20.57
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Die nun vorliegenden Berichte, die zur Diskussion anstehen, sind so umfangreich, dass ich nicht nur die 3 Minuten, die von der Redezeit meiner Fraktion übriggeblieben sind, sondern 3 Stunden darüber referieren und mit Ihnen diskutieren könnte, weil die Erkenntnisse wirklich sehr, sehr wertvoll sind.
Ich möchte mich auf einen Bericht, der bislang noch nicht angesprochen worden ist, konzentrieren, nämlich jenen zur Ärzteausbildung, weil darin ein Sinnbild der Probleme im österreichischen Gesundheitswesen versteckt ist und er auch zeigt, wo das Problem des Kassenärztemangels und des Ärztemangels in den Spitälern begründet ist. Der Rechnungshof hat das sehr gut ausgeführt.
Begonnen hat die ganze Misere mit den Studienzugangsbeschränkungen im Jahr 2005/2006, die gut zehn Jahre später dann dazu geführt haben, dass wir fast 30 oder sogar teilweise über 30 Prozent weniger Turnusärzte in den Spitälern gehabt haben. Parallel dazu hat man 2014/2015 auch noch die Ärzteausbildung in den Spitälern, die Facharztausbildung, novelliert, verändert, mit dem ursprünglichen Ziel, mehr Allgemeinmediziner auszubilden und in den damals definierten Mangelfächern eine erhöhte Ausbildungsquote zustande zu bringen. Man hat – typisch österreichisch – diese Reformen nicht laufend evaluiert, man hat keine Schlüsse daraus gezogen. Man hat sich auch auf falsche Zahlen und Daten und falsche Einschätzungen, was den tatsächlichen Bedarf anbelangt, gestützt. Die Konsequenz sehen wir heute: Weder gibt es in den deklarierten Mangelfächern Kinderpsychologie und Erwachsenenpsychologie die notwendige Anzahl von Fachärzten, noch haben wir dieses Plus an Allgemeinmedizinern erreicht, das durch die Reform 2014/2015 hätte erzielt werden sollen.
Die neue Basisausbildung, die damals eingeführt worden ist, wird vom Rechnungshof als fachlich und organisatorisch mangelhaft bezeichnet, seit sieben Jahren wird sie von der Ärztekammer beobachtet, aber nicht reformiert. Dass in dieser Situation ein Drittel der Ärzte nach dem Studium gar nicht anfängt, in Österreich als Arzt tätig zu werden, und in die weitergehende Ausbildung nach der universitären Ausbildung einsteigt, sondern einen anderen Beruf ergreift oder ins Ausland geht, scheint wenig verwunderlich.
Wir haben einen Antrag vorbereitet, der ganz stark auf die Stärkung des niedergelassenen Bereichs und auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum abzielt. Das ist deshalb wichtig, denn wenn wir diesen niedergelassenen Bereich stärken, wenn wir die Allgemeinmedizin da stärken, dann sorgt das für eine massive Entlastung in den Spitälern, für verbesserte Arbeitsbedingungen in den Spitälern und unterstützt man damit die Beseitigung der Misere, die die schwarz-grüne Bundesregierung in den letzten Jahren sehenden Auges weiter verschlimmern hat lassen.
Somit bringe ich den Entschließungsantrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend der Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“
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Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
21.00
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak
und weiterer Abgeordneter
betreffend Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum
eingebracht in der 171. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 21. September 2022 im Zuge der Debatte zu TOP 29, Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Ärzteausbildung – Reihe BUND 2021/42 (III-501/1667 d.B.)
Die Gesundheitsversorgung stellt eine der größten gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen dar. Besonders im ländlichen Raum ist in den letzten Jahren die Problematik der Bereitstellung eines bedarfsgerechten Angebots an medizinischer Versorgung und dahingehend eines Fach- und Allgemeinärztemangels stetig gestiegen.
