Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich kann kein Geheimnis daraus machen: Wir diskutieren ja oft über die Zweiklassenmedizin, und ich kritisiere immer wieder, dass aus unserer Sicht seitens der Regierung im Kampf gegen diese Zweiklassenmedizin zu wenig weitergeht.
Die ÖVP ist da relativ sauber aufgestellt – nicht umsonst sind 50 000 Euro von Privatkliniken in Richtung ÖVP geflossen –, die ist da relativ klar.
Jetzt habe ich ein bisschen Angst: Was wäre denn, wenn die Privatkliniken draufkämen, wenn wir heute über das Parteienfinanzierungsgesetz sprechen, dass man das Geld leider den Grünen gibt? Diese sind mindestens gleich untätig im Bereich der Zweiklassenmedizin, wirken aber ein bisschen sauberer aufgestellt. Haben Sie Angst, dass das in diese Richtung gehen könnte?
Deswegen auch die konkrete Frage:
„Welche Maßnahmen werden Sie in Ihrer Ressortverantwortung eventuell gemeinsam mit anderen Regierungsmitgliedern setzen, um den Kassenvertragsmangel und damit die schon vorherrschende Zwei-Klassen-Medizin zu beseitigen?“
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Vielleicht mache ich es so: Ich stehe für eine klasse Medizin und nicht für eine Zweiklassenmedizin. Klasse Medizin heißt hervorragend zugängliche Leistungen für alle gleichermaßen, egal aus welcher gesellschaftlichen Situation man kommt.
Wir haben in Österreich im europäischen Vergleich ein Spitzenfeld an Medizinern, auch eine hohe Qualität, auch bei der Ärztedichte sind wir gut. Wir haben natürlich regional – das ist ein riesiges Thema – Mangel in unterschiedlichen Fachrichtungen. Wir haben im niedergelassenen Bereich das Thema, dass gerade im ländlichen Raum Nachfolgefragen nicht geklärt werden können – das ist bei mir auch angekommen –, und wir sind dabei, in diesem etwas schwierigen Finanzierungssystem, das wir haben, um es vorsichtig zu formulieren – Sozialversicherung auf der einen Seite, Länder auf der anderen Seite, Bund, Ärztekammer auf der anderen Seite –, Gespräche darüber zu führen, wie wir zu Lösungen kommen können, die verhindern, dass permanent Leistungen aufgrund von Mangelerscheinungen im niedergelassenen Bereich zum Beispiel in die Ambulanzen verlagert werden. Das kann es nicht sein, weil das von der Finanzierung her auch nicht gerecht ist.
Wie können wir es schaffen? – Über attraktive Modelle es niedergelassenen ÄrztInnen, vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten, möglich zu machen, diesen Beruf zu ergreifen und auch auszuüben. Da braucht es, das ist auch klar, neue Möglichkeiten entlang der Entweder-oder-Situation, dass man entweder Kassenarzt oder Wahlarzt oder Wahlärztin ist.
Es gibt auch gemeinsame Überlegungen mit der Sozialversicherung und den Ländern, wie man das gestalten kann. Es gibt Modelle, die das möglich machen, und ich orte Bereitschaft für eine gewisse Bewegung bei allen Stakeholdern. Das wird notwendig sein, um die Versorgung im ländlichen Raum sicherzustellen, mit der hohen Qualität, und nicht das zu haben, was Sie meinen, nämlich eine Zweiklassenmedizin: Dass man nur noch zur Wahlärztin oder zum Wahlarzt gehen kann, wäre jedenfalls zu verhindern.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.
Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Ja, vielen Dank. – Um es konkret zu machen: Ist es gerecht, dass ich als Politiker für ein Zahnimplantat 300 Euro dazugezahlt bekomme und eine Versicherte in Klagenfurt, die Angestellte ist, keine Zuzahlung bekommt? Da spreche ich vom Risikostrukturausgleich und gleich guten Leistungen für alle Versicherten in Österreich.
Um das ganz konkret zu machen: Was sind denn drei ganz konkrete Maßnahmen, die Sie als Gesundheitsminister setzen werden, damit es gleich gute Leistungen für alle Versicherten gibt, egal in welchem Bundesland man wohnt und wo man versichert ist?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Erster Punkt: Sicherstellung der Versorgung im niedergelassenen Bereich, wie ich es vorhin angekündigt habe. Wenn das nicht sichergestellt ist, werden die Menschen gezwungen, in Wahlarztpraxen auszuweichen, beziehungsweise können sich das oftmals nicht leisten und müssen dann auf medizinische Versorgung verzichten, und das muss hintangehalten werden.
Das ist mein Hauptpunkt: Es muss gelingen, auch in gemeinsamen Gesprächen mit Sozialversicherung, Ärztekammer und den Ländern, diesen Notstand zu beheben. Es kann nicht sein, dass beispielsweise in Dornbirn drei ÄrztInnen in Pension gehen und keine Nachfolge finden und damit der Zustand eintritt, dass Menschen nicht versorgt sind.
Das ist nicht hinnehmbar, und diesbezüglich liegen auch konkrete Modellversuche auf dem Tisch, um es klar zu sagen: Wie kann man es schaffen, dort Angebote sicherzustellen, sodass der Zugang gesichert ist? Das ist das Hauptargument, und wenn wir das nicht hinbekommen, landen wir in einer Mangelversorgung und in einer Situation, in der Menschen ärztliche Hilfe nicht mehr in Anspruch nehmen und sich nicht behandeln lassen und am Ende der Kette im Spital landen, wo die Behandlungen wesentlich teurer sind. Das ist der Hauptpunkt.
