14.43

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Mir kommt die Aufgabe zu, hier heute den letzten Debattenbeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt zu leisten (Abg. Leichtfried: Wenn Sie wüssten!), und ich frage mich, werte Zuseherinnen und Zu­seher: Wie geht es Ihnen, wenn Sie jetzt circa 3 Stunden lang diese Debatte verfolgt haben? – Mir geht es nicht gut.

Hier wird versucht, ein virulentes Problem – und das haben wir leider in diesem Land –, das Problem der Korruption, in verschiedener Art und Weise zu framen. Hier wird versucht, die Unschuldsvermutung in Richtung eines Problems zu konstruieren, das mit Korruptionsbekämpfung zu hat. Hier wird versucht, in den Raum zu stellen, dass es ja darum geht, dass niemand vorverurteilt wer­den darf, während wir andererseits aber wissen, dass wir ein echtes Korruptionsproblem haben, denn: Warum hätten wir sonst im Staate Österreich die Notwendigkeit eines Antikorruptionsvolksbegehrens? Warum wäre es so, wenn alles so easy wäre, wenn das alles nur Vorverurteilungen oder eben Verletzungen der Unschuldsvermutung wären? Warum müssten wir uns dann in einer Sondersitzung über Korruptionsfragen unterhalten? (Abg. Hörl: Das habt ihr ja selber gemacht!)

Jetzt ist der Herr Bundeskanzler leider gegangen. Ich hätte ihn gerne gefragt, was er damit meint, wenn er ganz großzügig hergeht und sagt: Ja, natür­lich, wenn die Strafgerichte verurteilen, dann werden wir das anerkennen. – Na, danke schön, das ist ja sehr generös und großzügig. Es zeigt aber auf der anderen Seite, dass der moralische Kompass bei gewissen Herrschaften hier ei­gentlich schon vollkommen aus dem Ruder läuft. (Beifall bei den NEOS.)

Wie sieht es bei uns im Staate Österreich mit Anstand, mit Verlässlichkeit aus? Das sind die Grundelemente erfolgreicher Politik. Diese sollte sich nicht dauernd damit beschäftigen müssen, was sich vor Strafgerichten abspielt. Da geht es um Einzelfälle. Wir hier in diesem Hohen Haus haben uns nicht um diese Ein­zelfälle zu kümmern, aber wir haben uns sehr wohl darum zu kümmern, wenn wir feststellen, dass das von einer mächtigen politischen Gruppierung ausgeht, die im Grundsatzprogramm 2015 immer noch drinstehen hat: Unsere Politik orientiert sich am christlich-humanistischen Menschenbild.

Ja, was ist denn da los bei euch in der ÖVP? Wo sind denn da noch Spuren von einem christlich-humanistischen Menschenbild (Ruf bei der ÖVP: Also!), wenn Sie hergehen, Herr Kollege Stocker, und uns weismachen wollen, dass es nur um die Frage geht, ob jemand vom Strafgericht verurteilt wird oder nicht? – Das ist ja nicht die Frage für erfolgreiche Politik. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Stocker: Da hätten Sie besser zuhören sollen! – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Einer der schockierendsten innenpolitischen Momente war für mich wirklich dieses ORF-„Sommergespräch“ mit dem Bundeskanzler. Es wurde heute schon angesprochen. Wenn der Bundeskanzler, der 100-Prozent-Obmann einer sich christlich-humanistisch nennenden Partei, hergeht und sagt: Ja, Moral, ich weiß eigentlich gar nicht, was das ist, sondern wir orientieren uns da nur am Strafrecht!, dann ist etwas ins Rutschen gekommen, meine Damen und Her­ren, das wir nicht hinnehmen dürfen, denn da geht es um Österreich. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Gemeinwesen kann nur mit Anstand und Verlässlichkeit funktionieren, und nicht nur mit dem Strafgesetzbuch im Hintergrund. Natürlich nehmen wir aber die Situation zur Kenntnis und werden auch mitstimmen, wenn es darum geht, das Strafgesetz zu erweitern. Das ist die Ultima Ratio, aber es scheint alternativlos zu sein, dass wir nicht nur Strafdrohungen erhöhen, sondern dass wir auch neue Tatbestände – Korruptionstatbestände, Tatbestände der Korruptionsaffinität – in das Strafgesetzbuch aufnehmen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Korruptionsbekämpfung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, beim BMJ umgehend ein Task-Force mit dem Auftrag einzurichten, bis längstens Jahresende einen Begutachtungsentwurf zu einer Korrup­tionsbekämpfungs-Novelle des StGB vorzulegen“, in dem die Tatbestände der Inseratenkorruption, der Wahlkampfkostenüberschreitung, der Vorlage unvollständiger oder unrichtiger Rechenschaftsberichte der Parteien unter Strafsanktion gestellt werden.

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Anders geht es anscheinend nicht. Das tut mir zwar sehr leid, aber es ist alter­nativlos, um aus diesem Korruptionssumpf herauszukommen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

14.48

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Korruptionsbekämpfung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 181. Sitzung des Nationalrats über den Dringlichen Antrag des Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Genossinnen und Genossen betreffend ÖVP-Korruption beenden statt aussitzen – Sofortmaß­nahmen zur Stärkung von Transparenz, Aufklärung und Anstand sowie Neu­wahlen als einziger Weg

Die veröffentlichten Protokolle über die Vernehmung des ehemaligen CEO der ÖBAG sowie des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium Thomas Schmid durch die WKStA zeigen in einem erschreckenden Ausmaß, wie fest die Korruption Österreich im Griff hat. In Verbindung mit den Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer im Rahmen des diesjährigen ORF-Sommergesprächs, wonach Beur­teilungsmaßstab dafür, welches Ausmaß von Korruption zu tolerieren ist, nur das Strafrecht sein könne, ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die derzeitigen strafrechtlichen Bestimmungen offenbar bei weitem nicht ausreichen, die in Österreich grassierende Korruption nachhaltig zu bekämpfen. Es sind daher in diesem Bereich dringend Nachschärfungen erforderlich.

Nachdem gesetzgeberische Eingriffe in das materielle Strafrecht aufgrund ihrer weitreichenden Bedeutung sehr gut überlegt sein wollen und sehr gut begründet sein müssen, ist es angezeigt, beim Bundesministerium für Justiz umgehend eine mit Experten aus der Legistikabteilung des Ministeriums, aus der Strafrechts-Wissen­schaft, aus der Rechtsanwendung und der Politik besetzte Taskforce einzurich­ten, welche den Auftrag erhält, bis Ende 2022 einen Begutachtungsentwurf betref­fend eine Korruptionsbekämpfungs-Novelle des StGB auszuarbeiten. Es geht darum, die bestehenden Tatbestände (z.B. § 153 StGB) nachzuschärfen, Strafdrohun­gen im gebotenen Ausmaß zu erhöhen und zusätzliche korruptionsträchtige Tatbestände zu erfassen, wie z.B. Inseraten-Korruption, Wahlkampfkostenüberschrei­tungen, Vorlage unvollständiger oder unrichtiger Rechenschaftsberichte der Parteien.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz wird aufge­fordert, beim BMJ umgehend ein Task-Force mit dem Auftrag einzurichten, bis längstens Jahresende einen Begutachtungsentwurf zu einer Korruptionsbe­kämpfungs-Novelle des StGB vorzulegen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jan Krainer – Bitte. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)