18.42

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Es geht mit den Sanktionen weiter. Ich werde Sie jetzt wahrscheinlich ein bisschen verwirren, aber das ist so, weil die Bundesregierung und die Europäische Union so agieren, dass man nur verwirrt sein kann.

Ich werde jetzt nicht allgemein auf die Sanktionen und auf die ganze Polemik eingehen, die da abgelaufen ist, etwa den Hinweis der völlig einseitigen Propaganda. Es gibt ja immer nur von einer Seite Propaganda – das lehrt die Geschichte.

Ich will darauf eingehen, was jetzt hier auf der Tagesordnung steht: eine Verfas­sungsbestimmung. Wir müssen heute die Kompetenzverteilung in Öster­reich – also die Bestimmung, welche Kompetenzen der Bund hat und welche die Länder haben – ändern. Das ist ein extrem heikles Thema, an dem schon viele Minister und viele Regierungen gescheitert sind, aber da wird das natürlich mög­lich.

Worum geht es? Am 8. April dieses Jahres wurde eine weitere Sanktion ver­hängt. Diese Sanktion hat besagt, dass öffentliche Aufträge, öffentliche Vergaben bis zum 10. Oktober, also bis in einer Woche, weitergeführt werden dürfen, auch wenn da Unternehmen beteiligt sind, die mehrheitlich in russi­scher Hand sind. Heute, am 3. Oktober, müssen wir nun eine Verfassungsbe­stimmung beschließen – und ich werde Ihnen jetzt gleich sagen, wie es da weitergeht.

Das heißt, am 9. April wird eine Verordnung erlassen. Wie funktioniert so etwas? Wie wird so eine Verordnung auf europäischer Ebene erlassen? Sie werden wahrscheinlich annehmen, dass der österreichische Staat da eingebunden ist, dass jene Stellen in Österreich, jenes Ministerium, dass das später einmal durchführen soll, mit eingebunden ist. – Nein! Eine solche Verordnung wird ganz heimlich, weil das ja so geheim ist, verhandelt und dann wird sie am 9. April erlassen, und das Bundesministerium für Justiz, das das umsetzen soll, erfährt durch Zufall am 15. April davon. Die sind also nicht einmal eingebunden in das, was sie durchsetzen sollen, und erfahren am 15. April, was sie tun sollen.

Was sollen sie machen? Sie sollen klären, wer bei diesen öffentlichen Aufträgen einen russischen Hintergrund hat; und wer einen solchen Hintergrund hat, kann dann einen Antrag auf eine Sondergenehmigung stellen, über den die Jus­tizministerin dann entscheiden soll.

Heute ist aber schon der 3. Oktober, und jetzt beschließen wir, dass wir alle Un­ternehmen, die öffentliche Aufträge haben – im Zuge einer öffentlichen Ver­gabe –, selbst prüfen sollen, ob sie vielleicht letztendlich als wirtschaftliche Eigentümer Russen haben. Das klingt jetzt so einfach, aber Sie wissen doch ganz genau – oder vielleicht wissen es wenigstens manche –, wie schwierig das sein kann, wenn man in einem Konzern ist, wenn man mit anderen Ge­sellschaften zusammenarbeitet, wenn es Arbeitsgemeinschaften gibt, die gemeinsame Gesellschaften gründen. Dann kann es passieren, dass man als ausführendes Unternehmen nicht mehr genau weiß, wer letztendlich der wirtschaftliche Eigentümer ist.

Diese Bürde wird jetzt unter der Strafandrohung der Sanktionsverletzung den Unternehmen zugeschanzt. Die müssen das jetzt, und zwar ab 10. Okto­ber – sie haben also ab heute noch immerhin eine Woche Zeit –, prüfen und müssen dann selbst feststellen, ob sie so einen Hintergrund haben, dies dann melden, und dann kann die Ministerin entscheiden, ob das nun genehmigt wird oder nicht.

Ein unglaublicher Vorgang, wie der Staat hier mit den Bürgern umgeht! Man sieht also nicht nur, dass die Republik massiven Schaden durch die Sanktionen erleidet, sondern man sieht auch, wie damit umgegangen wird, wie das funk­tioniert: Am 9. April wird die Verordnung auf europäischer Ebene erlassen, ohne unsere Einbindung, am 3. Oktober wird extra eine Sondersitzung gemacht, da­mit wir überhaupt einmal diese Sanktion umsetzen, und dann wird das den Unternehmen umgehängt, die dann schauen müssen, wie sie damit umgehen sollen.

Das ist die Art und Weise, wie mit der österreichischen Wirtschaft in Wirk­lichkeit umgegangen wird. Und da steht dann natürlich im Raum, dass die Wirtschaft massiv geschädigt wird. (Zwischenruf des Abg. Schwarz.) Was machen diese Unternehmen jetzt? Haben die alle riesige Rechtsabteilungen, die das jetzt prüfen? Müssen sie jetzt mit der Angst leben, dass sie vielleicht unter eine Strafdrohung fallen und dann Strafe zu bezahlen haben oder dass die Füh­rungsfunktionäre möglicherweise sogar wirkliche strafrechtliche Probleme ha­ben? – So wird mit der Wirtschaft umgegangen. Da versteht man, dass die Industrie Angst vor einer Deindustrialisierung Österreichs hat, denn: Was wird denn passieren? – Die Unternehmen werden dorthin abwandern, wo sie besser behandelt werden und wo es besser zugeht. Das ist die Tatsache.

Was passiert weiters? – Wir ändern jetzt plötzlich auch die Kompetenzvertei­lung. In Wirklichkeit sind das oft Länderangelegenheiten, wenn es bei der Vergabe um diese Sanktionen geht, im Bauwesen klassischerweise. Mit welcher Argumentation wird das jetzt geändert? – Es wäre zu befürchten, dass das von den Ländern unterschiedlich angewendet wird. Ja, aber das ist ja das Wesen des Föderalismus, dass Länder Dinge eben unterschiedlich anwenden! Des­wegen haben wir das in dieser Republik ja so vereinbart, dass wir sagen: Es gibt Bereiche, wo die Länder es besser machen, und deswegen ist das dann Ländersache.

Jetzt plötzlich schalten wir diese Argumentation aus. Ich weiß nicht, warum die ÖVP, die ja normalerweise großes Interesse an diesem Föderalismus hat, da einfach so mitspielt. Wir schalten das jetzt aus – nur befristet bis Ende 2023, denn ganz sicher ist man sich nicht, ob man da jetzt wirklich das Richtige macht. Wir schalten das jetzt mit einer Argumentation aus, die man immer gegen den Fö­deralismus anwenden könnte, denn es besteht ja immer die Gefahr, dass unter­schiedlich reagiert wird.

Das alles ist Folge dieser Sanktionen. Es gilt bei uns gar nichts mehr. Es gilt, das haben wir schon mitbekommen, zum Teil natürlich die freie Meinungsäuße­rung nicht mehr, aber jetzt wird auch noch die Kompetenzverteilung massiv beschnitten. Es ist erschütternd, wie da vorgegangen wird. Das Vertrauen in die Republik ist für mich wieder einmal schwer beschädigt; und die Angst, dass die Wirtschaft und die Industrie dadurch noch mehr beschädigt werden, ist sehr groß.

Denken Sie also noch einmal nach, vor allem in der ÖVP! So kann man mit unse­rer Wirtschaft nicht umgehen! (Beifall bei der FPÖ.)

18.49

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Dro­bits. – Bitte.