14.30

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Ja, wir haben jetzt Budgetwoche, und ich möchte noch einmal ein paar Dinge in Erinnerung rufen, die in diesem Zusammenhang mit Sicherheit eine Rolle spielen, nämlich die Zahl 17 Milliarden Euro Defizit, der Zinsendienst steigt auf 8 Mil­liar­den oder 9 Milliarden Euro, und dann die Ansage, die ich im Laufe dieser Woche zum Beispiel seitens der ÖVP gehört habe, wir hätten ein ausgewogenes, balanced Budget. Also davon kann man wirklich beim besten Willen nicht reden, wenn man 17 Milliarden Euro Defizit macht. In einer Zeit, in der die Zinsen steigen, kann man weder von einem ausgewogenen, balanced Budget sprechen und schon gar nicht von einem zukunftsfitten Budget, das uns zukunftsfit macht. Das Gegenteil ist der Fall! (Beifall bei FPÖ und NEOS.)

Wenn Finanzminister Brunner in weiterer Folge davon spricht, dass wir uns bis 2026 auf einem sehr guten Konsolidierungspfad befinden, und ich mir die Zahlen dazu anschaue – 10 Milliarden Euro Defizit 2024, 10 Milliarden Euro Defizit 2025 und 9 Milliarden Euro Defizit 2026 –, dann kann ich da beim besten Willen keinen Konsolidierungspfad erkennen. Da erlauben Sie mir schon die Fest­stellung, dass ich leichte Probleme mit Ihrer Glaubwürdigkeit habe. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Kommen wir aber nunmehr zum Klima- und Umweltbereich – ich sage bewusst: Klima- und Umweltbereich. Dazumal war es die Umweltpolitik, das ist die Politik für unsere unmittelbare Umwelt, jetzt ist es die Klimapolitik, für die man sehr, sehr viel Geld in die Hand nimmt – ich zitiere jetzt teilweise meine Vorredner –, 5 Milliarden Euro für die Transformation, Milliarden Euro für Frau Bundes­minister Gewessler, um die Klimaziele zu erreichen.

Kollegin Graf hat vorhin gesagt, wir sollten doch alle an einem Strang ziehen. Vollkommen richtig! Da bin ich aber Globalist: Ich würde einmal empfehlen, mit diesem Begehr nach China, nach Indien und in die USA zu gehen und dort zu sagen, dass wir jetzt alle an einem Strang ziehen sollen, denn die machen alle bei dieser Klimapolitik nicht mit. Vielmehr gehen die Europäer, die ganze 8 Prozent des CO2 weltweit emittieren, als leuchtendes Beispiel voran, und zwar zu einem ganz, ganz hohen Preis, der unseres Erachtens viel zu hoch ist. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Weratschnig: Also sollen wir warten aufs Klima?)

Reden Sie einmal mit den Chinesen und den Indern, und setzen wir uns zusam­men, dann ziehen wir gemeinsam an einem Strang und dann reden wir weiter und retten das Klima der Welt, aber gehen Sie nicht da in Europa mit Milliarden Euro voran. (Abg. Weratschnig: Warten wir ein Jahrzehnt aufs Klima?) Von der Leyen spricht von 55 Prozent Treibhausgasreduktion. Das kostet 750 Milliarden Euro. 5 Milliarden Euro für die Transformation, Milliarden Euro für das Bundesministerium, 2 Milliarden Euro für das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (Abg. Weratschnig: Spielen wir Klimamikado!): Vergessen Sie bitte nicht, wer das alles bezahlen soll! Das sind wir, das sind die österreichischen Bürger, die das am Ende zahlen, und das finden wir weder ausgewogen noch vernünftig.

In der Klima- und Energiepolitik muss doch auch die Vernunft etwas zählen, und vernünftig wäre, dass wir selbstverständlich aus verschiedenen Gründen auch den Umstieg auf Erneuerbare machen wollen, aber das muss doch mit anderen Zielen, die wir gleichzeitig zu verfolgen haben, ausgewogen sein, nämlich beispielsweise jenem der Erhaltung der Versorgungssicherheit. Die wird mit hochvolatilen Wind- und PV-Anlagen nicht sichergestellt, die wird auch nicht sichergestellt, indem wir uns in neue Abhängigkeiten begeben, also alte gegen neue austauschen. Und die wird auch nicht mit dem Märchen sichergestellt – und ich spreche da bewusst von einem Märchen –, dass Öl und Gas von den Mengen her kurz- bis mittelfristig durch Wind- und PV-Anlagen zu ersetzen wären.

Das geht sich einfach nicht aus, denn wir reden da von zehnfachen Mengen: Für 90 Terawattstunden, das wissen Sie, brauchen wir Gas, und für ungefähr 140 Terawattstunden Öl. Die Gesamtproduktion der Windräder und der PV-Anlagen in Österreich sind 10 bis maximal 15 Terawattstunden, und der ganze Ausbauplan bis 2030 sieht den Ausbau um weitere 20 Terawattstunden vor, was jetzt PV und Wind betrifft. Dann sind wir bei 30, 35 Terawattstunden, da fehlen dann aber immer noch über 200 Terawattstunden. Also das geht sich beim besten Willen nicht aus.

