9.42

Abgeordnete Heike Grebien (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Kolleg:innen! Wertgeschätzte Zuseher:innen zu Hause, aber auch hier im Hohen Haus! Wie Sie bereits von unserer Frauen­sprecherin Meri Disoski hören konnten, hat diese Bundesregierung das Budget für den Gewaltschutz für Frauen erneut aufgestockt. Mit der Erhöhung von 5,9 Millionen Euro für das Jahr 2023 ist das Budget gesamt auf 24,3 Millionen Euro angewachsen, und das ist auch dringend notwendig. (Beifall bei den Grünen.)

Sie wissen, ich bin Sprecherin für Menschen mit Behinderungen, und da ist mir die Perspektive für Frauen mit Behinderungen immer extrem wichtig. Das Sozialministerium hat 2019 die Ergebnisse der von ihm in Auftrag gegebenen Studie „Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderun­gen“ veröffentlicht. Damit haben wir – 2019 erstmals – repräsentative Ergeb­nisse über die Situation von Menschen mit Behinderungen, die in Institu­tionen leben, die in Werkstätten tätig sind, die in psychosozialen Einrichtungen leben oder auch im Maßnahmenvollzug sind.

Insgesamt hat diese Studie aufgezeigt, dass Menschen mit Behinderungen deutlicher und häufiger von Gewalt betroffen sind als Menschen ohne Behin­derungen. Eine besonders gefährdete Gruppe innerhalb dieser Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die einen hohen Unterstützungsbedarf bei Grundbedürfnissen wie der Körperpflege haben, aber auch der Kommunikation. Es sind aber auch sehr viele Frauen mit Lernschwierigkeiten und gehörlose Frauen von sexueller Gewalt betroffen.

Die Studie zeigt auf, dass der Schlüssel für eine gewaltfreie Umgebung in einer Organisationskultur auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention fußen muss. Dazu gehören die Achtung der Würde der Person, die Selbstbestimmung, das Empowerment, zu wissen, was nicht in Ordnung ist, das zu benennen und auch, sich entsprechend rechtliche Unterstützung zu holen, die Selbstvertretung und Partizipation wie in den Netzwerken der Frauen- und Mädchenberatungsstellen, wie in den Gewaltschutzzentren, dass man als Frau mit Behinderung weiß: Ich werde dort genauso aufgenommen und genauso unterstützt wie eine Frau ohne Behinderung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Empfohlen werden darüber hinaus für die Trägereinrichtungen Gewaltschutz­konzepte, Interventionspläne, ausreichendes und geschultes Personal sowie barrierefreie Zugänge, und zwar nicht nur baulich: Auch die Informationen müssen in Leichter Sprache barrierefrei zur Verfügung stehen.

Was ist denn dazu seit 2019 passiert? – Zum einen wurde die Studie natürlich in Leichte Sprache übersetzt, weil es in der Arbeit mit Frauen mit Lernschwierig­keiten notwendig ist, damit sie das selbst auch gut verstehen können, selbst nachschlagen können. Das wurde seitens des Österreichischen Behinderten­ra­tes, der ja die Dachorganisation ist, verbreitet, verteilt, und er hat als Vorbild für seine Mitglieder selbst eine Gewaltschutzrichtlinie entwickelt und fordert auch die eigenen Mitglieder auf, diese in den Einrichtungen der Behindertenhilfe umzu­setzen.

Im letzten Budget hat das Sozialministerium unter Mitfinanzierung des Frauen­ministeriums das Projekt des Vereins Ninlil und des Vereins Leicht Lesen finanziert. Sie können sich vielleicht noch erinnern, ich habe eine Broschüre hergezeigt: „Kraft-Rucksack“. Das ist genau die Maßnahme der Selbstbestim­mung und des Empowerments. Das mag vielleicht in einer Broschüre daherkom­men, hat aber extreme Auswirkungen im positiven Sinne: dass Frauen mit Behinderungen erkennen und auch benennen können, was nicht in Ordnung ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im neuen Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen ist in der Maßnahme 37 festgehalten: „Frauen mit Behinderungen sollen unterstützt werden, körperliche und sexuelle Übergriffe von sich aus zu erkennen, zu benennen und zu melden.“ Die Zuständigkeiten haben da die Bundesländer, und diese haben sich auch im Nationalen Aktionsplan dazu bekannt, entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Die Bundesregierung wiederum hat ihre Aufgaben ebenso gemacht und wird im budgetierten Gewaltschutzpaket Frauen mit Behinderungen dezidiert berücksichtigen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Ich glaube, da sind wir uns einig: Jede Person soll in Österreich frei von Gewalt leben können. – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

9.47

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mühlberghuber. – Bitte sehr.