15.46

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich würde es der Vorsitzenden einer einst staatstra­genden Partei ganz gut anstehen, bei den Fakten zu bleiben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Geh hör auf! Bitte hör auf!) – Ja, es ist schon lange vorbei mit staatstragend, so gesehen hat Kollege Leichtfried recht. (Abg. Leichtfried: Du warst dein Leben noch nie staatstragend und redest davon! Du weißt nicht einmal, wie man das schreibt, wahrscheinlich!)

Was sind die Fakten, Frau Parteivorsitzende? – Faktum ist, dass die österreichi­sche Bundesregierung – und das sind Berechnungen von unabhängigen Instituten – 4 000 Euro pro Kopf ausgegeben hat und Deutschland bis jetzt 2 400 Euro. (Abg. Leichtfried: Ja, deine Gschichterl, ja!) Sie haben das letzte Paket mit den 200 Milliarden Euro angesprochen. Wir haben in Öster­reich nachweislich 35 Milliarden Euro ausgegeben. Deutschland hat immer das Zehnfache von uns, also: In Deutschland fehlen 150 Milliarden Euro und nicht bei uns hier in Österreich! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Noch eine Bitte an Sie, Frau Parteivorsitzende, was für die Menschen ganz wichtig ist: Reden Sie in Wien vor allem mit Bürgermeister Ludwig (Abg. Hörl: Bravo!), dass er nicht weiter die Betriebskosten erhöht und dass er nicht weiter die Tarife in die Höhe treibt! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das wäre viel wichtiger, das wäre konkrete Hilfe für die Menschen! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Erasim und Steger.)

Meine Damen und Herren! In einem gebe ich Ihnen recht: Wir befinden uns in sehr, sehr schwierigen Zeiten. Europa ist von Krisenherden umgeben. (Abg. Leichtfried: Und dann lassen Sie dich reden?! Super!) Sie haben schon die Ukraine angesprochen, und spätestens seit letztem Freitag, seit der Rede von Prä­sidenten Putin, müssten alle hier im Haus, auch Sie, Herr Klubobmann Kickl, wis­sen, dass Putin nicht einen Krieg gegen die Ukraine führt. (Abg. Leichtfried: Sehr ernst kann die ÖVP die Krise nicht nehmen, wenn der Herr Lopatka redet!) Er sieht das als einen Krieg gegen den freien Westen. Er sieht das als einen Krieg gegen unsere Werte, gegen unsere Wirtschaft und vor allem auch als ei­nen Krieg gegen unsere Energieversorgung. (Abg. Amesbauer: Was sind unse­re Werte?) – Was unsere Werte sind? – Die Freiheit, die wir beide genießen und die in Russland niemand hat! Das sind unsere Werte! (Beifall bei ÖVP und Grü­nen sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Zwischenruf des Abg. Lausch.)

Neben dem Krieg in der Ukraine müssen wir natürlich auch sehen, dass im Schatten dieses Krieges andere versuchen, auch mit Gewalt ihre Interessen durchzusetzen. (Abg. Hafenecker: Ihre Werte sind Korruption und sonst gar nichts!) Aserbaidschan setzt wieder kriegerische Handlungen gegen Armenien. (Abg. Hafenecker: Sind aber eure Freunde!) Die Türkei bombardiert Nordsy­rien. Im Iran haben wir bürgerkriegsähnliche Zustände. Das müssen wir schon sehen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das hat natürlich schwerwiegende Folgen für die Menschen bei uns, zweifelsohne, das bekommen die Menschen bei uns zu spüren: hohe Inflation, steigende Energiepreise und auch der enorme Migra­tionsdruck, der natürlich auf uns zukommt. (Abg. Hafenecker: Aus Indien!)

Die Europäische Union ist aber aufgewacht, und auch die Nato ist aufgewacht. (Zwischenruf des Abg. Schmiedlechner.) Militärisch und in der Energieversor­gung sind die Weichen neu gestellt worden. Die letzten sieben Monate haben den Kontinent nachhaltig verändert. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Ein ganz wichtiger Bereich ist die Energieversorgung. Ich bin froh, dass die Präsidentin der Europäischen Kommission die Energieversorgung ins Zentrum ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union gerückt hat und dass es Milliar­deninvestitionen in Wasserstoff und in nachhaltige Energieversorgung ge­ben wird. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Ames­bauer und Hafenecker.)

Die Sanktionen gegen Russland zeigen natürlich auch mehr und mehr ihre Wirkung. (Zwischenruf des Abg. Amesbauer. – Ruf bei der FPÖ: ... Zielsetzung?) Es darf ja niemand in Russland von einem Krieg sprechen. Gleichzeitig gibt es eine Teilmobilisierung von 300 000 Mann. – Herr Klubobmann Kickl, wie passt denn das zusammen? (Ruf bei der SPÖ: Was fragst denn den Kickl? Der hat ja keine Ahnung!)

Noch eines: Es ist ja nicht das erste Mal, dass das, was wir letzte Woche miter­lebt haben, passiert. Bevor die Krim annektiert worden ist, hat es ein Refe­rendum auf der Krim gegeben. Johann Gudenus – kennen Sie noch diesen Na­men, Herr Klubobmann Kickl? (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, die willfährigen Aus­führer, nützliche ...!); natürlich, er hatte Ihre Funktion inne, Sie wissen es – war damals Beobachter dieses Referendums auf der Krim. Mit ihm war ein Mann dort, der für Sie noch im Bundesrat sitzt: Johannes Hübner. Wissen Sie, was sie gesagt haben, als sie zurückgekommen sind? (Abg. Meinl-Reisinger: Alles super!) – Es gab keinen Druck, es gab keine Einschüchterungen, es gab kei­nen Zwang, das Referendum ist korrekt abgelaufen. Hübner hat von einem „freien Bürgerentscheid“ gesprochen. (Abg. Kickl: Waren Sie dort oder er? Ich fra­ge: Wo waren Sie ...?)

