13.14
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie wie auch vor den Bildschirmen! Die Entwicklungen der letzten Wochen haben ein schauderhaftes Bild der Politik geliefert. (Abg. Rauch hält eine rote Karte in die Höhe.) Zweifelsohne ist klar: Das Vertrauen wurde weiter beschädigt.
Leider ist dieses Bild alles andere als neu. Es weist vielmehr auf ein strukturelles Problem hin. Bundespräsident Alexander Van der Bellen spricht von einem Wasserschaden für die Politik, der an die Substanz unserer Demokratie geht, und ich teile diese Einschätzung. (Abg. Wurm: Wo ist der heute überhaupt, der Kollege? Wo ist denn der Präsident? Sollte er sich anschauen, der Herr Präsident! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
Es ist unerträglich, dass sich der Eindruck verfestigt, man könne es sich in Österreich richten. Es ist unerträglich, dass der Eindruck entsteht, wenn man die richtigen Kontakte hat, wenn man nur reich genug ist oder das passende Parteibuch hat, dann kann man im Finanzministerium anrufen und niedrigere Steuern für sich selber verhandeln. Das schadet immens dem Vertrauen in die Demokratie und die Republik insgesamt. (Beifall bei den Grünen.)
Auch wenn die ÖVP jetzt in ihren eigenen Reihen für Ordnung sorgen muss: Dieses Problem findet in den aktuellen Geschehnissen vielleicht einen Höhepunkt, aber leider nicht seine Ursache. Was den U-Ausschuss und die WKStA seit Monaten beschäftigt, ist überhaupt erst durch eine sogenannte „bsoffene Gschicht“ – unter Anführungszeichen – auf Ibiza und die Ermittlungen um Postenschacher bei den Casinos aufgeflogen. Gegenstand dieser Ermittlungen waren, lieber Herr Kickl, die Freiheitliche Partei, der ehemalige Parteichef der Freiheitlichen. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Ich muss an dieser Stelle schon auch darauf hinweisen: Es gibt einen aktuellen Finanzskandal Ihrer Partei, bei den Freiheitlichen in Graz, der auch gerade die Gerichte beschäftigt und bei dem es um Korruption geht. (Abg. Kickl: Bei uns treten alle zurück oder werden ausgeschlossen! Sagen Sie das der ÖVP!) Genau das haben Sie in der aktuellen Debatte vergessen zu erwähnen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Wöginger.)
Völlig zu Recht fordert der Bundespräsident eine Generalsanierung. (Abg. Kickl: Ist der Herr Chorherr eigentlich noch Mitglied bei Ihnen?) Das ist ein Auftrag an uns alle hier, die in dieser Republik politische Verantwortung tragen, und wir Grüne nehmen diesen Auftrag sehr ernst. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Wurm: Ah geh! Seit wann denn?!) Wir machen Ernst: beispielsweise mit einem verschärften Parteiengesetz für gläserne Parteikassen – einem Thema, das vor mehr als zehn Jahren Werner Kogler angestoßen hat. Was die Transparenz von Spenden betrifft, haben wir diese heuer hier bereits beschlossen, in einer extrem strengen Form mit Einsichtsrecht für den Rechnungshof. Das gibt es in dieser Form in keinem anderen Land. Das ist wirklich ein riesiger Meilenstein, was die Transparenz der Parteienfinanzierung betrifft. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Illegale Parteispenden am Rechnungshof vorbeigeschleust auf Vereinskonten sind damit nicht mehr möglich. Ich bin dankbar, dass die Sozialdemokratie und die NEOS sich konstruktiv eingebracht haben. Ich muss aber auch, liebe Sozialdemokratie, auf die Volte hinweisen, mit der man versucht hat, dieses Gesetz zum Schluss doch noch zu verhindern – nämlich weil man eigentlich nie wollte, dass der Rechnungshof kontrollieren kann –, indem man die Absetzung der amtierenden Rechnungshofpräsidentin gefordert hat. (Abg. Ottenschläger: So ist es!) Die ist zum Glück für Sie nicht gut ausgegangen, und Sie mussten zum Schluss das Gesetz mit beschließen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Fakt ist: Dieses Gesetz wurde aufgrund einer grünen Regierungsbeteiligung in dieser Republik beschlossen. (Beifall bei den Grünen.)
Wir machen auch Ernst mit lückenloser Transparenz bei der öffentlichen Inseratenvergabe. Jeder Cent, der in Inserate der öffentlichen Hand fließt, muss offengelegt werden. Künftig muss das Ziel von Kampagnen genau begründet und ihre Wirkung analysiert werden. Damit schieben wir Scheinumfragen und versteckter Parteienwerbung einen Riegel vor. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Dieser Gesetzentwurf geht demnächst in Begutachtung, und ich lade alle Fraktionen ein, sich auch da konstruktiv einzubringen, um gemeinsam mit alten Missständen Schluss zu machen. Auch da richtet sich mein Spezialappell an die Sozialdemokratie, denn: Wer ist Inseratenkaiser in dieser Republik? – Es ist der Wiener Bürgermeister, der mehr Euro pro Kopf als die Bundesregierung zusammen ausgibt – für Inserate in Boulevardmedien, in undurchsichtigen Ausgaben, Sonderproduktionen und, und, und. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: ... hat er das mit den Grünen auch schon gemacht!)
