17.43

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherin­nen und Zuseher auf der Galerie! Der 24. Februar 2022 hat die Welt verändert. Seither erschüttert ein brutaler, ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, den Wladimir Putin gegen die Ukraine führt, unseren Kontinent.

Wenn wir heute über diesen Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, sprechen, wenn wir heute über die Folgen dieses Krieges sprechen und sie auch in den Mittelpunkt unserer parlamentarischen Debatte rücken, dann reden wir nicht über irgendwelche abstrakten Geschehnisse, dann reden wir nicht über ir­gendwelche abstrakten Berichte. Fakt ist: Seit dem 24. Februar geht es für die Menschen in der Ukraine um Leben und Tod, und das tagtäglich. Es geht um nichts anderes als um das Überleben ihrer Familien und das Überleben ihrer Heimat. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Während vieles, was in der Ukraine passiert, sehr schmerzhafte Erinnerungen an den Jugoslawienkrieg der 1990er-Jahre wachruft, ist eines neu: Wir sind in Echtzeit dabei. Wir können live zusehen. Was früher Radio, Fernsehen und Zei­tungen zeitverzögert übertragen haben, das zeigen heute soziale Medien, Chatgruppen und Liveschaltungen in Echtzeit – schneller, härter und ungefilter­ter. Wir sehen Bilder, die Kriegsverbrechen dokumentieren. Städte werden dem Erdboden gleichgemacht wie zum Beispiel hier (ein Foto, worauf die Ruine ei­nes zerbombten Wohnhauses und die ukrainische Fahne, die aus dem zerbomb­ten Mauerwerk weht, abgebildet sind, in die Höhe haltend) die Stadt Mariupol. (Abg. Brandstätter: Schrecklich!) Wir sehen Fotos von Massengräbern in Butscha und in Isjum (ein Foto, auf dem mehrere Grabhügel, Holzkreuze und Männer in blau­en Schutzanzügen mit Schaufeln abgebildet sind, in die Höhe haltend) wie hier. Das ist nicht abstrakt, das ist ganz real, keine 500 Kilometer von hier entfernt.

Erst vor wenigen Tagen sind die Exhumierungen in Isjum beendet worden. 447 Menschen, fast die Hälfte davon Frauen, viele gefoltert, mit gebundenen Händen. „Einiges aus diesem Folterkatalog möchte ich hier nicht einmal benennen.“ Das schreibt Katja Petrowskaja heute in der „Frankfurter Allgemei­nen Zeitung“. Sie schreibt weiter: „Nur 22 der Opfer waren Soldaten, alle anderen Zivilisten. Auch fünf Kinder fanden sich in diesem Grab. Einige Familien wurden identifiziert, einige Körperteile konnte man nicht einmal ‚zusammensetzen‘.“

Wenn wir heute über Putins Krieg sprechen, dann sprechen wir über Kinder. Wir sprechen über Schwestern, über Mütter, wir sprechen über Brüder, über Väter, über Großeltern, die verhaftet, gefoltert, vergewaltigt, massakriert und brutal hinge­richtet werden, und wir sollten uns daran erinnern: Es könnten auch unsere Kinder, unsere Schwestern, unsere Mütter, unsere Väter, unsere Brüder und unsere Großeltern sein. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Wladimir Putin führt einen rücksichtslosen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie jedes andere Land auf dieser Welt hat auch die Ukraine ein Recht auf Selbst­verteidigung. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, stellen sich gegen die­ses Recht auf Selbstverteidigung. Sie lehnen die EU-Sanktionen gegen Russ­land ab. Sie stellen sich auch gegen die militärischen Hilfen für die Ukraine und damit einmal mehr direkt an die Seite von Putin. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Fürst und Belakowitsch. – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Quatsch!)

Sie wollen, dass wir die Ukraine wehrlos dem Aggressor überlassen, einem Dik­tator, der Verwüstung, Leid und Tod über dieses Land bringt (Abg. Hafen­ecker: Der hat auf Sie gewartet ...! Genau auf Sie!), einem Despoten, der die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes als Kanonenfutter in den Tod schickt, der nach Scheinreferenden die Annexion ukrainischer Gebiete verkündet und offen mit dem Einsatz von Atomwaffen droht. Sie wollen, dass wir die Ukraine diesem Despoten überlassen. Ich will das nicht. Wir im österreichischen Parlament wol­len das nicht. Europa will das nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordne­ten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: ... Wissenschaftsleugner!)

Das Hohe Haus, das österreichische Parlament und Europa – wir stehen Seite an Seite mit den mutigen Ukrainerinnen und Ukrainern, die ihr Land tagtäglich verteidigen. (Abg. Wurm: Seite an Seite? Nein, Sie sitzen in Österreich!) Wir stehen auf der Seite der couragierten Demonstrantinnen und Demonstranten in Russland (Abg. Belakowitsch: Nein, das macht ihr eben nicht!), die jeden Tag gegen Putins Krieg und für den Frieden auf die Straße gehen. Wir stehen auf der Seite derer, die in einem Krieg von diesem Despoten nicht als Kanonenfutter missbraucht werden und den Tod finden wollen.

All diese Menschen riskieren ihre Freiheit, sie riskieren ihr eigenes Leben. Wir sehen das, wir stehen an ihrer Seite und wir verneigen uns vor ihrer Courage und vor ihrem Mut. Das tun wir heute im Hohen Haus. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Abg. Belakowitsch: Aber Sie sind nicht mu­tig!) – Frau Belakowitsch, wenn Sie etwas zu sagen haben, melden Sie sich gerne zu Wort!

Auf der anderen Seite stehen Tod, Schmerz, Zerstörung, eine drohende globale Hungersnot und ein skrupelloser Diktator, der all das verantwortet. Ich muss Sie, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, erst gar nicht fragen, auf wel­cher Seite Sie stehen, denn ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ich habe es Ihnen mitgebracht. Wir erinnern uns alle daran (ein Foto, auf dem Karin Kneissl in ihrem Hochzeitskleid, einen Knicks vor Wladimir Putin machend, abgebildet ist, in die Höhe haltend), wie FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl (Abg. Belako­witsch: Falsch! Auch falsch!) vor Putin auf die Knie gefallen ist. (Ruf bei der FPÖ: Da war der Kurz auch dabei!) Die Freiheitliche Partei liegt dem russischen Diktator wortwörtlich zu Füßen (Ruf bei der FPÖ: Haben Sie jemals einen Tanzkurs ge­macht?) und apportiert brav die Propaganda, die vom Kreml gestreut wird, direkt nach Österreich hinein. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Wer jetzt, so wie die FPÖ, ein Ende der EU-Sanktionen fordert, der bestärkt Putin in seinen Expansionsplänen. Wir müssen genau das Gegenteil davon tun, und wir werden das auch weiterhin machen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

17.49

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Brandstätter. – Bitte.