9.17

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bewältigung von Krisen ist zweifelsohne oft eine sehr große Herausforderung für alle Regierenden – in Europa, weltweit –, und ja, für die Bewältigung braucht es oft Geld, manchmal sehr viel Geld, um gegenzusteuern, um schlimmeren Schaden abzuwenden und zu verhindern. Ja, es ist richtig, gegenzusteuern, und niemand weiß das bes­ser als wir, die Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frage ist ja nicht, ob – ich hoffe, da sind wir alle einer Meinung –, sondern wie man das tut, wie man gegensteuert. Sie rühmen sich jetzt seit zwei Tagen dafür, dass Sie Milliarden an Steuergeld ausgeben. Eines kann man Ihnen wirklich nicht vorwerfen: dass Sie zu wenig davon ausgeben. (Abg. Zarits: Ihr habt immer mehr wollen!) Das war so 2020, im ersten Coronajahr, da waren es 42 Mil­liarden Euro Steuergeld für Coronaförderungen, die Sie ausgeschüttet haben. Und jetzt, in dieser größten Teuerung, ist es wieder so, wenn Sie sich 28 Milliar­den Euro eines angeblichen Antiteuerungspakets auf Ihre Fahnen heften. (Abg. Loacker: Wer wollte denn 10 Prozent Pensionserhöhung?) In beiden Fällen – damals, 2020, und jetzt – fehlt jedoch etwas Entscheidendes: Es fehlt die Wirkung, es fehlt der Nutzen, es fehlt die Treffsicherheit Ihrer Milliardenausga­ben, Herr Finanzminister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Der Klima­bonus hat keinen Nutzen?)

Ein Beispiel: Österreich hatte 2020 – wir haben es gestern auch schon diskutiert – im EU-Vergleich die höchsten Coronaausgaben von allen 27 EU-Ländern. Beim Wirtschaftswachstum allerdings lag Österreich auf dem viertletzten Platz im EU-Vergleich. Also irgendetwas kann da nicht so richtig gelaufen sein. Es sind die europäischen Statistiken, Herr Finanzminister, und nicht die der Sozialdemokratie! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ist falsch! – Abg. Ottenschläger: Es stimmt einfach nicht!)

Es wiederholt sich jetzt, in dieser größten Teuerung seit 70 Jahren, genau das Gleiche: Sie geben Milliarden an Steuergeldern aus, aber es gibt keinen nachhaltigen positiven Effekt (Abg. Steinacker: Wenn die Wirtschaft angekurbelt wird, ... kein nachhaltiger Effekt?), keine sozialen Effekte, keine wirtschaftli­chen Effekte, keine ökologischen Effekte (Abg. Disoski: Keine ökologischen Effek­te?), keine Beschäftigungseffekte, die Preise sinken nicht, die Inflation sinkt nicht, im Gegenteil. (Ruf bei der ÖVP: Das ist ja unglaublich! ... Arbeitskräf­temangel! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Disoski: Das ist die Rede von vor zehn Jahren, ist ja lächerlich! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) – Ja, ich weiß, sehr geehrte Damen und Herren der Parteien der Bundesregierung, Sie hören das heute nicht gerne, aber es ist die Wahrheit. (Beifall bei der SPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Genau diese Wahrheit ist schmerzhaft für Sie, ich verstehe das (Heiterkeit und Rufe bei der ÖVP: Ja!), aber, wissen Sie, das Problem ist: Viel schmerzhafter ist es für die österreichische Bevölkerung. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Preise sinken nicht, die Inflation sinkt infolge Ihrer Maßnahmen nicht, im Gegenteil. Das Wifo, das Wirtschaftsforschungsinstitut, hat vor ein paar Tagen eine sogenannte Stagflation für das nächste Jahr prognostiziert, das heißt: Wirtschaftswachstum in Österreich gegen Null und weiterhin hohe Preise, hohe Inflation – schlecht, schlecht für Österreich!

Zusammengefasst: Geld auszugeben alleine ist kein Rezept. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit bei Abgeordneten von ÖVP, FPÖ und NEOS. Abg. Wöginger: Dass das von den Roten wer sagt, ein Wahnsinn! Das habt ihr aber 30 Jahre getan! Das ist unglaublich, das gibt es ja nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP sowie Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Geld auszugeben alleine ist kein Rezept. Sie machen Schulden, und (Abg. Steinacker: Das ist unglaublich! – weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP) trotz Ihrer Schulden ändert sich für die Menschen in Ös­terreich nichts zum Besseren. (Abg. Steinacker: Das ist unglaublich! So eine Verdrehung der Historie! Abg. Wöginger: Die Roten sind nicht mehr fürs Geldaus­geben ...!) Sie machen Schulden (Abg. Steinacker: ... Kreisky zitieren!), die jeg­lichen finanziellen Spielraum für notwendige und wirksame Krisenmaßnahmen nehmen. Wenn sich die Teuerungs- und Energiekrise also weiter verschärft, so wie das viele Expertinnen und Experten prognostizieren, dann wird es eng, dann wird es wirklich eng in Österreich. (Abg. Meinl-Reisinger: ... hat ja heute einen Erkenntnisgewinn!)

