19.42
Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir reden über den Antrag der FPÖ, über die Volksbefragung über die sofortige Beendigung der Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation.
Die FPÖ versucht sich hier, wie sie es oft tut, wieder einmal in der Kunst der Verführung mit viel zu einfachen Erklärungen. Sie erklären den Menschen, die Sanktionen gegen Russland sind – Sie sagen jetzt zwar, es ist nur ein Teil, aber eigentlich schon vorwiegend – das Problem, das wir jetzt in allen wirtschaftlichen Herausforderungen haben, vor denen wir im Moment stehen. – Das ist, Herr Dr. Kassegger, ganz einfach völlig unwahr. (Abg. Kassegger: Ihr tut’s alle nicht zuhören! Ich kann meine Rede gern noch einmal wiederholen!)
Zur Analyse: Ich kann jetzt nicht die Analyse des Kollegen Lercher teilen – ich meine, die Schweiz hat einen völlig anderen Warenkorb, die Burschenschafter sind es auch nicht –, aber eines muss man schon sagen: Mit den Problemen, vor denen wir heute stehen, hat das ganz wenig zu tun. Herr MMMag. Dr. Kassegger, Sie verführen mit einer Simplifizierung von wahnsinnig komplexen Zusammenhängen ganz bewusst das Volk! (Abg. Belakowitsch: Sie glauben, das Volk lässt sich so leicht verführen! – Abg. Kassegger: Sie haben nicht zugehört! Das ist Ihr Problem: dass Sie nicht zuhören, wenn ich rede! Das war nicht so ..., das habe ich nie gesagt!)
Sie schüren vor allem Ängste gerade bei Menschen (Abg. Belakowitsch: Zum Glück lässt sich die Bevölkerung nicht verführen! Die Leute sind gescheiter ...!), die sich ohnehin schon mit der Komplexität dieser Welt, mit Wirtschaftskreisläufen, mit internationalen Zusammenhängen, die für sie ohnehin schon nicht mehr erfassbar sind, schwertun.
Sie nennen dann aber in Ihrer Schrift nur denjenigen Teil der Umfragen, der attestiert, dass die Menschen die Sanktionen sowieso nicht unterstützen. Sie führen auch an, dass der ehemalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl quasi gesagt habe, er wäre gegen Sanktionen und fände sie unsinnig.
Ich habe mit Christoph Leitl vorhin telefoniert und ich sage Ihnen jetzt – ich darf das auch zitieren –, was er gesagt hat. Er sagt: Sanktionen schaden immer beiden Seiten, das war klar. Wir haben uns als Europa und Österreich aber für diesen Weg entschieden. Diesen Pfad jetzt zu verlassen, wäre völlig falsch. (Abg. Belakowitsch: Kann er das bitte öffentlich wiederholen?!) Das wäre, als würde man während eines Rennens das Pferd wechseln. Wir müssen diese Sanktionen tragen (Abg. Kassegger: Durchziehen, bis zum bitteren Ende!), bis am Schluss eine friedliche Lösung stehen wird. – Zitatende. Das sagt Christoph Leitl. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kassegger.)
Herr MMMag. Dr. Kassegger! Diese Diskussion, diese Debatte ist einfach unehrlich. Sie fordern eine Volksbefragung, und – da schließe ich mich Michel Reimon an – die wäre moralisch faktisch bindend für uns. Sie wissen um die filigrane Situation der Politik heute. Wenn wir in aller Ehrlichkeit konsequent darüber nachdenken, dann müssten Sie eigentlich eine Volksabstimmung anfragen, denn nur dann könnten Sie sagen: Das ist jetzt die Entscheidung des Volkes!
