16.54

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Mag. Dr. Martin Kocher: Herr Präsi­dent! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Werte Abgeordnete! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Wir erleben den ersten Angriff auf eine souveräne Re­publik in Europa seit 1945. Das ist 500 Kilometer vor unserer Haustür. (Abg. Kickl: Ach bitte! Da haben Sie aber einiges verschlafen! – Abg. Stefan: Wirklich? Am Balkan? – Abg. Kickl: Und in Belgrad? Das war nichts? – Abg. Belakowitsch: Hat der Balkan nicht zu Europa gehört?) Dann werden wir Gegenbeispiele gerne hö­ren. Es ist tatsächlich der erste seit 1945. Das war ein Krieg innerhalb eines Landes, aber darüber können wir - - (Abg. Kickl: Ach wirklich? Die amerikanischen Bomben auf Belgrad, das war ein Krieg innerhalb eines Landes? – Ruf bei der FPÖ: Die US-Luftwaffe war Teil der kroatischen Armee! – Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es war ein Angriff auf ein Land, das 1991 mit über 90 Prozent für seine Unab­hängigkeit gestimmt hat – übrigens auch in den Regionen, die jetzt von der Annexion durch Russland bedroht sind. (Abg. Belakowitsch: Da ist aber einiges passiert in der Zwischenzeit!) Ich glaube, das ist eine Zäsur, die wir da erleben, und es wird vieles nicht mehr so werden, wie es vor dem 24.2.2022 der Fall war. (Abg. Belakowitsch: Bei uns auch nicht dank Ihrer ...!)

Europa hat auf diesen Angriffskrieg reagiert. Es hat klug reagiert. Es gab ganz klar die europäische Antwort, was rote Linien und die Sanktionen betrifft. (Abg. Belakowitsch: Wie war das mit den Klein- und Großverdienern? Wollen Sie das einmal erklären? – Ruf bei der ÖVP: Jetzt hören Sie doch zu und schreien Sie nicht immer hinein!) Es war auch klar, dass man sich nicht in einen Krieg hineinziehen lässt, aber es ist auch klar, dass es sowohl wirtschaftliche als auch moralische Voraussetzungen gibt, um auf eine solche Aggression zu reagieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Bitte reden Sie nicht von Moral!)

Stellen wir uns vielleicht einmal kurz vor, wie wir uns als Österreicherinnen und Österreicher gefühlt hätten, wenn 1956 die Panzer aus Budapest weiter Rich­tung Wien gefahren wären oder 1968 die Panzer aus Prag! Ich glaube, dass eine gewisse Solidarität mit der Ukraine auf jeden Fall für jeden hier angebracht ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS. – Abg. Kickl: Sie sind aber nicht gefahren! Und jetzt fragen Sie einmal, warum! – Ruf bei der ÖVP: Und Sie hören einmal zu! – Abg. Kickl: Sie sind nicht gefahren! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Wir kommen zu den Sanktionen. Es wurde schon erwähnt, es gibt sieben Sank­tionspakete: sechs und ein halbes siebtes. Was machen diese Sanktionen? – Sie machen zwei Dinge. Es sind Sanktionen gegen Individuen, die im Umfeld der Elite, der russischen Elite, von diesem Krieg profitieren (Abg. Belakowitsch: Für Österreich ...!) – dagegen kann niemand etwas haben –, und es sind Sanktio­nen, die die Möglichkeit Russlands einschränken, weiter Krieg zu führen: auf Hochtechnologie, auf militärische Güter, auf Dual-Use-Güter. Auch dage­gen kann niemand etwas haben, weil alles, was wir hier nicht tun würden, zu mehr Leid, zu mehr Zerstörung und zu mehr Vernichtung in der Ukraine führen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wie wirken sich nun die Sanktionen auf Russland und auf die Europäische Union aus? – Einige haben es schon gesagt: Die russische Wirtschaft wird dieses Jahr um 3 Prozent schrumpfen – das sind die optimistischen russischen Selbstpro­gnosen –, um bis zu 12 Prozent, das sind die Prognosen aus dem Internationalen Währungsfonds. Es wird also ein Schrumpfen um 3 bis 12 Prozent geben. (Abg. Belakowitsch: Das wünschen Sie sich!)

Ungefähr 1 100 internationale Firmen haben Russland verlassen. Die haben ungefähr 30 Prozent der Beschäftigten von Russland beschäftigt. (Abg. Belakowitsch: Unglaublich!) Es gibt einen Braindrain. Viele junge Leute verlassen Russland. Die Sanktionen treffen Russland wirtschaftlich hart.

Was passiert derzeit in der Europäischen Union? (Abg. Belakowitsch: Auch wirt­schaftlich hart! – Abg. Wurm: Lose-lose nennt man das!) – Ja, es gibt massive Folgen. Allerdings wächst die Wirtschaft in der Europäischen Union dieses Jahr um 2,7 Prozent, und in Österreich wird sie – die neuen Prognosen werden diese Woche präsentiert – nach den letzten Prognosen um 4 Prozent wachsen. (Abg. Belakowitsch: Wie war das mit ... Prognosen? Wie oft haben Sie die revidie­ren müssen?)

Natürlich führen die Sanktionen auch in Österreich zu Verwerfungen. Deshalb ist es so wichtig, darauf zu reagieren.

