16.30
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Herren! (Abg. Hafenecker: Das hätte der Herr Sobotka ...!) Geschätzte Damen und Herren, Zuseherinnen und Zuseher! Vor ungefähr zwei Wochen, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, sind bei der letzten Nationalratssitzung gegen Ende der Sitzung Vertreter der Regierungsparteien zu mir gekommen und haben gesagt: Wir würden angesichts der immer größeren Katastrophe im Osten Europas eine Sondersitzung machen – angesichts der immer größeren Katastrophe durch diesen Krieg und der zu dieser Zeit, glaube ich, bekannt gegebenen Teilmobilmachung, die eigentlich eine Vollmobilmachung zu sein scheint –, denn der Bundeskanzler möchte und will unbedingt eine Regierungserklärung zu diesem Thema abgeben und der Vizekanzler ebenso!
Ich habe mir gedacht, ja, selbstverständlich, da wird es notwendig sein – wie auch Kollege Stocker gemeint hat –, im Parlament mit dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler zu diskutieren. Die Frage, die sich mir jetzt aber stellt – Frau Bundesministerin, bitte das nicht falsch zu verstehen, es ist gut, wenn Sie den Herrn Bundeskanzler vertreten, Sie tun das sehr oft und sehr gut, manche in Ihren Kreisen meinen sogar, ab und zu etwas zu gut –: Wenn der Herr Bundeskanzler eine eigene Regierungserklärung abgeben möchte, wo ist er dann? Wo ist er, der Herr Bundeskanzler, geschätzte Damen und Herren? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Warum ist er nicht da (Zwischenruf des Abg. Martin Graf), wenn er selbst eine Regierungserklärung abgeben möchte? (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist schon einmal die Frage, die man stellen muss, und ich glaube, die kann man so oder so beantworten. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Vielleicht hat er keine Erklärung für die ganzen Probleme, die wir derzeit in Österreich haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Rauch.) Vielleicht hat er keine Erklärung, was die Teuerung betrifft. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Vielleicht hat er keine Erklärung, was die Energieversorgung betrifft. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Vielleicht hat er keine Erklärung für die Sorgen der Menschen in diesem Land und ist deshalb lieber bei Herrn Orbán in Ungarn, wo er vielleicht eh nicht so schlecht hinpasst, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich habe ja noch eine These, wieso wir überhaupt da sind und der Bundeskanzler nicht kommt (Abg. Rauch: Die Kathi hat die Sitzung einberufen!): Vielleicht ist die ganze Sitzung nur vorgeschoben, weil die Bundesregierung es seit April nicht zustande gebracht hat, ein Gesetz, das notwendig ist und das wir jetzt mit dem nächsten Tagesordnungspunkt beschließen, bei einer regulären Sitzung beschließen zu lassen, und wir jetzt eine Sondersitzung dafür brauchen. Vielleicht ist das der Grund (Zwischenrufe bei der ÖVP), und das zeigt, in welcher Verfassung diese Bundesregierung ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Das sieht man nicht nur da, das sieht man ja auch bei der Energiepolitik und bei der Antiteuerungspolitik. Herr Lopatka hat vorgerechnet, wie viele Milliarden Sie schon ausgegeben haben. Ausgeben kann man schnell einmal etwas, Kollege Lopatka, nur, es muss auch dort ankommen, wo man es braucht (Abg. Lopatka: Das wissen die Sozialdemokraten ...!), und das passiert bei den Ausgaben, die Sie tätigen, überhaupt nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Seit Monaten warnen wir vor diesen Preissteigerungen – seit Monaten! Der Herr Vizekanzler hat uns eine Zeit lang als Preishysteriker bezeichnet. Inzwischen sieht er es hoffentlich selber ein, dass das nicht Hysterie war. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.) Seit Monaten wollen wir, dass diese Preise, die ins Unermessliche geschossen sind, die nicht mehr handhabbar sind, endlich gedeckelt werden.
Wir haben – da habe ich mich eigentlich gefreut – die Energiesprecherinnen und Energiesprecher zu einem Termin geladen, sie eingeladen, mit uns über ein Modell zu diskutieren, das unseres Erachtens sehr vernünftig ist, nämlich den Gaspreis durch staatliche europäische Investitionen zu deckeln und das Gas dann zu einem vernünftigen Preis weiterzugeben. Es hat tatsächlich ein erstes Treffen gegeben, aber was wir dann gehört haben, war, muss ich leider sagen: Wir haben keine Zeit! Es geht ja eh nicht! Es ist nicht machbar!