An dieser Stelle kann ich auch die NEOS, die in Wien mit der Sozialdemokratie regieren, nicht aus der Verantwortung lassen. Auch da habe ich noch nicht erkannt, wo der Einfluss der NEOS geblieben ist, was die Transparenz betrifft. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Meinl-Reisinger: Deutlich mehr gekürzt, als ihr das je geschafft habt in zehn Jahren!)
Lassen Sie uns auch endlich das Amtsgeheimnis in Österreich abschaffen! Wir haben vor über einem Jahr den Entwurf zum Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt, und die, die blockieren, gehören vor den Vorhang. (Abg. Leichtfried: Wer blockiert, ist am Rednerpult!) Es ist immer so eine Parallelität: Hier fordert die Sozialdemokratie lautstark, was sie unter eigener roter Kanzlerschaft nie zustande gebracht hat, und gleichzeitig blockieren der Wiener Bürgermeister und andere Bundesländer und Gemeinden, die rot regiert werden, weil sie dieses Gesetz in Wahrheit nicht haben wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Stögmüller: Hört, hört!)
Das mit der Transparenz nimmt die SPÖ nämlich immer nur so lange ernst, so lange sie in der Opposition ist. In Wien: 1,4 Milliarden Euro am Gemeinderat vorbei, am Landtag vorbei, ohne die Information für irgendwen (Abg. Leichtfried: Wir können das heute beschließen!) – das ist das sozialdemokratische Verständnis von Transparenz. (Abg. Rendi-Wagner: Beschließen wir es heute! – Abg. Leichtfried: Beschließen wir das heute, Sigrid!) Ich glaube, auch Sie brauchen da einen deutlichen Ruck. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. –Abg. Leichtfried: Beschließen wir es! Der Gesetzesvorschlag liegt vor! Beschließen wir das!)
Wir Grünen meinen es auch ernst mit einem strengeren Korruptionsstrafrecht mit harten Strafen für Gesetzes- und Mandatskauf, das alte Lücken schließt. (Abg. Erasim: Legt es vor!) Es gibt einen fertigen Entwurf, der liegt beim Koalitionspartner. Machen wir auch hier gemeinsam Ernst und vor allem Tempo, Herr Stocker! (Beifall bei den Grünen.)
Noch etwas brauchen wir, um das Vertrauen zurückzugewinnen: vollständige Aufklärung – auch damit meinen es wir Grüne absolut ernst. Das sieht man beispielsweise daran, dass wir im Untersuchungsausschuss die notwendigen Beweisanträge stellen, damit die Akten aus dem Finanzministerium herbeigeschafft werden. Das sieht man aber auch an der Unterstützung durch Justizministerin Alma Zadić, die dafür sorgt, dass die unabhängige Justiz unbeeinflusst arbeiten kann. (Abg. Kickl: Das ist fast eine Beleidigung für die Beamten!) Und man sieht an nichts so gut, dass das funktioniert, wie daran, dass das Geständnis von Thomas Schmid und die Einvernahmen von Thomas Schmid geheim geblieben sind, obwohl sie seit April laufen. Einen besseren Beweis dafür, dass die Justiz unter dieser Justizministerin gut arbeiten kann, gibt es wohl nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Aber das hat mit dem Justizministerium nichts zu tun!)
Im Übrigen kann ich auch noch sagen: Wir haben die Situation, dass die ÖVP im Konsultationsverfahren die gemeinsame Einigung derzeit blockiert. Auch da setzt die Justizministerin die notwendigen Schritte, um die Ermittlungen zu schützen, und ruft den Verfassungsgerichtshof an, um diese Frage von unabhängiger Stelle klären zu lassen, damit beim morgigen Tag im Untersuchungsausschuss nicht die Gefahr besteht, dass die restlichen Ermittlungen gefährdet werden. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Leichtfried: Weiß das die ÖVP auch?)
Der Auftrag an uns alle ist klar, meine sehr geehrten Damen und Herren: Zeigen wir alle gemeinsam, dass wir es mit dem Aufräumen mit der Korruption und den alten Missständen ernst meinen. Das erreichen wir nicht mit Neuwahlen, sondern mit den strukturellen Änderungen, die ich hier alle angesprochen habe. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff.) Was wir dafür tun müssen, liegt auf dem Tisch: Setzen wir diese dringenden Reformen um, ohne weitere Verzögerungen und Blockaden, im ehrlichen politischen Diskurs, für beste Lösungen in diesem Land! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.23
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.