Der dritte Punkt, der immer zu berücksichtigen ist und den Sie völlig ausblenden, ist die Leistbarkeit, sind die Kosten. Die kostengünstige Energie ist doch ein Grundproduktionsfaktor für eine erfolgreiche Wirtschaft, für eine erfolgreiche Industrie, damit ein Grundfaktor für die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit ein Grundfaktor für die Schaffung von Wohlstand. Das blenden Sie völlig aus. Es wird dann so lapidar festgestellt: Na ja, die Amerikaner haben ein Fünftel der Energiekosten, die wir haben!, oder: Wir haben die fünffachen Energiekosten, die die Amerikaner haben! Das geht sich dann am Ende, was den wirtschaft­lichen Erfolg betrifft, was den Standort Europa, Deutschland, Österreich betrifft, nicht aus.

Was wird folgen? – Die Industrie wird abwandern und damit werden Arbeits­plätze verloren gehen, vernichtet werden und damit Wohlstand beschädigt und vernichtet. Das ist doch nicht vernünftig. Also ich ersuche schon, auch in diesem durchaus wichtigen Bereich Vernunft walten zu lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenig vernünftig ist auch das Geld-im-Kreis-schick-Spiel CO2-Steuer auf der einen Seite und Klimabonus auf der anderen Seite. Ich bringe jetzt nur die Kurzversion. Das hat mit Vernunft nichts zu tun. Wenig vernünftig ist es auch, im Rahmen des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes, das jetzt ja sozusagen in der Pipeline ist, Anlagegüter mit erheblichem Wert vor Ende der Nutzungsdauer, und zwar weit vor Ende der Nutzungsdauer, auf den Müllhaufen zu schmeißen. Welcher vernünftige Mensch macht so etwas? – Kein vernünftiger Mensch, aber die Regierung will sämtliche Gasheizungen, Ölheizungen und so weiter einfach wegschmeißen. Das ist doch ökonomisch ein Schildbürgerstreich zulasten unserer Bürger. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist auch nicht unbedingt vernünftig, die strategische Gasreserve, nachdem man in einer Panik draufgekommen ist, dass wir das vielleicht bräuchten, zu Irrsinnspreisen einzukaufen, 20 Terawattstunden um 4 Milliarden Euro. Wenn man das strategisch erkannt hätte, und wir haben auch vorher schon gefordert, es den Deutschen nachzumachen, wenn man das also ein, zwei Jahre früher gekauft hätte, hätte das einen Bruchteil davon gekostet. – Ist ja nur Steuerzah­lergeld, wir haben’s ja. – Nein, wir haben’s nicht! Wir machen 17 Milliarden Euro Defizit bei steigenden Zinsen.

Meritorder ist vom Kollegen von den Grünen schon angesprochen worden. Erstens einmal ist es jetzt nicht prioritär unsere Aufgabe als Oppositionspartei, da Änderungen herbeizuführen, sondern es ist eine Aufgabe auf europäischer Ebene. Natürlich gibt es da Alternativsysteme, das iberische Modell, es gibt Systeme, nach denen man die Märkte zwischen einem Grundlastmarkt, der geregelt ist, und einem Spitzenmarkt, der durchaus frei bleiben kann, trennt. Da gibt es genug, aber es fehlt der politische Wille. Es wird uns erzählt, es sei alles so schwierig und so kompliziert. Das erzählt mir meistens jemand, der Dinge nicht machen will.

Sie wollen das nicht machen, die Europäische Union will das nicht machen. Warum nicht? – Weil die Situation ja jetzt herrlich ist. Und da sind wir jetzt bei den bösen Energiekonzernen, die sich Milliarden Euro verdienen. Das ist richtig, die verdienen sich Milliarden Euro. Aber wer sind denn die bösen Energie­konzerne in Österreich? – Das sind doch in der Masse der Verbund, der mehr oder weniger im Staatseigentum steht, und die Landesenergieversorger im Landeseigentum. Was passiert denn dann mit den Milliarden und Millionen Euro, die sie an Gewinn machen? – Die werden im Rahmen der Gewinnausschüttung verwendet, um dann irgendwelche Budgetlöcher in Niederösterreich, im Burgenland, in Kärnten oder bei Ihnen, Herr Finanzminister Brunner, zu stopfen. Und wer zahlt das am Ende? – Wieder der Bürger. Das ist doch nicht vernünftig.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „umgehendes Aussetzen des ,Merit-Order-Prinzips‘ zur Strom­preis­festsetzung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich umgehend und mit Nachdruck auf Europäischer Ebene für ein sofortiges Aussetzen des sogenannten ,Merit-Order-Prinzips‘ zur Strompreisfestsetzung einzusetzen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

14.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger und weiterer Abgeordneter

betreffend umgehendes Aussetzen des „Merit-Order-Prinzips“ zur Strompreis-festsetzung

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11: Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1669 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvor­anschlages für das Jahr 2023 (Bundesfinanzgesetz 2023 – BFG 2023) samt Anlagen (1787 d.B.) (UG 43 Klima, Umwelt und Energie) in der 183. Sitzung des Nationalrats am 17. November 2022

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der seit Monaten extrem steigenden Gaspreise auch als Folge der Sanktionspolitik gegenüber Russland stößt das derzeit zur Anwendung kommende Strompreisbildungssystem auf Europäischer Ebene auf zunehmendes Unverständnis und massive Kritik.