So geht halt auch das, was Sie angesprochen haben, Frau Bundesministerin, die Zusammenarbeit im Parlament, nicht so gut. Es wäre besser gewesen, dieser Termin hätte vielleicht doch stattgefunden und wir hätten weiter über vernünftige Maßnahmen diskutieren können, aber immer nur zu hören, dass etwas nicht geht: Das kann halt nur eine Regierung sagen, die ständig nur beobachtet und nicht handeln will, geschätzte Damen und Herren! Das ist nämlich das Problem, vor dem wir stehen. (Beifall bei der SPÖ.)
Dann kommt plötzlich eine Regierung daher wie die deutsche und führt diesen Gaspreisdeckel ein (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das macht ja Sinn, das zu tun, diesen Gaspreisdeckel einzuführen, weil dann der Gaspreis (Vizekanzler Kogler: Ja, die schauen sich unser Modell an!) und der Strompreis runtergehen werden. Es geht ja nicht darum, wer am Ende recht hat. Es geht - - (Vizekanzler Kogler: Die machen ja unser Modell, die haben ja noch gar nichts!) – Was für ein Modell haben Sie, Herr Vizekanzler? Sie haben in Ihrem Leben noch nie eines vorgestellt! (Vizekanzler Kogler: Ja, die Stromkostenbremse!) Und Frau Gewessler fährt ohne Plan nach Brüssel – so schaut es in Wahrheit aus. Also jetzt von Ihrem Modell zu reden, ist meines Erachtens sehr, sehr verwegen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.)
Was es auch sonst in ganz Europa nirgends gibt – was es nirgends gibt! –: Es sind jetzt 10,5 Prozent Inflation, und statt irgendwie zu versuchen, das runterzubringen, heizt ihr das auch noch an. Das ist ja das, was ihr mit der CO2-Steuer macht, die hat ja bei diesen enormen Höhen, die es derzeit gibt, längst keinen Lenkungseffekt mehr. Ihr seid die einzige Regierung in ganz Europa, die auf diese Inflation (Vizekanzler Kogler: Die Deutschen haben ...!) noch zusätzlich etwas draufsetzt. Das muss man wirklich einmal zusammenbringen, das ist ja unglaublich! (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn man schon auf die Sorgen der Menschen, die täglich einkaufen gehen, die tanken müssen, die es sich nicht aussuchen können, ob sie mit dem Auto fah-ren oder nicht, keine Rücksicht nimmt, dann sollte man zumindest wirtschaftspolitisch ein bisserl weiter denken als bis zum nächsten Tag. (Zwischenruf des Abg. Egger.) Wenn der Gaspreis in den Vereinigten Staaten ungefähr 20 Euro und bei uns 200 Euro beträgt, wird sich das auf Dauer für unsere Industrie nicht ausgehen, und wenn es sich für unsere Industrie nicht ausgeht, geht es sich für 100 000 und mehr Arbeitsplätze nicht aus. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Kogler.) Es wird sich nicht nur für unsere Industrie nicht ausgehen, es wird sich für alle nicht ausgehen.
Ich habe vor Kurzem mit einem Wirt in Wien gesprochen. Der hat derzeit 60 000 Euro Energiekosten im Monat – 60 000 Euro! Er sagt, so wie er das sieht, wird er nächstes Jahr 600 000 Euro haben. Das heißt zusperren und 23 Menschen weniger in Beschäftigung. Das ist die Politik, die ihr zu verantworten habt (Vizekanzler Kogler: Das ist ein Blödsinn!), ganz einfach ist das. (Zwischenruf des Abg. Egger.) Wenn man nichts gegen die hohen Preise tut, sind das die Folgen, und das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir werden deshalb einen Entschließungsantrag einbringen – vielleicht ist es ja doch ein Ansatz, darüber nachzudenken, ob da auch die Regierung mitgehen kann –, der folgendermaßen lautet:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Vorbereitung eines nationalen Gaspreisdeckels bzw. einer Gaspreisbremse“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird – angesichts der aktuellen Entwicklungen in Deutschland – aufgefordert sofort mit den Vorbereitungshandlungen für einen nationalen Gaspreisdeckel bzw. eine nationale Gaspreisbremse zu beginnen“ – also ihr könnt wenigstens einmal mit den Vorbereitungen beginnen! – „und dem österreichischen Nationalrat so schnell wie möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der geeignet ist die Preise für Strom- und Gas für Haushalte, Wirtschaft und Industrie erheblich zu senken.“
*****
Geschätzte Damen und Herren von der Bundesregierung, ihr habt lange genug beobachtet. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, dann wird das schlecht ausgehen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
16.38
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Jörg Leichtfried,
Genossinnen und Genossen
Betreffend: Vorbereitung eines nationalen Gaspreisdeckels bzw. einer Gaspreisbremse
eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 Erklärungen des Vizekanzlers und der Bundesministerin für EU und Verfassung gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Maßnahmen in der Sicherheits-, Energie- und Wirtschaftspolitik in Europa und insbesondere in Österreich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine
Die Bundesrepublik Deutschland hat letzte Woche eine, in der jüngeren Geschichte beispiellose, staatliche Intervention mit Preisobergrenzen für Gas- und Strom angekündigt. Die Deutschen werden 200 Milliarden Euro investieren, um die Preise für Strom- und Gas massiv zu senken und zwar für die Menschen und die Wirtschaft. Die Summe entspricht 40% des deutschen Bundesbudgets und mehr als 5% des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Es ist ein beispielloser Eingriff des Staates und zeigt, dass bei entschlossenem Eingriff in den Markt die Preise sehr wohl gesenkt werden können.
