13.05

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Herr Präsident! Ich melde mich einmal nur zu dem Erwartbaren hier von der Regierungsbank. Ich bin selber auf der anderen Seite der Regierungsbank Ohrenzeuge bei der Generaldebatte gewesen, ich habe in dem Kontext des völlig berechtigt aufgeworfenen Themas zu diesen Aktions­formen – das kann man so sehen, alles richtig, ich habe tatsächlich selber größte Bedenken – selber den Zwischenruf „Klimaterroristen“ vernommen. Das, glaube ich, hat damals auf dem Präsidium niemand gehört.

Gestern, das ist mir gerade eben berichtet worden, tauchte der gleiche Vorwurf bei der Rede des Abgeordneten Litschauer im Protokoll auf, aber ohne Zuord­nung. So, jetzt nehme ich mir heraus, dass ich von der Regierungsbank aus dazu etwas sage, von mir aus auch als Kunst- und Kulturminister, denn die Debatte soll hier ganz offensichtlich in eine Richtung gelenkt werden, dass man dann wieder wunderbar in den sogenannten sozialen Medien herumagitieren kann, das ist ja Ihr Hauptagitationsfeld als FPÖ-Abgeordnete.

Ich will das nicht unwidersprochen hinnehmen, ja, völlig unbeschadet dessen, wie der Nationalrat damit umgeht. Der Herr Abgeordnete hat es jetzt selber erwähnt, er hat ja selber von quasi drohenden terroristischen Aktionen gesprochen. Also ich finde, das kann man so nicht durchgehen lassen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sollten uns einmal damit beschäftigen, was Terrorismus ist. Das werde ich jetzt nicht machen, denn ich setze das bei allen anderen voraus, dass sie das wissen, im Übrigen auch bei Ihnen. Sie setzen das nur bewusst ein, um zu kampagnisieren.

Jetzt geht es noch gar nicht um die Aktionsform (Abg. Hafenecker: Doch!), es geht einfach darum, wohin man das treiben will. (Abg. Hafenecker: Die sind gefährlich! Die sind gefährlich, es gibt bereits Tote!) – Ich habe Ihnen eh schon angekündigt, dass ich größte Bedenken bei diesen Aktionsformen habe und einigen gegenüber sogar ablehnend bin. Aber darum geht es gar nicht, sondern es geht darum, dass Terrorismus etwas anderes ist. Und ich mag nicht, dass im österreichischen Nationalrat nach all unserer Geschichte (Ruf bei der FPÖ: Jetzt stell dir vor, wenn wir das ...!) das hier einfach unkommentiert dahergeredet werden kann. Das gibt es ja nicht! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. Ruf bei der FPÖ: Wenn das ein Rechter macht!  Abg. Schnedlitz: Verteidigen und verharmlosen!)

Terrorismus hat sehr viel mit schwerster Gewalt gegen Menschen unter absicht­licher Inkaufnahme von Tod, von Verletzungen zu tun, im schlimmsten Fall – oder aus deren Sicht im besten Fall – massenhaft. (Abg. Hafenecker: Eine tote Frau in Berlin klagt an!) Deshalb sage ich Ihnen, dass das nicht durchgeht.

Jetzt wollen wir aber einmal schauen, was die Motive junger Menschen sind. (Ruf bei der FPÖ: Pfeifen Sie Ihre jungen Menschen zurück!) Was sind die Motive junger Menschen? Das ist viel interessanter, finde ich, und da kann man immer noch die Aktionsform ablehnen, und das haben Sie ja offensichtlich erreicht, obwohl ich selber nicht gegen einzelne Aktionsformen bin – ich nähere mich ja dem zwischen­durch eh an, damit Sie sich nicht zu schnell zu viel aufregen, es reicht ja schon, wenn ich mich aufrege – und das mit Recht.

Diese jungen Menschen sorgen sich. (Abg. Hafenecker: Junge Kriminelle!) Der Vorvorredner, der Abgeordnete hat ja schon gesagt, dass es auch um Über­lebensbedingungen geht. Wenn es um künftige Generationen geht, wenn die Sorge ist, dass das Leben an sich schwer beeinträchtigt ist, eigent­lich das Über­leben gefährdet ist, dann ist das ein starkes Motiv, etwas zu tun.

Jetzt könnte man immer noch sagen, die sollen dorthin gehen, wovon die Gefährdung ausgeht, denn die geht nicht von einem Kunstwerk aus – ja, das wäre auch mein Zugang. Man darf und kann viel blockieren.

Jetzt werde ich Ihnen etwas sagen, warum ich das für so wichtig halte, was Motive junger Menschen betrifft, gerade wenn es um Terrorismus, Gewalt und so geht (Abg. Rauch: Das ist Terrorismus und auch Gewalt!), das hat zum Beispiel auch mit Diktaturen zu tun, dort geht der Terrorismus vom Staat aus, auch das haben wir gehabt. Jetzt möchte ich einmal meine eigene politische Lebensgeschichte erzählen und diese 3 Minuten werden Sie sich anhören müs­sen.

Wir haben ja jetzt gerade die Fußballweltmeisterschaft – Sie werden vielleicht fragen: Spinnt der, ist der jetzt Sportminister, oder was ist er gerade? – Nein, ich sage Ihnen Folgendes: Als ich sechszehneinhalb Jahre alt war, hat die Fuß­ballweltmeisterschaft in Argentinien stattgefunden. In Europa – im Nachhinein schändlich, finde ich – war viel zu wenig davon da, dass man gesagt hat: Ja wir feiern den Fußball, ja, aber es ist eine Diktatur mit den grausamsten Men­schenrechtsverletzungen, eine Militärdiktatur Südamerikas, wie es nur einmal geht. (Beifall bei den Grünen.) Ich habe als 16-Jähriger die Berichte von Amnesty gelesen – ja, das ist einmal eine nützliche Einrichtung – und seither versuche ich, die immer hochzuhalten.

