheitssystem nachhaltig tätig zu sein.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Bundesminister! Stichwort Kollateralschaden – in einem anderen Zusammenhang: Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Krankenversicherungsträger, insbesondere die Österreichische Gesundheitskasse, den Kollateralschaden der schwarz-blauen Regierung unter Kurz jetzt bewältigen müssen.
215 Millionen Euro beträgt dieser Schaden. Aus dem Leuchtturmprojekt von Schwarz-Blau ist eigentlich ein finanzielles Desaster geworden, vor allem aber wurden die Versicherten belogen. Man hat ihnen eine Patientenmilliarde versprochen, die für Leistungsverbesserungen hätte verwendet werden sollen. Daraus wird jetzt wohl nichts. Im Gegenteil, mit den zum Teil auch von Ihnen, Herr Bundesminister, durchgeführten zusätzlichen Belastungen und dem Entzug der finanziellen Mittel der ÖGK, der Österreichischen Gesundheitskasse, fehlt eine weitere Milliarde.
Jetzt meine Frage: Wie werden Sie als verantwortlicher Bundesminister dafür sorgen, dass die Versprechen der Politik – PatientInnenmilliarde – gegenüber den Pflichtversicherten und ihren Angehörigen eingehalten werden und diese Milliarde tatsächlich für Leistungsverbesserungen verwendet wird?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Das ist eine sehr umfangreiche Frage, die auf dem Rohbericht des Rechnungshofes fußt.
Erster Punkt: Ich werde mir den Rechnungshofbericht in der Endfassung natürlich genau anschauen; mache das schon mit dem Rohbericht. Es gibt auch Empfehlungen des Rechnungshofes, und ich bin jemand in einem politischen Amt, der sehr viel davon hält, Empfehlungen des Rechnungshofes auch umzusetzen.
Zweiter Punkt: Natürlich wird es Gespräche mit der Sozialversicherung geben. Ich habe dort auch eine Aufsichtspflicht, die ich wahrzunehmen habe, und das werde ich auch tun. Das geht bis in die Finanzstruktur, die Abschlüsse und die finanzielle Ausgestaltung hinein. Sie können sich sicher sein, dass dieser Rechnungshofbericht, der dann in der Endfassung auf dem Tisch liegen wird, selbstverständlich erstens hier diskutiert wird, zweitens zu Maßnahmen führen wird und drittens Anlass dazu geben wird, insgesamt auf die Strukturen zu schauen: Wo hat sich was gerechnet und rentiert, wo nicht? Das hat der Rechnungshof auch getan.
Sie wissen auch, dass durch diese Zusammenlegung die versprochene Patientenmilliarde, die ich im Übrigen nie versprochen habe – wir auch nicht –, gar nicht möglich ist. Diese Milliarde gibt es nicht. Ich habe sie gesucht, sie ist nicht vorhanden. Die Herausforderungen insgesamt in Bezug auf die Finanzierung des Gesundheitssystems sind ohnehin groß genug. Sie können gewiss sein, dass es notwendig sein wird, auch auf die Finanzierungsströme insgesamt – im Gesundheitswesen, in der Aufteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung – im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen genau hinzuschauen.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Saxinger. – Bitte.
Abgeordneter Dr. Werner Saxinger, MSc (ÖVP): Guten Morgen, Herr Minister! Die Covid-Viren sind gekommen, um zu bleiben, wir müssen lernen, damit umzugehen. Die Null-Covid-Strategie ist zum Scheitern verurteilt. Die Frage, die sich stellt: Was können wir aktiv gegen die Pandemie tun? Was können wir tun, um die verheerenden Auswirkungen einzudämmen? Da gibt es einiges Bekannte: Händehygiene, Abstandhalten, Maskentragen in Räumen, natürlich die Impfung. Wir können auch Solidarität beweisen, indem wir Masken tragen und uns impfen lassen.
Es gibt den Begriff des Präventionsparadoxons, der Folgendes beschreibt: Durch die Maßnahmen wie Hygiene, Abstand, Impfen wurde noch Schlimmeres verhindert. Jetzt glauben aber manche, weil noch Schlimmeres nicht eingetreten ist, hätten wir diese Maßnahmen gar nicht gebraucht. (Abg. Belakowitsch: Wie in Schweden!) Das ist eben nicht so. Das ist ein Irrtum.
Herr Minister, was kann man denen entgegnen, die glauben, ohne Maßnahmen wäre eh nichts Schlimmes passiert?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Na ja, das ist im Prinzip die Frage von Bewusstseinsbildung. Ich meine schon, dass das auch etwas mit Verhältnismäßigkeit und Einschätzungen zu tun hat. Meine Linie ist eine klare – die habe ich auch kundgetan –: dass es im dritten Jahr der Pandemie notwendig sein wird, mit Covid zu leben.
Das ist im Übrigen eine weltweite Strategie: auf der einen Seite damit umzugehen und Vulnerable, die wir nicht außer Acht lassen dürfen, zu schützen – das ist auch ein Gebot der Stunde, weil diese eben besonders verletzlich sind, wie das Wort sagt –, doch auf der anderen Seite so viel Normalität wie möglich zuzulassen. Wir müssen einen Weg im Hinblick darauf finden, dass wir angesichts der Krisen, die im Herbst auf uns zukommen und vielfach sind – also Teuerung, die Energiefrage, der Krieg in der Ukraine und Ähnliches mehr –, nicht mit Covid-Maßnahmen dazu beizutragen, dass die Dinge sich verschärfen, sondern wir sie entlasten. Das ist jedenfalls mein Zugang.
Was das Impfen angeht, ist die Empfehlung auch klar: Es ist jetzt angezeigt, über 65-Jährige auffrischen zu lassen. Wir sind dabei, gemeinsam mit den Bundesländern und auch den Sozialpartnern sehr basisnahe Impfangebote zu schaffen. Wir sind auch dabei, die Verteilung von Medikamenten, Covid-Medikamenten, besser zu organisieren. Das hat bisher in einzelnen Bundesländern nicht sehr gut geklappt. Wir sind im Austausch mit der Ärztekammer, um dieses zweite Sicherheitsnetz auch zu nützen. Ich bin zuversichtlich, dass wir da auf einem gutem Weg sind, einen Umgang zu finden und zu lernen, mit Covid zu leben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur nächsten Anfrage, jener der Frau Abgeordneten Ribo. – Bitte sehr.