13.20

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn Sie heute zuhören, dann denken Sie sich vielleicht: Diese arme Bundesregierung, jetzt hat sie schon so viele Probleme, und dann wollen noch so viele Menschen auf dem Weg über die Westbalkanroute zu uns kommen. – Wenn man sich aber die Fakten ansieht, dann lässt sich das Problemfeld eingrenzen. Für dieses lässt sich klar sagen: Das hat die ÖVP durch Versagen und falsche Loyalität in den letzten zehn Jahren zu verantworten.

Ein Problem sachlich einzugrenzen ist jetzt nicht wirklich die Stärke der FPÖ. Die FPÖ will aus diesen durch die ÖVP entstandenen Problemen heute viel lieber Profit schlagen, deswegen der Titel dieser Dringlichen Anfrage.

Beginnen wir aber mit dem Falsifizieren der FPÖ-Hysterie: Im Titel findet sich der Begriff „Asylantenansturm“. Zunächst zum Wort Asylant: Die FPÖ tut so, als kämen so viele ohne Bedarf an Schutz. (Abg. Hafenecker: Ja, das sagen sie ja selber! –  Abg. Kickl – in Richtung Bundesminister Karner –: Das hat er ja gesagt! – Abg. Hafenecker: Ein Minister wird ja nicht lügen! – Abg. Belakowitsch: Na ja!)

Sie, Minister Karner, helfen der FPÖ mit Ihrem Verwirrspiel. Fakt ist aber laut Ihren Zahlen: Die Top zwei Antragsteller sind nach wie vor Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan und Syrien. Alleine sie machen gemeinsam 40 Prozent der Asyl­suchenden aus und brauchen evident Schutz. (Abg. Amesbauer: Frage: Ist Krieg ein Asylgrund? – Abg. Kickl: Aber warum sind die bei uns?)

Die FPÖ redet von Ansturm, es gebe so unfassbar viele Asylanträge. Auch diese hysterische Argumentation verdanken wir Ihrem unredlichen Tun, Herr Innen­minister, denn Sie referenzieren als relevante Größe auch immer auf die Asylan­träge. (Abg. Hafenecker: Hundert am Tag!)

Die haben aber keine Aussagekraft, ich sage es Ihnen hier gerne noch einmal. Sie sagen nichts darüber aus, wie viele Schutzsuchende in Österreich grundversorgt sind und tatsächlich ein Verfahren hier haben, also für unsere Behörden hier sehr wohl eine Herausforderung sind.

Welche Zahlen geben uns darüber Auskunft? – Die Zahlen jener, die eben hier grundversorgt sind, und die haben sich in den letzten Jahren nicht geändert, sie pendeln um die 19 000. Im Jahr 2015 waren es 58 000 Asylwerberinnen und Asylwerber, die bei uns grundversorgt waren. Vergleiche mit 2015 sind also, FPÖ, eine unredliche Angstmache. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man jetzt aber die Zeitungen aufschlägt: Bilder von obdachlosen Asylwer­bern unter freiem Himmel. Man hört, dass sie in der Nacht vor geschlossenen Bahnhöfen schlafen müssen. Warum ist das dann so, wenn die Zahlen in der Grundversorgung nicht wirklich gestiegen sind? – Weil das Innenministerium bei der Erstversorgung völlig versagt.

Die Menschen könnten und sollten eigentlich in Erstaufnahmezentren wie zum Beispiel Traiskirchen kommen. (Abg. Belakowitsch: Die sollten eigentlich daheim bleiben!) Traiskirchen ist aber voll. (Abg. Hafenecker: Mit Indern!) Warum ist Traiskirchen voll, da es eigentlich nicht mehr Leute in der Grundversorgung gibt? – Weil insbesondere die ÖVP-Bundesländer ihr Versprechen nicht halten, zugelassene Asylwerber in die Bundesländer aufzunehmen. Wie viele Prozent davon sind da schon in Traiskirchen? – Mittlerweile 75. Traiskirchen sollte also nur zu 25 Prozent ausgelastet sein. Die nun Ankommenden sollten dort unter­gebracht werden können und ein Dach über dem Kopf bekommen.