Wir Jungen haben in der Oststeiermark – bis Wien bin ich ja nicht einmal gekommen – Flugblätter von Amnesty weiterverteilt. Die haben eh erkannt, worum es geht: Fußball ja, Folter nein – das war die Parole und auch das Emblem.

Wie richtig und wichtig und wie wenige haben sich darum geschert! Wir haben „Buenos Dias Argentina“ von Udo Jürgens gesungen. Super. Die Alten wie ich kennen den Text vielleicht noch. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Wir hatten das Motiv, dass das nicht ungehindert vorbeiziehen kann und so ein Thema einfach Einzug halten muss und dass man wenigstens in Europa, wo wir das dürfen, darauf hinweist: Fußball ja, Folter nein. Sie können heute noch – ich weiß nicht, ob ich das empfehlen soll, denn dann finden Sie keinen Schlaf mehr – die Berichte darüber lesen, was diese Militärdiktatur den Menschen massenhaft angetan hat. Sie würden es kaum ertragen, so wie wir damals.

Und die Jungen heute ertragen es nicht, was den nächsten jungen Generationen droht. Wenn es um die Zukunft geht, ist es immer schwierig – das damals war ja gleichzeitig –, ich verstehe das, aber die sorgen sich und das ist etwas anderes. (Abg. Schnedlitz: Sachbeschädigung, Lebensgefährdung ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und jene, die sich um Menschen, die noch nicht einmal geboren sind, sorgen, als Terroristen zu bezeichnen, das gehört zum Schäbigsten, was hier im Haus jemals passiert ist. Das geht doch nicht! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schnedlitz: Aber wenn es gegen Zuwanderung ist, ist es böse, oder? Wenn er gegen Zuwanderung ist, ist Aktionismus böse! – Rufe bei der FPÖ: Doppelmoral! Der Moralapostel moralisch am Ende!)

Trotzdem kann man jetzt immer noch gegen deren Aktionsform sein, denn wir könnten ja zwischen dem Motiv und der Wahl der Mittel unterscheiden. Wenn das nicht mehr möglich ist, weil es nicht in Ihre billige, rechtsextreme Agita­tionsform hineinpasst (Beifall bei den Grünen) und Sie das ganze Land mit Ihren Postings zukübeln wollen, dann mag Ihnen das unbenommen sein. (Abg. Schnedlitz: Sind wir ein bissl angesoffen, oder?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Aber ich war lange genug Abgeordneter hier und lasse nicht zu, dass hier einfach so dahergeredet wird, auch weil es gerade am Präsidium nicht immer gehört wird. Da (auf die Regierungsbank deutend) hat man es eh gehört.

So, das sind doch die Zusammenhänge. In den dann folgenden Jahren hat es noch viele Auseinandersetzungen gegeben, die ganz anderer Art waren: Zwentendorf, Volksabstimmungen; alles, wovon ich erzähle, ist innerhalb von ein paar Monaten passiert. Das waren – nicht einmal gleich, denn ich war davor völlig unpolitisch – als Sechzehneinhalbjähriger meine Gründe, mir zu überlegen, dass ich mich, wenn ich einmal aus meinem Dorf herauskomme, zum Studieren oder was weiß ich, politisch engagieren werde. (Abg. Wurm: Zum Thema! Zur Sache, bitte! Zur Sache!)

Sie sollten nicht geringschätzen, was die Motive junger Menschen sind. Sie wissen ja nicht einmal, was Sie damit in der Gesellschaft anrichten. (Beifall bei den Grünen.) Aber es ist Ihnen ja nur recht.

Es gab dann genügend Ereignisse in Österreich und in Europa, wo es Agitations­formen, Widerstandsformen gegeben hat. Ich darf Sie darüber informieren, dass wir ein paar Jahre später in meinem Dorf am Bauzaun einer geplanten Müll­deponie die Bundeshymne gesungen haben – da haben wir im Übrigen gemeinsam mit einem Freiheitlichen aus dem Südburgenland protestiert – und dafür verprügelt worden sind. Okay, ist so. Ich will das jetzt gar nicht höher hängen, ich sage Ihnen nur, dass jede Zeit ihre Aktionsformen hat. Ob es sie braucht, weiß ich nicht.

Und jetzt komme ich dazu, dass ich sage, ich finde es eh falsch. Ich finde es falsch, dass Kunstwerke attackiert werden, weil damit etwas anderes, ein anderes Symbol verbunden ist. (Beifall der Abg. Erasim.) Ich würde es aber richtig finden, wenn sich die gleiche Motivlage auf ein anderes Ziel konzentrieren würde, eben um diese Motive stärker klarzumachen.

Man muss das auseinanderhalten. Mein Plädoyer dient dazu, aufzuzeigen, dass Sie das absichtlich verwischen, und dem zu widersprechen. Danke, dass Sie es sich angehört haben. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller. – Abg. Hafenecker: Kein einziges Wort zum Verkehr; das muss man einmal zustande bringen bei dem Tagesordnungspunkt! Unglaublich! – Abg. Rauch: Ist ja nicht sein Thema! – Abg. Litschauer: Wer hat denn das Thema aufgemacht?! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen.)

13.14

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Andreas Ottenschläger. – Bitte, Herr Abgeordneter.