14.30

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Herzlichen Dank, dass wir die Debatte zum Umweltkontrollbericht auch im Ple­num führen können. (Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift „650 Tage ohne Klimaschutzgesetz“ in die Höhe.)

Präsident Ing. Norbert Hofer: Einen Moment, Frau Bundesministerin. – Ich glaube, wir alle haben die Tafeln gesehen, und würde bitten, dass Sie sie wieder weglegen. Besten Dank.

Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA (fortsetzend): Es freut mich wirklich außerordentlich, dass wir diese Debatte heute führen können, um über den 13. Umweltkontrollbericht, kurz UKB, und über die Entwicklung der Um­weltsituation in den Jahren 2019 bis 2022 zu sprechen. Das ist der Zeitraum, den dieser Bericht umspannt.

An alle, die es interessiert – auch an die Zuseherinnen und Zuseher zu Hause –: Der Bericht steht auf der Seite des Umweltbundesamtes als Download zur Verfügung. Deswegen möchte ich mich dem Dank anschließen, den Abgeordne­te Rössler vorhin an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Umwelt­bundesamtes überbracht hat. Diese leisten jeden Tag wirklich ganz großartige Arbeit – nicht nur in diesen kondensierten vielen, vielen Seiten des Um­weltkontrollberichtes. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Bestandsaufnahme des Umweltkontrollberichtes zeigt beide Seiten. Sie zeigt die Seiten, wo etwas gelungen ist – welche Meilensteine gelungen sind, was erreicht wurde, welche Projekte und Strategien erfolgreich waren –, aber sie schaut natürlich auch dorthin, wo es noch Lücken gibt. Sie spricht verfehlte Ziele an. Sie spricht selbstverständlich Handlungsempfehlungen aus.

Es ist jetzt müßig, darüber zu spekulieren - - – Nein, ich komme später darauf zurück, keine Sorge. (Abg. Einwallner: Schwierig!) Die Veröffentlichung des Berichtes fällt in politisch schwierige Zeiten. Ich möchte ihn zuerst noch kontextualisieren.

Die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die zeitliche sowie auf die kon­zeptionelle Ausgestaltung des energie- und klimapolitischen Umfelds durch den Ukrainekrieg, durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, sind in dieser Version natürlich noch nicht drinnen. Jedoch zeigen auch die gesicherten Ergebnisse, die abseits dieser Zeitenwende vorliegen, und der Blick vor diese Zeitenwende, dass in einer Vielzahl von Bereichen Wei­chen gestellt wurden beziehungsweise dass nachjustiert werden muss – also beide Themen –, um in Richtung lebenswerte Zukunft zu steuern.

Es zeigt sich zum Beispiel im Bereich der Treibhausgasemissionen – darauf komme ich jetzt zurück –: Wir haben 2021 wieder einen Anstieg der Treibhausgasemissionen verzeichnet. Jeder, der sich ernsthaft mit Klimapolitik auseinandersetzt, wird sagen: Klar, wir kommen aus einem Pandemiejahr, aus Pandemiejahren! Natürlich ersetzt eine Krise keine Klimapolitik, deswegen sind es gute Neuigkeiten, dass der Wert des Jahres 2021 unter jenem des Jahres 2019 liegt, also unter dem Wert von vor der Pandemie. Es sind gute Neuigkeiten, dass wir einen der drei niedrigsten Werte der letzten dreißig Jahre verzeichnen konnten – einer der zwei anderen wurde in Coronajahren verzeichnet.

Natürlich sind es gute Jahre, aber es ist müßig, darüber zu spekulieren, warum das so ist, weil es ein Ziel gibt, das heißt: Wir müssen auf netto null! Da haben wir noch einen Weg vor uns. Da haben wir im Klimaschutz noch ordent­lich viel zu tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Lukas Hammer hält eine Tafel in die Höhe, auf der unter dem Titel „Sonnenstrom in Österreich“ ein Balkendiagramm zu sehen ist.) – Deswegen ist das Taferl mit dem Sonnenstromausbau so ermutigend.

Selbstverständlich heißt das auch: Es braucht stabile und verlässliche Rah­menbedingungen. Die machen wir im Budget zum Beispiel mit der Trendwende in der Industrie – mit dem Dekarbonisierungspaket für die Industrie –, und ja, die brauchen wir auch auf gesetzlicher Ebene mit dem Klimaschutzgesetz, das ist völlig klar.

Bei den Treibhausgasemissionen zeigt sich nach wie vor leider ein Problemkind, das ist der Verkehr. Da sind wir nach wie vor bei 45 Prozent. Die Anzahl der Fahrzeuge mit alternativem Antrieb ist deutlich gestiegen. Auch seit dem Amts­antritt dieser Bundesregierung hat sich der Anteil an E-Mobilität bei den Pkw-Neuzulassungen mehr als verdreifacht. Da passiert etwas, aber natürlich haben wir insbesondere in diesem Punkt noch einiges zu tun, weil auch der Motorisierungsgrad und die Fahrleistung steigen. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Deswegen sind Initiativen wie das Klimaticket, wie das Rekordbudget für den Öffiausbau, wie die vielen Projekte, die wir mit den Bundesländern gemein­sam machen, so wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Das Thema Luft ist vorhin schon angesprochen worden. Bei der Betrachtung und Entwicklung der Luftqualität zeigt sich Erfreuliches: Sowohl die Stickoxid­emissionen als auch die Schwefeldioxidemissionen haben im Zeitraum von 2005 bis 2020 abgenommen, die Stickoxide um rund 50 Prozent, Schwefeldioxid sogar um 59 Prozent.