Jetzt geht es um die Teuerung, die zum Teil, zu einem kleinen Teil, auf die Sanktionen zurückzuführen ist, zum Großteil auf die schwierige geopolitische Lage. Das hat mit den Sanktionen sehr wenig zu tun. Es wurde schon er­wähnt, dass die Sanktionen nicht auf Erdgas wirken. Trotzdem ist der Erdgas­preis besonders stark gestiegen. Also das ist der Punkt. Drittens hat die Teuerung auch andere Gründe.

Der erste Punkt ist, alles zu tun, um die Energieversorgungssicherheit in Österreich herzustellen. (Abg. Belakowitsch: Ist sie nicht gegeben, wenn Sie sie herstellen müssen?) Wir haben heute einen Speicherstand von 79,77 Pro­zent (Abg. Leichtfried: Haben Sie schon gesagt!), Kollege Hammer hat das schon ge­sagt. Es gibt eine Reihe von anderen Maßnahmen. (Präsident Sobotka über­nimmt den Vorsitz.)

Der zweite Schritt ist, jetzt akut all jenen zu helfen, die besonders betroffen sind. Einige Maßnahmen wurden vom Vizekanzler und von der Europaministerin schon angesprochen: die Strompreisbremse, der Antiteuerungsbonus, der Klima­bonus, Einmalzahlungen, ein Absetzbetrag, eine Reihe von weiteren Maß­nahmen, die viele gleichstellen wie vor der Teuerung und einige, die mehr haben, die mehr verdienen, auch nicht gleichstellen können, weil das nicht ganz mög­lich ist.

Auf der Seite der Unternehmen wurde neben der Strompreiskompensation der Energiekostenzuschuss beschlossen. Es gibt eine Erhöhung des Pendler­pauschales. Es gibt die Vervierfachung des Pendlereuros – wir vergessen das so schnell –, die Reduktion der Besteuerung auf Energie und auf Gasleitungen, also eine Reihe von Maßnahmen, die jetzt auch abfedern, natürlich nur abfedern können, aber uns eben jetzt über diese schwierige Phase bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der Energiekostenzuschuss wird auf alle Unternehmen anwendbar sein. (Abg. Kickl: Wie lange wird denn die schwierige Phase dauern?) Wir werden im Rah­men dieses Paketes einen Teil der Mehrkosten für Unternehmen in allen Größen abfedern können. (Abg. Belakowitsch: ... Wettkampf, wer der nächste Kanzler wird! – Abg. Loacker: ... Gießkanne!) Es wird für die ganz Kleinen Speziallösungen geben, es wird auch für diejenigen, die es besonders schwer haben – wir re­den von einer Verfünffachung der Energiekosten! –, die aber vielleicht nicht ganz so energieintensiv arbeiten, trotzdem eine kleine Unterstützung geben. (Zwi­schenruf des Abg. Hafenecker.) Ich glaube, dass angesichts der disruptiven Entwick­lung, die wir erleben, eine Förderung für unsere Unternehmen absolut ge­rechtfertigt ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Ich teile die Befürchtung, die die Frau Klubobfrau der NEOS am Pult auch geäußert hat, dass wir mit diesen hohen Energiekosten auf Dauer die europäi­sche Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Umso wichtiger ist es jetzt, gemein­sam – auch der Herr Vizekanzler hat es gesagt, die Frau Europaministerin hat es gesagt, der Bundeskanzler setzt sich massiv dafür ein – auf europäischer Ebe­ne zu einer Entkoppelung von Strom- und Gaspreis zu kommen, um damit die Preise zu senken (Abg. Leichtfried: Ja, das ist aber neu! Das war Monate ganz an­ders! Da gibt es Protokolle dafür! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), und das ist nicht das gleiche Modell, das angesprochen wurde. (Ruf bei der ÖVP: ... schrei­en dauernd dazwischen, dann hören sie das nicht! Hören Sie zu!)

Preise durchwegs runter!, das ist zwar eine schöne Forderung, ist aber Wunsch­denken, das sich in einer Marktwirtschaft nicht umsetzen lässt. (Ruf bei der SPÖ: Ach so, genau! Weil? In anderen Ländern doch ...!) Wir müssen klug dort ein­greifen, wo eine Preisreduktion möglich ist, nämlich dort, wo die Preise im Moment über die Verstromung von Gas besonders stark nach oben getrieben werden. Das wird auf europäischer Ebene notwendig sein, wir werden uns weiter dafür einsetzen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Leichtfried: Wieso wei­ter? Habt ihr ja noch nie! Wieso weiter einsetzen, Herr Bundesminister? Habt ihr ja noch nie gemacht!)

Ich glaube, dass diese Zeiten, die durchaus für viele schwierig sind, ein Anlass sein sollten, bei diesen Fragen auch gemeinsam an dieser Entkoppelung zu arbeiten. (Abg. Leichtfried: Ja, so wie ... Energiesprecher der Regierungsparteien! Ge­nau!) Ich hoffe sehr, dass wir dafür Partner finden, und genauso natürlich auch dafür, wenn wir daran arbeiten, dass wir die Lage in der Ukraine befrieden. Alle wollen Frieden, alle wünschen sich Frieden. (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) Das ist natürlich das, was wir alle wollen, aber im Moment müssen wir in Österreich und in Europa die Folgen dieses schrecklichen Angriffskriegs abfe­dern. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

17.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. Bitte sehr, bei ihr steht das Wort. (Abg. Leichtfried: Das war von den drei Regierungsmitgliedern nicht die beste Rede!)