Es gibt ein paar weitere Punkte: Leistungsangleichung auch in der Sozialversicherung insgesamt; es ist in der letzten Zielsteuerungskommissionssitzung ein Meilenstein geschaffen worden mit dem nationalen Impfprogramm. – Es ist schwierig genug, aber da die Schritte zu setzen, das ist jedenfalls mein Bestreben.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.
Abgeordnete Gabriela Schwarz (ÖVP): Herr Präsident! Einen schönen guten Morgen, Herr Bundesminister! Ich möchte bei zwei Dingen einhaken, die Kollege Kucher gesagt hat. Zur Mehrklassenmedizin: Sie haben ja darauf eindeutig geantwortet, und ich möchte das unterstreichen, denn ich glaube, dass es gerade mit der ÖGK gelungen ist, die Neunklassenmedizin, die es davor gab, nämlich unterschiedliche Leistungen für die gleichen Beiträge in Österreich, zu harmonisieren.
Diese Harmonisierung hat Geld gekostet, selbstverständlich, weil nach oben nivelliert wurde und nicht nach unten, aber diese Harmonisierung ist auf gutem Wege und sollte mit einem bundesweiten Gesamtvertrag demnächst abgeschlossen werden. – Das einmal dazu, das heißt, dort ist die Harmonisierung, die Gleichbehandlung schon gelungen.
Sie haben auch die Wahlärztinnen und Wahlärzte, die immer wieder in Diskussion stehen, angesprochen. Ich glaube, da kommt es darauf an, nicht hinzudeuten und zu sagen, das funktioniert nicht gut, sondern zu fragen: Wie attraktiviert man es für Wahlärztinnen und Wahlärzte, im System, in der Gesamtversorgung, vor allem gemeinsam mit KassenärztInnen im niedergelassenen Bereich, tätig zu werden?
Gibt es da schon konkrete Ansatzpunkte?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Minister, bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Ja, die gibt es. Erstens einmal werden wir den Ausbau von Primärversorgungseinrichtungen forcieren müssen, das ist ein Gebot der Stunde, da sind wir einfach hintennach. Es wird auch darum gehen, flexible Ordinationsmodelle zu schaffen, mit weniger belastenden Bereitschaftsdienstregelungen, und diese auch an neue Lebenssituationen von jungen Ärztinnen und Ärzten anzupassen, die vielleicht das Bedürfnis haben, in der ersten Phase, beim Berufseintritt, Teilzeit zu arbeiten, Vertretungsregelungen zu haben, die funktionieren, und Ähnliches mehr.
Es wird auch darauf ankommen, E-Anwendungen, E-Medizin zu forcieren, es wird gelten, die Arbeitsbedingungen insgesamt zu verbessern und – das ist ein wichtiger Punkt – bürokratische Hürden zu beseitigen. Ärztinnen und Ärzte sollen dafür da sein, in medizinischer Hinsicht tätig zu sein, und nicht, um Bürokratie abzuarbeiten.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte.
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Minister! Sie haben es ohnehin schon angesprochen: Ein zentrales Problem ist ja der Mangel, wenn man so möchte, an Ärztinnen und Ärzten, die einen Kassenvertrag haben, insbesondere dort, wo es um die Primärversorgung geht.
Da spreche ich jetzt nicht nur von Allgemeinmedizinerinnen und ‑medizinern, sondern beispielsweise auch von Gynäkologinnen, Gynäkologen. Immer mehr Wahlarztrechnungen kommen genau aus diesen beiden Bereichen, also aus der Allgemeinmedizin und aus der Gynäkologie, weil immer weniger Ärztinnen und Ärzte bereit sind, einen Vertrag mit der ÖGK einzugehen.
Daher stellt sich für mich die Frage – Sie haben die Frage der Primärversorgungseinheiten auch schon kurz angesprochen –: Welche Maßnahmen setzen Sie, um die allgemeinmedizinische Versorgung, aber nicht nur diese natürlich, insbesondere auch über die Förderung von PVEs zu gewährleisten?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.
Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Es gibt die finanzielle Förderung von Lehrpraxen, auch um Anreize zu schaffen, in diese Modelle einzutreten. Es ist auch in Gesprächen mit der Sozialversicherung und der Ärztekammer klar: Es wird da auch unkonventionelle und neue Maßnahmen und Modelle brauchen. Es ist nicht jedes Modell auf jede Region gleich anwendbar. In Wien oder in anderen Städten, in Ballungsräumen, stellt sich die Situation anders dar als im ländlichen Raum.
Es wird auch darum gehen, das sogenannte Landarztmodell – um in sehr umfassendem Sinn Medizin anzubieten, Versorgung anzubieten – gemeinsam mit Regionen oder mit Gemeinden attraktiv zu machen. Das geht hin bis zu finanziellen Unterstützungen vonseiten der Länder oder auch von Kommunen, die anbieten, Ordinationen komplett einzurichten oder Häuser oder Ordinationen zur Verfügung zu stellen, um den Standort attraktiv zu machen, damit sich dort jemand niederlässt. Es gilt, Möglichkeiten zu schaffen, dass das nicht allein gemacht werden muss und dann nicht die gesamte Region allein versorgt werden muss, Modelle zu überlegen, dass Teilzeitzusatzangebote geschaffen werden können; das durchaus nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Pflege.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Belakowitsch stellt die nächste Anfrage. – Bitte.