Ich stelle mir dann doch manchmal die Frage: Was wäre bei einem Hochwasser, bei einem Erdbeben? Würde es uns dann als Österreicher auch so gehen? Würden wir auch so schlecht erstversorgt werden? – Natürlich nicht, weil es der ÖVP ja nur darum geht, bei Asylwerbern so zu agieren, bei einer Gruppe von Menschen, auf deren Rücken sie schon manchen Wahlkampf erfolgreich bestrit­ten hat.

Die ÖVP-Innenminister wollen gar nicht, dass wir im Helfen gut aufgestellt sind. Sie haben es in den letzten Jahren völlig unterlassen, nach 2015 diesbezüglich nachzubessern. Sie reden zum Beispiel eben kein ernstes Wort mit ihren ÖVP-Fürsten der Finsternis in den Bundesländern, damit diese endlich Asylwerber aufnehmen.

Sie nehmen in Kauf, dass die Menschen unterversorgt sind und können sie daher – völlig absurd, Herr Innenminister –, nachdem bei Ihrer Aktion scharf unter Kraftanstrengung unserer Polizistinnen und Polizisten an der Grenze viele aufgegriffen werden, nicht unterbringen und sagen in der „Krone“ nur: „Reisende soll man nicht aufhalten“. – Wie irrsinnig ist denn das? (Beifall bei den NEOS.)

Das Chaos haben Sie und die Ihnen vorangegangenen Innenminister aus der ÖVP zu verantworten. – So.

Europäische Ebene: Auch da haben Sie nichts dazu beigetragen, dass es ein gemeinsames effizientes Asylsystem gibt.

Der Herr Kanzler sagte gestern, neben Orbán und dem serbischen Präsidenten Vučić stehend: Das Asylsystem der EU ist gescheitert. Das ist mehr als dramatisch. – Das stimmt. Er vergaß zu ergänzen: Wir als ÖVP sind auch daran schuld, weil Sie sich nach 2015 zurückgelehnt haben.

Es war Ihnen egal, dass, liebe FPÖ, die Flüchtlinge und Migranten nach dem Verlassen ihrer Heimatregion in einem Land nach dem anderen Gewalt und Rechtsbruch erleben und ein Land nach dem anderen ihnen dies jeden Tag vor Augen führt und sie spüren lässt.

Wenn Sie schon kein Mitgefühl besitzen, liebe ÖVP und FPÖ, dann zeigen Sie zumindest Denkvermögen – das habe ich auch schon dem Herrn Innenminister Karl Nehammer gesagt –: Wenn in Griechenland Eltern, die geflohen sind, ihre Kinder betteln schicken müssen, weil sie nicht versorgt sind, wenn Flüchtlinge in Ungarn keinen Asylantrag stellen können, weil es keinen Zugang zum Asyl­system gibt (Abg. Belakowitsch: Das sollten wir nachmachen!), dann versuchen sie weiterzukommen, liebe FPÖ – einfach für ein menschenwürdiges Leben.

Manchmal kommen sie dank der Push-backs nicht weiter. Ich habe in Bosnien selber erlebt, dass Kinder, aus Syrien kommend, auf der gatschigen Wiese neben einem kaputten Zelt ein Spiel spielen. Sie nennen es: The Game. Ein Kind spielt den Familienvater, der sagt: Asylum, please, asylum! Das andere Kind spielt den schlagenden Polizisten. – Die stecken dort fest. Ist das eine Lösung? (Abg. Hafenecker: Das ist gegenüber der Polizei nicht in Ordnung, was Sie da sagen!)

Welches sichere Land meinen Sie, FPÖ, das die Flüchtlinge am Weg zu uns durchqueren, wo sie bleiben sollen?