Wir alle sind momentan in einer Phase, in der das höchst, höchst kritisch ist. (Abg. Kassegger: Das Volk zu befragen ist immer kritisch!) Wenn Sie Verantwortung leben würden und sich nicht nur dem Populismus verpflichtet fühlen und getrieben sein würden, dann würden Sie auch nicht mehr gut schlafen. Deswegen machen Sie das nämlich nicht. Das wäre gleich, als würden Sie eine Abstimmung zur Gemeinschaft einfordern und hinterfragen: Wollen wir aus der Europäischen Union austreten? – Ein Alleingang von Österreich in diesem Sanktionswesen ist nicht möglich. (Abg. Kassegger: Jetzt wird’s aber ...!) Das würde dem gleichkommen, und das wissen Sie ganz genau. (Abg. Belakowitsch: Es ist kein Alleingang!) Dieser Antrag ist reiner Populismus! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Kassegger: Aber da geht die Fantasie jetzt mit Ihnen schon ein bisschen durch, Frau Kollegin!)
Das beste Beispiel: die Abstimmung über den Brexit, vor allem entschieden in ländlichen Regionen mit geringen Einkommen, mit niedrigem Bildungsgrad. (Abg. Belakowitsch: Ja und?!) Dort wurde mobilisiert, dort wurde manipuliert und dort wurden Entscheidungen getroffen. Wissen Sie, was heute ist? – Der Großteil der Briten würde gerne wieder zurück, vor allem die Jungen. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.) 77 Prozent der jungen Briten wüschen sich nichts anderes, als in eine Europäische Union zurückzukommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kassegger.)
Zusammengefasst: Dieser Antrag dient nur der Spaltung unserer Gesellschaft. Herr Dr. Kassegger, Sie drehen an der Angstspirale – Sie haben es die Eskalationsspirale genannt –, das ist, was Sie tun. (Abg. Kassegger: Ich drehe nicht! Wir drehen nicht!)
Sie gießen Öl ins Feuer. Sie polarisieren. Sie versuchen, die Gesellschaft auseinanderzudividieren, in einer Zeit, in der wir genau das Gegenteil brauchen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Belakowitsch: Macht ja nix, Frau Kollegin! – Zwischenruf des Abg. Amesbauer.)
Sie sind verantwortlich dafür, dass die russische Propaganda hier einen gedeihenden Boden findet. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Menschen sich dem anschließen – das ist Ihre moralische Verantwortung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)
Dass diese Sanktionspolitik kein Sprint wird, war klar. Das ist auch kein Marathon, wahrscheinlich ist es ein Ironman, aber wir sind gut unterwegs: Die russische Wirtschaft schrumpft drastisch; die stehen mitten in einer Rezession (Abg. Kassegger: Aha! Der Währungsfonds sagt was anderes!); sie finden keine Maßnahmen mehr, wie sie für den Krieg neue Leute rekrutieren können. – Es funktioniert. Nur: Jetzt heißt es Linie halten! Jetzt heißt es, gemeinschaftlich zu stehen und das gemeinschaftlich durchzuziehen! Jetzt gibt es da kein Zurück. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das heißt, dass wir gemeinschaftlich die Auswirkungen minimieren, so gut es geht.
Wenn man das vergangene Wochenende, die Bundespräsidentenwahl, anschaut: Da haben Sie eigentlich das Ergebnis gesehen. (Abg. Belakowitsch: Ja, vier Parteien, 55 Prozent – großartiger Erfolg!) Ganz einfach: Der Erfolg Ihrer rechten Gemeinschaft, Ihrer Kandidatengemeinschaft, die sich da gefunden hat, war überschaubar. (Abg. Amesbauer: Das war der Erfolg der ÖVP?!) Was haben sich die Menschen gewünscht? – Sie haben sich Stabilität gewünscht! Österreich hat unaufgeregte Stabilität gewählt. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)
Gewonnen hat genau dieses Konzept, denn Wirtschaft braucht Zusammenhalt. Österreich braucht jetzt Zusammenhalt. Wir wollen unaufgeregte Stabilität. – Vielleicht wäre es manchmal besser, Sie tragen auch Ihren Teil dazu bei und stellen einfach solche Anträge nicht mehr! (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei den Grünen. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)
19.48
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Susanne Fürst zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete. (Ruf bei der ÖVP: Jetzt wird’s schwierig!)