17.23

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Frau Rechnungshofpräsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Ja, es ist schon viel über den Rechnungsabschluss gesagt worden, und es stimmt, man sollte sich nicht zu viel mit der Vergangenheit beschäftigen, aber ich kann mich noch gut erinnern, im Jahr 2020 haben wir den Rechnungsabschluss von 2019 diskutiert, und das war nach 60 Jahren das erste Mal, dass der Bund weniger Geld ausgegeben als er eingenommen hat. (Abg. Pfurtscheller: Da hat’s einfach kein Corona gegeben!)

In den letzten zwei Jahren – und da hätte ich als Finanzminister schon ein schlechtes Gewissen – haben wir fast 60 Milliarden Euro neue Schulden aufgebaut. Wir haben einen Schuldenberg von 343 Milliarden Euro – pro Einwohner, pro Österreicher, vom Kleinkind bis zum Greis, sind das 46 000 Euro. Das ist eine Schuldenpolitik, die meines Erachtens nicht so fortgesetzt werden kann. Und das sind ja nur die Schulden auf nationaler Ebene.

Axel Kassegger hat es in seiner Rede schon angesprochen, wir haben auf europäischer Ebene mit den 750 Milliarden Euro dasselbe fabriziert, die ja als sogenannter Wiederaufbaufonds von Frau Lagarde ausgegeben wurden, wofür wir ja auch in Milliardenhöhe – mit circa 15 Milliarden Euro – haften, und es wurde die Gelddruckmaschine angeworfen. In den letzten zweieinhalb Jahren sind pro Tag – pro Tag! – 4,5 Milliarden Euro auf den Markt geworfen worden, und dann wundern wir uns über eine Inflation. Das ist hausgemachte falsche Fiskalpolitik und die hat diese Bundesregierung mitgetragen. Das ist Ihr Fehler, den Sie in den letzten Jahren begangen haben.

Jetzt haben wir eine dementsprechende Preisentwicklung, vor allem auch den Strom betreffend, und Sie, Herr Minister, sagen selber, zuletzt im „Report“, dass man an die Ursachen und nicht an die Symptome herangehen muss. Sie sind aber immer noch bei der Symptombekämpfung. Sie versuchen immer noch, es mit Einmalzahlungen zu machen. Das ist ungefähr so, als ob ich jemanden mit einem entzündeten Blinddarm im Bett liegen habe und ich demjenigen nach Großmutters Rezept Essigpatscherl mache und Topfen auflege, bis es halt dann nicht mehr geht und er operiert werden muss. Die Operation ist dann vielleicht gelungen, aber der Patient tot, und genau das passiert jetzt mit der heimischen Wirtschaft. Da müssen ja die Alarmglocken schrillen und man muss endlich an die Ursachen herangehen!

Wenn heute der Chef der Andritz in einem Interview ganz unverhohlen auf die Frage, ob die Industrie aus Europa abwandern wird, sagt: Ja, das wird passieren!, dann muss doch bei der ÖVP irgendwann einmal jemand aufstehen, vielleicht jemand von der Wirtschaftskammer wie Herr Kopf, und sagen: He, Burschen, stopp, wir müssen jetzt etwas tun!, oder der Herr Finanzminister steht vielleicht auf und sagt: Stopp, wir müssen jetzt etwas tun, wir müssen in den Markt ein­greifen! – Es kann nicht sein, dass die Strompreise durch die Decke gehen und sich die Wirtschaft das nicht mehr leisten kann und damit der Wirtschafts­standort Europa beziehungsweise Österreich unattraktiv wird und die abwan­dern, und das passiert.

Zusätzlich – jetzt gehen Sie auch noch den anderen Weg – belasten Sie diese Wirtschaft noch mit einer CO2-Steuer, weil Sie mit einem von den Grünen getriebenen Klimawahn durchs Land laufen. Sie belasten diese Wirtschaft noch zusätzlich mit Steuermaßnahmen im eigenen Land.