Jedes Land, das wie diese Länder derart versucht, das Leben für Asylwerbe­rinnen und Asylwerber möglichst zur Hölle zu machen, vergeht sich nicht nur an den Menschen, sondern benimmt sich auch gegenüber den anderen Ländern extrem unsolidarisch. Natürlich wollen dann viele zu uns.

Jetzt solidarisiert sich die Bundesregierung noch mit diesen Unsolidarischen, den Rechtsbrechern, gerade gestern wieder, denn nachdem Karl Nehammer schon als Innenminister den griechischen Premier Mitsotakis, unter dem die Gewalt gegen Menschen, das Ertrinken-Lassen im Meer und das Elend in den Lagern systematisch wurden, sehr schätzte, hat er sich gestern als Kanzler mit Orbán und Vučić hingestellt.

Ich habe die europäische Fahne im Hintergrund vermisst. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die war dort zu Recht nicht, denn was diese Herren machen, ist: Sie kurbeln an der Abwärtsspirale in Richtung Rechtsbruch, Gewalt und Chaos, wodurch an vielen Grenzen Menschen dann ins Nirgendwo zurückgeschlagen werden – wie wir von Ärzte ohne Grenzen nun auch an der ungarisch-serbischen Grenze dokumentiert bekamen, wo auch österreichische Beamtinnen und Beamte im Einsatz sind. Da erwarten wir ein Monitoring, und bis dahin erwarte ich bei der intensiven Zusammenarbeit sehr wohl Wahrnehmungen von unserer Polizei, denn sonst stimmt da etwas nicht. (Ruf bei der ÖVP: Eine reißerische Rede!)

Was soll das eigentlich? Warum sind wir nicht mit den Solidarischen und Gesetzestreuen in einer Allianz? Warum mahnen wir nicht spätestens seit 2015 gerade von den unsolidarischen das EU-Gesetz brechenden Ländern in Europa ein: Versorgt die Asylwerber gut, sonst gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren! Da schauen wir drauf.

Wir fordern: Schlagt sie nicht zurück an der Grenze, gebt ihnen ein faires und schnelles Verfahren und – je nach Ausgang – integriert sie oder schiebt sie ab, weil Abschiebung in Fällen, wo es keinen Schutzgrund gibt, die beste und eine humane Abschreckung ist!

Warum sagt unsere Regierung nicht schon seit 2015 Folgendes? Ab jetzt werden die Verfahren zwischen uns EU-Ländern gefälligst aufgeteilt, bei fairen Verfah­ren überall, die wir eingemahnt haben. Wir haben uns bis jetzt überdurch­schnitt­lich viel beteiligt, jetzt seid ihr einmal dran! – Gerade wir würden ja am meisten von einer Aufteilungsquote profitieren.

Dazu müsste sich die ÖVP aber eingestehen, dass sie durch ihre unsachliche und verantwortungslose Politik zum desaströsen Status quo beigetragen hat. Wie ich auch schon aus dem Untersuchungsausschuss weiß: Lieber geht sie stur weiter, als etwas zuzugeben. (Ruf bei der ÖVP: Fertig?)

Et voilà, dann komme ich zu Ihnen, Herr Innenminister, der Sie ja seit Tag eins als Minister in Ihrem Lieblingsstehsatz betonen, dass Sie den Weg Ihres Vorgängers Karl Nehammer konsequent weitergehen wollen.

Sie werden also diesen Wahnsinn wahrscheinlich weiter brav nachhüpfen, aber ich gebe dennoch nicht auf. Herr Innenminister, ich fordere Sie auf: Hören Sie auf, den Weg der ÖVP in Sachen Asyl weiter in Richtung Gewalt und Chaos zu führen! Setzen Sie sich für funktionierende humane Lösungen ein! Tragen Sie endlich zu Rechtsstaat, Ordnung und Entlastung von Österreich bei! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.30

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Dr. Reinhold Lopatka. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)