Und da reden wir noch nicht von den großen mittel- und langfristigen Pro­blemen, wie zum Beispiel den notwendigen Maßnahmen zur Bewältigung der großen Transformation der Energiewende, um endlich von fossiler Energie unabhängig zu werden, von russischem Gas unabhängig zu werden, auch wirt­schaftlich unabhängig zu werden und die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Und das, sehr geehrter Herr Finanzminister – Sie wissen es ganz genau, und ich hoffe, die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen wissen das auch –, wird kosten, nämlich viel mehr, als Sie dieses Mal vorgesehen haben. Allein der massive Ausbau der erneuerbaren Energie wird kosten: Die notwendige Aufstockung der Forschungs- und Entwicklungsgelder, um erneuerbare Energie überhaupt speichern zu können, da das sonst alles keinen Sinn macht, wird kosten; die Umsetzung einer national notwendigen Wasserstoffstrategie, der notwendige Ausbau des gesamten österreichischen Stromnetzes, der damit verbunden ist – enorme Kosten; eine notwendige Ausbildungsoffensive für die nächsten zehn Jahre, um die fehlenden 100 000 Fachkräfte, Arbeitskräfte überhaupt zu haben, um die Windräder, die Fotovoltaikanlagen zu errichten –, auch das wird kosten.

Das sind nur die notwendigen Maßnahmen für eine nachhaltige Transformation und Energiewende. Da reden wir noch nicht von den in den nächsten Jah­ren notwendigen Investitionen in die Pflege, da reden wir noch nicht von den Geldern, die wir endlich ins Bildungssystem stecken werden, damit wir eine zeitgemäße Bildung für unsere Kinder haben, und da reden wir noch nicht von der Digitalisierung, sehr geehrte Damen und Herren.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung, Sie machen Schulden, und gleichzeitig besitzen Sie die Unverschämtheit und den Zynismus, auch Steuern zu erhöhen. Inmitten der größten Teuerung führen Sie die CO2-Steuer ein (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger), und im nächsten Jahr wird sich diese Steuer weiter erhöhen.

Herr Finanzminister, wenn Sie letzten Samstag in der größten österreichischen Tageszeitung genau das Gegenteil behaupten, nämlich dass angeblich die Steuern unter Ihnen nicht steigen werden, so ist das die blanke Unwahrheit, und es ist wirklich dreist, denn Sie führen eine CO2-Steuer ein. (Abg. Wöginger: Jessas Maria! Abg. Steinacker: Das ist nicht dreist, das ...!)

Die Schulden der Republik steigen, die Zinsen steigen, und zwar für Maß­nahmen, die weder die Preise senken, noch die Inflation senken, noch die Ener­gie für die Menschen leistbarer machen, noch die Energiekrise bekämpfen (Abg. Hanger: Politik ist nicht Ihre Stärke!) – ja, Milliarden an Schulden ohne spür­baren und nachhaltigen Nutzen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist ein Problem, ohne dass das Leben für die Menschen in Österreich in dieser Zeit, in dieser schwierigen Phase, leistbarer wird, ohne echte und unmit­telbare Wirkung für die Wirtschaft, für die Unternehmen unseres Landes, ohne Nutzen für unsere Arbeitsplätze – auch das ist ein großes Problem. Das Allergefährlichste sind aber die Schulden, die uns den Spielraum für unsere Zu­kunft nehmen (Abg. Wöginger: Jessas na!), sehr geehrter Herr Finanzminis­ter. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Ist das eine alte Josef-Taus-Rede? – Abg. Leichtfried in Richtung Abg. Loacker –: Du tu nicht Menschen ...!)

Sehr geehrte Damen und Herren, aus Ihrer Hilflosigkeit, aus Ihrer Planlosigkeit wurde eine gefährliche finanzielle Maßlosigkeit auf Kosten der Steuerzah­lerinnen und Steuerzahler in Österreich (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Abg. Steinacker) – eine Maßlosigkeit, für die die Menschen in Österreich leider noch lange werden bezahlen müssen. Es ist die österreichische Bevölkerung, die diesen Scherbenhaufen, diesen budgetären Scherbenhaufen, den Sie hier hinterlassen, wird wegräumen müssen. (Abg. Wöginger: Wer hat denn das ge­schrieben? Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren, eigentlich sollten Sie sich jetzt, in diesen Tagen, für dieses Budget, das Sie diesem Hohen Haus gestern vorgelegt haben, nicht selbstgerecht auf die Schultern klopfen. (Abg. Wöginger: Tun wir eh nicht! Da klopft sich überhaupt niemand auf die Schultern!) Diese Selbstgerech­tigkeit ist fehl am Platz. Eigentlich sollten Sie sich bei der österreichischen Bevölkerung für dieses Budget und die letzten zwei Jahre entschuldigen, dafür, dass Generationen diesen Scherbenhaufen noch wegräumen müssen. (An­haltender Beifall bei der SPÖ. –Abg. Steinacker: Jessas na, das gibt es ja nicht! Also das ist ja unglaublich! Abg. Wöginger: Furchtbar! Abg. Hanger: Unglaublich!)

9.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr.