10.40

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörer! Abgeordnete Maurer hat aus meiner Sicht nur in einem einzigen Punkt recht gehabt, nämlich, dass die Pflegemisere tatsächlich schon seit Jahrzehnten besteht. Wenn man sich allerdings die jüngere Vergangenheit ansieht, dann muss man leider feststellen, dass es nun fast drei Jahre gedauert hat, bis ein relativ umfangreiches Pflegereformkonzept, das unter der freiheitlichen Gesundheitsministerin Hartinger-Klein 2019 in Ausarbeitung war und im Ministerium seit knapp drei Jahren schlummert, nun teilweise endlich wieder aufge­griffen wird.

Das ist auch das Positive, das ich festhalten möchte. Der nunmehr dritte grüne Gesund­heitsminister versucht zumindest, die Probleme im Pflegebereich tatsächlich anzu­gehen – und dafür zolle ich Ihnen, Herr Bundesminister, auch Respekt, dass Sie es zumindest versuchen, auch wenn wir im Detail – sowohl am Vorgehen als auch an den Inhalten, die heute beschlossen werden sollen – durchaus noch einiges an Kritik haben.

Zunächst möchte ich einmal mit dem Vorgehen der Bundesregierung beginnen: wie diese Gesetzesvorlagen überhaupt entstanden sind, wie diese Gesetzwerdung begleitet wird und wie hier auch mit dem Parlament und den demokratischen Institutionen um­gegangen wird.

Da stellen sich die Minister und Klubobleute hin, machen eine Pressekonferenz und kündigen eine Pflegereform an – die in keinster Weise gesetzlich vorbereitet ist, die nicht einmal irgendwo eine Gesetzesnovelle in Begutachtung oder Ähnliches gehabt hat –, basierend auf innergremialen Beschlüssen, die dann Stück für Stück geändert werden, und von der von den ursprünglichen Ankündigungen bis zum heutigen Tag fast überhaupt nichts mehr in der Form, wie ursprünglich angekündigt, vorhanden ist.

Da werden die Ausschüsse, der Gesundheitsausschuss und der Sozialausschuss, mit kurzfristigen, teilweise innerhalb der 24-Stunden-Frist liegenden Gesetzesnovellen und Abänderungsanträgen konfrontiert. Und das Spielchen setzt sich fort bis zum heutigen Tag, da wir wieder in der Nacht von gestern auf heute weitgehende Abänderungsanträge übermittelt bekommen haben.

Und dann stellen Sie sich hierher und versuchen, diese Änderungen, diese Beschlüsse, die heute gefasst werden, als epochal und riesengroß zu titulieren. In Wirklichkeit fehlen hier einfach die weitgehenden Diskussionen. Und auch, dass Sie einzelne Dinge wie zum Beispiel den Angehörigenbonus jetzt zurückziehen müssen und heute gar nicht beschließen können, zeigt, wie wenig und wie schlecht diese Dinge vorbereitet sind.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, Sie haben selber im letzten Sozialausschuss ge­sagt, dass es ja – überraschenderweise, oder für Kenner der Materie vielleicht nicht so überraschend – einige Dinge gibt, die erst mit Jahreswechsel, erst mit 1.1.2023 tatsächlich in Kraft treten können. Ja, hätten Sie sich ein paar Monate Zeit gelassen für eine ordentliche Begutachtung und für eine ordentliche parlamentarische Diskussion (Abg. Gödl: Du hast genau das Gegenteil gesagt!), dann hätten Sie nicht das Problem gehabt, dass Sie heute Anträge wieder von der Tagesordnung nehmen müssen und mit heruntergelassenen Hosen dastehen. (Abg. Gödl: Du hast genau das Gegenteil gesagt: Es geht nix weiter!)

Nun zu den einzelnen Vorschlägen im Detail: Das Parlament soll heute eine Kompetenz­ausweitung für Pflegedienste beschließen. Sie wissen, diese Kompetenzausweitung für die Pflege, aber auch für andere Gesundheitsberufe ist schon 2017 im Regierungs­programm von ÖVP und FPÖ gestanden. Es freut mich, dass das jetzt von Schwarz-Grün wieder aufgegriffen wurde (Heiterkeit des Abg. Wöginger allerdings in einem Fuziminikleinbereich (mit Zeigefinger und Daumen eine entsprechende Geste aus­füh­rend), es ist nämlich genau eine Einzelregelung für Pflegekräfte, anstatt dass generell das Kompetenzschema überarbeitet und eine breite, zukunftsträchtige Lösung gefunden wird. Wir haben im Ausschuss, in den Ausschusssitzungen darüber diskutiert, zum Beispiel über die Weiterverordnung von Heilmitteln durch Pflegekräfte, Impfen durch Apotheker und vieles mehr, aber dazu gibt es nicht einmal ansatzweise Gesetzentwürfe vonseiten der Regierungsfraktionen.

Das zweite Thema ist eine Reform des Pflegegeldes – und auch das war bereits 2019 in den Reformpapieren von Hartinger-Klein vorhanden. Ich bin froh, dass es jetzt auf­gegriffen wird und dass es zumindest für Demenzerkrankte eine Aufwertung der Pfle­gegeldeinstufung gibt. Das, was auch schon seit vielen Jahren bekannt ist, nämlich eine generelle Überarbeitung der Einstufung in die verschiedenen Pflegestufen und der Dotierung der verschiedenen Pflegestufen, findet sich aber in dieser Reform noch immer nicht. Auch da sind Sie säumig, Herr Bundesminister!

Sie reformieren auch die Ausbildung, vor allem führen Sie eine Pflegelehre ein – auch das ist ein Punkt, den wir Freiheitliche schon seit 2017 fordern und unterstützen – und wollen eine Art Schulgeld einführen, 600 Euro, also eine Bezahlung während der Ausbildung, die – Kollege Muchitsch hat das schon angesprochen – allerdings auch etliche Schwächen im Detail zeigt wie: keine Sozialversicherung dazu, der Zuschuss, der von den Ländern kommen soll, ist nicht klar definiert, und die langfristige Finan­zierung ist ebenfalls nicht geregelt.

Zusätzlich haben Sie da auch noch Hürden eingeführt, die die Attraktivität einer Ausbildung an den Pflegeschulen weiter abnehmen lässt. Es gibt zum Beispiel nach wie vor noch ein 1G-Regime an vielen Pflegeschulen, sodass Nichtgeimpfte diese Aus­bildung gar nicht erst anfangen können. Also auch da warten noch viele Aufgaben auf Sie, Herr Bundesminister, die es zu lösen gilt, die Sie wahrscheinlich bis zum nächsten Schulturnus im Herbst aber auch gar nicht lösen können – also ein weiteres verlorenes Jahr durch diese Bundesregierung.

Äußerst positiv ist, dass nun endlich auch Geld in die Hand genommen werden soll, um gehaltsmäßig die Pflegekräfte für deren enormen Einsatz – vor allem auch in den letzten beiden Jahren, aber generell – zu unterstützen. Nur: Die Art und Weise, wie das gemacht wird, ist auch wieder nicht nachhaltig – Kollege Muchitsch hat das bereits im Detail erläutert –: Sie nehmen gerade einmal für zwei Jahre verbindlich Geld in die Hand und wissen nicht, wie das langfristig finanziert werden soll. Und was noch viel schlimmer ist: Sie haben nicht einmal für diese kurzfristigen Maßnahmen tatsächlich budgetär vorgesorgt.

Wir beschließen in dieser Plenarsitzung voraussichtlich auch noch die Budgetgesetze, in denen die neue Vorausschau bis 2025 beschlossen wird, und in dieser mittlerweile zweiten Budgetnovelle findet sich noch immer kein einziger Euro zur Finanzierung Ihrer Pflegereform und zu den gut 500 Millionen Euro pro Jahr, die Sie in den nächsten zwei Jahren den Pflegekräften zukommen lassen wollen.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, normalerweise sollte es doch andersherum sein: Zuerst sollte klar sein, dass die Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen, und dann können Sie über die Gesetze verteilt werden. Sie machen das seit Wochen und Monaten umgekehrt, Sie machen große Ankündigungen und budgetär ist das Ganze nicht bedeckt. Das widerspricht den Haushaltsrichtlinien, und das ist aus meiner Sicht auch schädlich für die Glaubwürdigkeit der Politik, denn wenn man Geld verteilt, das noch nicht einmal vorhanden ist, dann nehmen das viele einfach nicht ernst.

Ich möchte zum Schluss kommen: Wir werden heute trotz der vielen Kritik, die ich soeben geübt habe, die zur Abstimmung kommenden Maßnahmen unterstützen (Abg. Gödl: Aha!)  nicht, weil wir sie für so großartig halten, sondern weil wir es für dringlich notwendig halten, dass ein klares und deutliches Zeichen gesetzt wird, dass man zumindest irgendetwas für die Pflegekräfte in diesem Land tut und dass sie zumindest irgendeine Art von Anerkennung bekommen, und da ist etwas besser als gar nichts.

Wir wollen Sie aber ersuchen, in den nächsten Monaten und in den nächsten Aus­schüs­sen intensiven Kontakt mit uns aufzunehmen und die weiteren Schritte deutlich besser mit uns und auch mit den Fachgesellschaften zu koordinieren, als Sie das bisher getan haben, und hoffen, dass wir die großen Fehler und Lücken, die in Ihrer Pflegereform vorhanden sind, gemeinsam noch lösen können. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

10.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Wöginger. – Bitte. (Abg. Belakowitsch – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Wöginger –: Aber kritisieren dürfen wir es schon! Abg. Wöginger: Aber sicher! Das tust ja sowieso!)