Sanktionen gegen Russland: verrückt! Diese wirken, ja, aber gegen die eigene Wirtschaft. Wir alle spüren es wesentlich mehr als Russland, und noch niemand ist auf die Idee gekommen, einmal zu sagen, man versucht mit den Konflikt­par­teien zu reden, um diesen Konflikt zu beenden. Das Einzige, was ich heute gehört habe: Es gibt keine Alternative zu den Sanktionen, wir müssen weiterhin Waffen liefern! – Also wie soll ein Konflikt so beendet werden? (Abg. Reiter: Wir liefern keine Waffen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Vielleicht – es kommt der 10. Oktober – könnte man sich an Kärnten ein Beispiel nehmen: Da hat es vor rund 100 Jahren auch einen Aggressor gegeben, der Kärnten überfallen hat, und dann hat man in Kärnten eine Volksabstimmung gemacht und hat so diesen Konflikt beigelegt. Wir könnten sogar noch Minder­heitenrechte – wie man Ortstafeln aufstellt, all das – nach Russland und in die Ukraine liefern. Man könnte ja dort einmal den Vorschlag machen, eine Volksabstimmung zu machen. Sie (in Richtung ÖVP) schütteln den Kopf. Ihr entscheidet über Leben und Tod in der Ukraine mit euren Waffenlieferungen. (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.) Lasst doch die Leute vor Ort entscheiden! Macht einmal den Vorschlag, dass dort eine Volksabstimmung darüber gemacht wird, wer wohin kommen soll, ob sie bei der Ukraine bleiben sollen oder nach Russland wollen!

Was die gesamte Energiepolitik betrifft, müssen Sie, Herr Minister, endlich ins Handeln kommen und in die Ursachen eingreifen.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehendes Aussetzen des ‚Merit-Order-Prinzips‘ zur Strompreisfestsetzung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich umgehend und mit Nachdruck auf Europäischer Ebene für ein sofortiges Aussetzen des sogenannten ‚Merit-Order-Prinzips‘ zur Strompreisfestsetzung einzusetzen."

*****

Da Sie es im letzten „Report“ selbst gefordert haben, Herr Minister, gehe ich davon aus, dass Sie das unterstützen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, MMMag. Dr. Axel Kassegger

und weiterer Abgeordneter

betreffend umgehendes Aussetzen des „Merit-Order-Prinzips“ zur Strompreisfest­setzung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 7: Bericht des Budgetausschusses über den Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2021 (III-654/1671 d.B.) in der 171. Sitzung des Nationalrates am 21. September 2022

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seit Monaten extrem steigenden Gaspreise auch als Folge der Sanktionspolitik gegenüber Russland stößt das derzeit zur Anwendung kommende Strompreisbildungssystem auf Europäischer Ebene auf zunehmendes Unverständnis und massive Kritik.

So führt das sogenannte Merit-Order-Prinzip, wonach jene an der Strombörse anbietenden Kraftwerke, die billigeren Strom produzieren, zuerst zur Deckung der Nachfrage herangezogen werden, letztlich dann aber das teuerste zur Deckung der Nachfrage benötigte Kraftwerk, sprich: Gaskraftwerke, den Preis bestimmt, in der jetzigen Situation zu einer zusätzlichen Befeuerung der Strompreise.

Somit bestimmt gegenwärtig die letzte erforderliche Kilowattstunde aus einem Gaskraftwerk den Preis, der letztlich vom Kunden zu zahlen ist. Die in Österreich wesentlich günstigere Stromproduktion, bspw. durch die heimische Wasserkraft oder Windenergie, kommt aufgrund dieser in der jetzigen Situation mehr als absurd anmutenden Preisbildungsmethodik nicht beim Konsumenten an.