Ich frage Sie etwas anderes, Herr Klubobmann Kickl: Haben Sie – so wie der Chef der serbischen Nationalisten in Bosnien, Milorad Dodik, der letzte Woche angeboten hat, Wahlbeobachter zu entsenden – auch dieses Mal wieder Beobachter zu den vier Referenden entsandt? Das ist meine erste Frage. (Abg. Kickl: Also gegen den Abstimmungsmechanismus Ihrer Partei ...!)

Meine zweite Frage an Sie ist: Wie sehen Sie die Referenden der letzten Woche? Ich frage das, weil Sie mich gefragt haben, ob ich auf der Krim war. Ich frage Sie das jetzt hier, und die Österreicher:innen wird das auch interessieren: Sehen Sie die Referenden der letzten Woche auch so, wie Ihr Vorgänger Gudenus das Referendum auf der Krim gesehen hat, nämlich als ohne Druck, ohne Zwang, als freie Entscheidung der Bürger in diesen vier Regionen? Das würde mich in­teressieren.

Noch eine dritte Frage: Sie haben ja auch noch einen anderen Vorgänger, näm­lich als Parteivorsitzenden, Herrn Strache. Nach der Abstimmung auf der Krim hat er damals über den FPÖ-Klub ausgeschickt: „EU und die USA haben Entscheidung auf der Krim zu akzeptieren“. (Ruf bei der FPÖ: Ja!)  Fordern Sie uns jetzt auch auf, die Entscheidungen der letzten Woche anzuerkennen? Ich glaube, Sie sollten uns heute hier sagen, wie Sie das sehen. (Beifall bei ÖVP, Grü­nen und NEOS.)

Die entscheidende Frage ist: Sind Sie mit der Europäischen Union solida­risch oder sind Sie nach wie vor mit Putin solidarisch? Das würde uns interessie­ren. (Abg. Wurm: Mit Österreich!) – Ja, Österreich ist Teil der Europäischen Uni­on, Sie haben recht. Österreich ist Teil der Europäischen Union, ein ganz wichtiges Mitglied der Europäischen Union. (Rufe bei der FPÖ: Mit Österreich! – Abg. Amesbauer: ... gemacht? Van der Bellen?) Das würde mich schon interes­sieren.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen, meine Damen und Herren! Ja, die ös­terreichische Bundesregierung mit Bundeskanzler Karl Nehammer ist in diesen Tagen massiv gefordert, keine Frage. Wir anerkennen diese Scheinreferen­den selbstverständlich nicht. Wir anerkennen die Zwangsannexion dieser vier Regionen nicht. (Abg. Belakowitsch: ... stolz drauf sein!) Das ist für uns glasklar ein Völkerrechtsbruch, da brauchen wir gar keine Diskussion mit Ihnen zu füh­ren. (Ruf bei der FPÖ: Warum führen Sie ...? – Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Was uns aber interessiert, ist, wie Sie in dieser Frage stehen, denn das ist für mich ganz entscheidend. Präsident Putin hat schon – das sagen auch wieder sehr anerkannte internationale Beobachter – mindestens 50 000, vielleicht 70 000 junge russische Soldaten in den Tod geschickt – dramatisch! Mich wun­dert es nicht, dass die, die können, jetzt mit den Füßen abstimmen und fluchtartig ihr Land verlassen – fluchtartig, sage ich Ihnen! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Dass die anderen zwangsweise an die Front geführt werden, muss meines Erachtens rasch ein Ende finden.

Es ist richtig, was vorhin vom Vizekanzler und auch von der Europaministe­rin angesprochen worden ist: Wir müssen die Kanäle offenhalten, auch zu einem System wie jenem von Putin. Diplomatie und der politische Dialog können da auch Erfolge bringen. Es hat einen Gefangenenaustausch gegeben, bei dem Pu­tin jene, die er als Nazis diffamiert hat, die aufopferungsvoll für die Frei­heit der Ukraine gekämpft haben, wieder in die Ukraine hat zurückkehren lassen.

Was für mich entscheidend ist – ich habe vor allem die FPÖ angesprochen, weil die anderen Fraktionen hier im Haus sich im Gegensatz zur FPÖ da nicht abseits stellen –: Putin ist schwer in der Defensive. Die Sanktionen zeigen es deutlich, sie wirken. Es dauert aber länger, als manche geglaubt haben. (Zwi­schenruf des Abg. Amesbauer.) Nicht wir, nicht die Europäische Union ist in die Defensive gekommen. (Abg. Kickl: Deswegen machen Sie heute Erklärungen, weil alles so gut läuft, weil alles so paletti ...!)

Ich sage Ihnen, auch Sie wären gefordert – immerhin war die FPÖ sowohl mit der SPÖ als auch mit uns hier in Österreich schon Regierungspartei (Zwischenruf des Abg. Kickl) –, gemeinsam, parteiübergreifend und, was in diesen Fragen ganz wichtig ist, auch staatsgrenzenübergreifend zusammenzuarbeiten, wenn es um unsere Freiheit, um unseren Frieden geht. Das sind unsere Werte, für die wir eintreten. (Anhaltender Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS.)

15.56

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Petra Ste­ger. – Bitte, Frau Abgeordnete.