Besonders vom Ärztemangel betroffen sind Kassenplanstellen. „Demnach sind mit Stand Ende des zweiten Quartals 2019 österreichweit 59 Kassenplanstellen für Fachärzte sowie 94 Kassenplanstellen im Bereich Allgemeinmedizin unbesetzt. Diese Entwicklung wird sich in der Zukunft weiter intensivieren. Im Besonderen wird davon der ländliche Raum betroffen sein. Dieser Umstand ist einerseits der Altersstruktur von niedergelassenen Ärzten und andererseits den faktischen Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven von angehenden niedergelassenen Ärzten geschuldet.“1
Studien belegen, dass ein Großteil der Studierenden der Humanmedizin in Österreich später nicht als niedergelassener Arzt in der Allgemeinmedizin tätig sein möchte. Gründe dafür sind „ein nicht facharztäquivalentes Gehalt, die zu geringe Zeit für Patienten, zu strenge Vorgaben seitens der Krankenversicherungsträger und die mangelnde Abrechenbarkeit von Leistungen“.1
Das zentrale Planungsinstrument für die integrative Versorgungsplanung auf Bundesebene ist in Österreich der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG). Er ist ebenso Bestandteil der Zielsteuerung-Gesundheit. „Mit dem ÖSG wird sichergestellt, dass Gesundheitsversorgung in Österreich ausgewogen verteilt und gut erreichbar ist und in vergleichbarer Qualität auf hohem Niveau angeboten wird.“2
„Der ÖSG stellt zudem die Grundlage für die Regionalen Strukturpläne Gesundheit (RSG) dar, die vom jeweiligen Land und den zuständigen Sozialversicherungsträgern vereinbart werden und die Versorgung im Detail regeln.“3
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer sind für die Erfüllung des Strukturplans Gesundheit verantwortlich und haben dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen Planstellen so attraktiv wie möglich gestaltet werden, damit diese auch besetzt werden können. Nur so kann eine ausreichende ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt werden. Derzeit kommen GKK und Ärztekammer ihrem gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag jedoch nicht nach. Dementsprechend sind von Bundesebene umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich zu besetzen, dem Ärztemangel im ländlichen Raum entgegen zu wirken und eine mögliche medizinische Unterversorgung der Bevölkerung in jedem Fall zu verhindern.
Auch die veröffentlichte Ersuchensprüfung des Rechnungshofes zur ärztlichen Versorgung bestätigt die vorliegenden Mängel: In Österreich sind rund 4,6 Prozent der Planstellen unbesetzt. Die Maßnahmen zu unbesetzten Planstellen sind laut Rechnungshof uneinheitlich. Es werden Stellen zum Teil bewusst nicht besetzt und freigehalten. Es fehlt ein sektorenübergreifendes, bundesweites Monitoring der Öffnungszeiten und das Ziel der Errichtung von 75 Primärversorgungseinheiten bis Ende 2021 wird voraussichtlich nicht erreicht werden. Der Rechnungshof empfiehlt daher eine Strategie zur Besetzung von Planstellen, dazu gezielte Maßnahmen und diese nach regionalen Bedürfnissen anzuwenden.4
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat dafür Sorge zu tragen, dass die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und die Ärztekammer den Gesundheitsplan Österreich umgehend umsetzen und alle offenen kassenärztlichen Stellen in Österreich schnellstmöglich besetzen. Zudem hat er entsprechend der Empfehlungen des Rechnungshofes alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen.“
1. Vgl. Bundeswettbewerbsbehörde: Branchenuntersuchung Gesundheit Teil II: Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum (https://www.bwb.gv.at/fileadmin/user_upload/PDFs/bf_Branchenuntersuchung_Gesundheit_DE.pdf)
2. https://goeg.at/OESG
3. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Gesundheitssystem/Gesundheitssystem-und-Qualitaetssicherung/Planung-und-spezielle-Versorgungsbereiche/Der-Österreichische-Strukturplan-Gesundheit-–-ÖSG-2017.html
4. https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/Planstellen_unbesetzt.html
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.