Dies führt derzeit dazu, dass die Stromproduzenten den Strom, der in Österreichs Haushalten verbraucht wird, derzeit um 4,4 Milliarden Euro über den Herstellungs­kosten verkaufen, wie das österreichische Online-Tarifvergleichsportal durchblicker.at kürzlich errechnete.

„2023 werden es nach jetzigem Stand allein im ersten Jahresviertel 2,7 Milliarden Euro sein“, so der Energieexperte von durchblicker.at, Stefan Spiegelhofer. Jährlich verbrauchen Österreichs Haushalte gemeinsam rund 18 Terawattstunden (TWh) Strom. Rund 85 Prozent davon stammen aus erneuerbaren Energiequellen.

Die höchsten Zufallsgewinne entstehen im österreichischen Strom-Mix in der Wasser-kraft, in der Windenergie und bei Biomasse. (09.09.2022/ https://help.orf.at/stories/3215025/)

In Krisenzeiten, wie diesen kann es daher nicht sein, dass günstig hergestellter Strom aus Wasserkraft, Solarenergie oder Wind zum selben Preis verkauft wird, wie der aufgrund des Gaspreisexplosion viel teurer produzierte Strom. Auch wenn das Merit-Order-Prinzip unter „normalen“ Marktbedingungen funktioniert, so ist es jetzt geeignet, am Rücken der Bevölkerung die Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Während Energieunternehmen dadurch Rekordgewinne schreiben, stürzt die Stromrechnung unzählige Menschen in Existenznot und gefährdet den Wohlstand im Land.

Eine dringende Entkoppelung der Strom- von den Gaspreisen und somit ein Aussetzen des Merit-Order-Prinzips auf unbestimmte Zeit ist daher ein Gebot der Stunde und im Interesse der heimischen Bevölkerung umgehend mit Nachdruck zu verfolgen.

Spät aber doch erfolgt nun auch beim österreichischen Bundeskanzler Nehammer ein Umdenken.

Noch im Mai dieses Jahres wurde von Seiten des Finanzministeriums klargestellt, dass aufgrund der aktuellen Strom-Gaspreis-Kopplung derzeit auch Stromunternehmen von den steigenden Gaspreisen, deren Stromproduktion zu einem überwiegenden Anteil aus Erneuerbarer Energie stammt, profitieren, man die derzeitige Art der Strompreisbildung nicht in Frage stelle. (06.05.2022/SN)

Wurden bisher somit auch von Seiten der österreichischen Bundesregierung entsprechende Forderungen nach einer Entkoppelung der Strom- und Gaspreise belächelt oder überhaupt abgelehnt, so fordert nun auch Nehammer genau dieses, was angesichts der Untätigkeit der letzten Monate geradezu zynisch in den Ohren derer klingen mag, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Stromrechnungen begleichen sollen.

„Wir müssen diesen Irrsinn, der sich derzeit auf den Energiemärkten abspielt, endlich stoppen“, so Nehammer. „Man muss den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln, und er muss sich wieder an die tatsächlichen Kosten der Erzeugung annähern“, so Nehammer weiter.

Die Europäische Kommission hat sich jedoch in diesem Zusammenhang einmal mehr lediglich auf Ankündigungspolitik beschränkt und keine konkreten Initiativen zur dringend erforderlichen Entkopplung der Strom- von den Gaspreisen vorgelegt.

Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht und Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise höchste Priorität haben müssen, zeigt sich auch in dem diesem Antrag zugrundeliegenden Bundesrechnungsabschluss für das Jahr 2021, demzufolge die durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Energiepreisschocks in Verbindung mit der Inflationsentwicklung die Konjunkturaussichten für das Jahr 2022 und damit auch die Entwicklung der öffentlichen Finanzen sehr unsicher machen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich umgehend und mit Nachdruck auf Europäischer Ebene für ein sofortiges Aussetzen des sogenannten „Merit-Order-Prinzips“ zur Strompreisfestsetzung einzusetzen."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich nun Herr Abgeordneter Christoph Stark zu Wort gemeldet. – Bitte.