Mich freut auch – auch das ist in dem Zusammenhang wichtig – die Beob­achtung, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger weiterhin steigt. Er lag 2020 im Gesamtenergieverbrauch bei 36,5 Prozent, bei Strom wurden be­reits 75 Prozent des Verbrauchs durch Erneuerbare abgedeckt. (Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Auch alles, was wir gefördert haben – zuerst im Ökostromgesetz, jetzt mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz –, geht zuletzt mit dem EAG wirklich in einem Quantensprung nach oben. Also das sind wirklich gute Neuigkeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Neben der Klima- und Energiekrise – auch darauf hat Abgeordnete Rössler schon Bezug genommen – gibt es eine zweite große Krise: die Krise der Biodiversität. Natürlich muss auch die höchste Priorität haben. Die Biodiver­sitätsstrategie als wichtiger und nächster Meilenstein ist schon angespro­chen worden. Ich kann Ihnen versichern: Wir werden nicht mit leeren Händen zur Biodiversitäts-COP nach Kanada fahren. Sie wissen aber auch: Es ist ein intensiver Abstimmungsprozess mit den Bundesländern, die aufgrund der Kompetenzverteilung für den Naturschutz in unserem Land zuständig sind.

Unsere Böden – ein weiteres wichtiges Thema, das angesprochen wurde – sind nicht nur für die Erhaltung der biologischen Vielfalt von Bedeutung, sondern sie sind auch als CO2-Senken, als Kohlenstoffsenken wichtige Faktoren im Umgang mit dem Klimawandel.

Herr Abgeordneter Bernhard hat es schon angesprochen: Der Bodenverbrauch, die Inanspruchnahme wurde in Österreich stabilisiert, aber sie ist auf einem viel, viel, viel zu hohen Niveau stabilisiert. Wir stehen derzeit bei 11,5 Hektar pro Tag, also weit über den 2,5 Hektar, die wir uns als Ziel vorgenommen haben. Das heißt: rasch gegenlenken. Deswegen sind die Erarbeitung einer nationalen Bodenstrategie, die gerade im Bundesministerium für Landwirtschaft er­folgt, und die Initiierung des Brachflächen-Dialogs im BMK auch so wichtig.

Zur Qualität der Böden und der Gewässer gehört natürlich auch die vorhin angesprochene Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, die im BML, also im Landwirtschaftsministerium, wo die Zuständigkeit dafür liegt, kurz vor der Fertigstellung steht.

Auch Rohstoffe sind ein Thema, das bei einem vorherigen Diskussionspunkt heute schon angesprochen wurde. Der Umweltkontrollbericht belegt deutlich, dass der Einsatz von Rohstoffen und Energie in den Kreislauf gehört, also als Kreislauf geführt werden muss, weil wir die Notwendigkeit von Primärrohstoffen verringern, wenn wir sie im Kreislauf führen. Eine nachhaltige, CO2-neutrale, ressourcenschonende und ohne fossile Energien auskommende Produktion ist da das Ziel.

Wir haben diesbezüglich im Bereich der Abfallwirtschaft einen sehr starken Punkt, und zwar bei der Abfallvermeidung und -verwertung. Da sind wir in Ös­terreich tatsächlich auch unter den Besten Europas. Umgekehrt gibt es bei der Reduktion der Ressourcennutzung, also der Materialinanspruchnahme, aller­dings einen dringenden Aufholbedarf.

Diese Trendwende soll die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie bringen. Dadurch werden Rohstoffe für den nächsten Kreislauf besser erfasst, Märkte für Sekundärrohstoffe gestärkt und die Zusammenarbeit über die gesamte glo­bale Wertschöpfungskette verbessert.

Ich kann Ihnen den Bericht wirklich ans Herz legen – um ihn durchzublättern, in einzelnen Kapiteln zu schmökern oder ihn auch von A bis Z zu lesen. Zusammenfassend präsentiert sich das Bild, dass einerseits wichtige Maßnah­men in der Klimawandelanpassung, im Mobilitätsbereich, im Energiebe­reich sowie in der Abfallvermeidung bereits große Wirkung zeigen, andererseits in vielen Bereichen aber auch noch große Herausforderungen vor uns lie­gen. Um diese zu meistern, müssen alle, die konstruktiv an Problemlösung und nicht nur am Draufhauen orientiert sind, gemeinsam arbeiten. Daher ein großes Danke für die vielen engagierten und konstruktiven Debatten in diesem Haus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.40

Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich begrüße Herrn Bundesminister Dr. Martin Polaschek im Haus und darf nun Joachim Schnabel ans Rednerpult bitten. – Bitte, Herr Abgeordneter.