Mit diesem Schritt Deutschlands sollte klar sein: Die von Vielen ersehnte europäische Lösung zur Deckelung der Energiepreise wird es entweder gar nicht, zu spät oder eben nicht mit der nötigen Konsequenz geben.
Die österreichische und die deutsche Wirtschaft sind seit Jahrzehnten eng mit einander verwoben. Schon vor der Einführung des Euros haben wir unsere Währung an die D-Mark geknüpft. 30% der österreichischen Exporte gehen nach Deutschland.
Nach der deutschen Entscheidung ist daher völlig klar: Wir brauchen einen Gaspreisdeckel auch für Österreich. Wenn wir das nicht tun, dann kommt es zu einer beispiellosen Abwanderung der österreichischen Industrie und dabei kann niemand mit Verantwortung tatenlos zusehen.
Die SPÖ hat seit Wochen einen solchen, entschlossenen Markteingriff gefordert.
Die Politik von Gutscheinen und Einmalzahlungen zur Bekämpfung der Inflation ist gescheitert. Wenn sich die österreichische Regierung das nicht eingesteht und endlich – wie in Deutschland – einen entschlossenen Eingriff mit Preisobergrenzen für Strom und Gas vornimmt, dann gefährden wir die österreichische Wirtschaft – von der Gastronomie, über den Bäcker bis hin zu unseren großen industriellen Leitbetrieben. Damit stehen in Österreich hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Uns allen wäre eine europäische Lösung natürlich lieber, aber selbst Deutschland glaubt nicht mehr daran oder zumindest nicht an eine Lösung, die rechtzeitig kommt, um irreparable Schäden von der deutschen Wirtschaft abzuwenden.
Wir fordern die österreichische Bundesregierung daher auf sofort mit den Vorbereitungsarbeiten für einen nationalen Gaspreisdeckel zu beginnen. Wir können es uns nicht leisten Monate hinter der deutschen Entwicklung hinterherzuhinken. Die SPÖ hat einen Gaspreisdeckel vorgeschlagen, der uns in Österreich 9 Milliarden Euro kosten würde – das deutsche Modell würde inkl. der deutschen Strompreisbremse umgerechnet auf Österreich etwa 20 Milliarden Euro kosten. Gleichzeitig sollen Anreize zur Reduktion des Gasverbrauchs erhalten bleiben. Die Bundesrepublik Deutschland steht nicht im Verdacht aus Jux und Tollerei so viel Geld auszugeben. Deutschland hat erkannt, dass es noch viel teurer wäre nichts zu tun. Es gibt für eine Volkswirtschaft nichts Teureres, als hunderttausende Arbeitsplätze zu verspielen. Aber genau das wird in Österreich passieren, wenn wir nicht sofort handeln.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird – angesichts der aktuellen Entwicklungen in Deutschland - aufgefordert sofort mit den Vorbereitungshandlungen für einen nationalen Gaspreisdeckel bzw. eine nationale Gaspreisbremse zu beginnen und dem österreichischen Nationalrat so schnell wie möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der geeignet ist die Preise für Strom- und Gas für Haushalte, Wirtschaft und Industrie erheblich zu senken.“
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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.
Zu Wort gelangt nun Abgeordneter Lukas Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.