So führt das sogenannte Merit-Order-Prinzip, wonach jene an der Strombörse anbietenden Kraftwerke, die billigeren Strom produzieren, zuerst zur Deckung der Nachfrage herangezogen werden, letztlich dann aber das teuerste zur Deckung der Nachfrage benötigte Kraftwerk, sprich: Gaskraftwerke, den Preis bestimmt, in der jetzigen Situation zu einer zusätzlichen Befeuerung der Strompreise.

Somit bestimmt gegenwärtig die letzte erforderliche Kilowattstunde aus einem Gas­kraftwerk den Preis, der letztlich vom Kunden zu zahlen ist. Die in Österreich wesentlich günstigere Stromproduktion, bspw. durch die heimische Wasserkraft oder Windenergie, kommt aufgrund dieser in der jetzigen Situation mehr als absurd anmutenden Preisbildungsmethodik nicht beim Konsumenten an.

Dies führt derzeit dazu, dass die Stromproduzenten den Strom, der in Österreichs Haushalten verbraucht wird, derzeit um 4,4 Milliarden Euro über den Herstellungs-kosten verkaufen, wie das österreichische Online-Tarifvergleichsportal durchblicker.at kürzlich errechnete.

„2023 werden es nach jetzigem Stand allein im ersten Jahresviertel 2,7 Milliarden Euro sein“, so der Energieexperte von durchblicker.at, Stefan Spiegelhofer. Jährlich verbrauchen Österreichs Haushalte gemeinsam rund 18 Terawattstunden (TWh) Strom. Rund 85 Prozent davon stammen aus erneuerbaren Energiequellen.

Die höchsten Zufallsgewinne entstehen im österreichischen Strom-Mix in der Wasser-kraft, in der Windenergie und bei Biomasse. (09.09.2022/ https://help.orf.at/-stories/3215025/)

In Krisenzeiten, wie diesen kann es daher nicht sein, dass günstig hergestellter Strom aus Wasserkraft, Solarenergie oder Wind zum selben Preis verkauft wird, wie der aufgrund des Gaspreisexplosion viel teurer produzierte Strom. Auch wenn das Merit-Order-Prinzip unter „normalen“ Marktbedingungen funktioniert, so ist es jetzt geeignet, am Rücken der Bevölkerung die Preise künstlich in die Höhe zu treiben. Während Energieunternehmen dadurch Rekordgewinne schreiben, stürzt die Stromrechnung unzählige Menschen in Existenznot und gefährdet den Wohlstand im Land.

Eine dringende Entkoppelung der Strom- von den Gaspreisen und somit ein Aussetzen des Merit-Order-Prinzips auf unbestimmte Zeit ist daher ein Gebot der Stunde und im Interesse der heimischen Bevölkerung umgehend mit Nachdruck zu verfolgen.

Spät aber doch erfolgt nun auch beim österreichischen Bundeskanzler Nehammer ein Umdenken.

Noch im Mai dieses Jahres wurde von Seiten des Finanzministeriums klargestellt, dass aufgrund der aktuellen Strom-Gaspreis-Kopplung derzeit auch Stromunternehmen von den steigenden Gaspreisen, deren Stromproduktion zu einem überwiegenden Anteil aus Erneuerbarer Energie stammt, profitieren, man die derzeitige Art der Strompreisbildung nicht in Frage stelle. (06.05.2022/SN)

Wurden bisher somit auch von Seiten der österreichischen Bundesregierung ent­sprechende Forderungen nach einer Entkoppelung der Strom- und Gaspreise belächelt oder überhaupt abgelehnt, so fordert nun auch Nehammer genau dieses, was angesichts der Untätigkeit der letzten Monate geradezu zynisch in den Ohren derer klingen mag, die nicht mehr wissen, wie sie ihre Stromrechnungen begleichen sollen.

„Wir müssen diesen Irrsinn, der sich derzeit auf den Energiemärkten abspielt, endlich stoppen“, so Nehammer. „Man muss den Strompreis vom Gaspreis entkoppeln, und er muss sich wieder an die tatsächlichen Kosten der Erzeugung annähern“, so Nehammer weiter.

Die Europäische Kommission hat sich jedoch in diesem Zusammenhang bis dato lediglich auf Ankündigungspolitik beschränkt und noch keine konkreten Initiativen zur dringend erforderlichen Entkopplung der Strom- von den Gaspreisen vorgelegt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich umgehend und mit Nachdruck auf Europäischer Ebene für ein sofortiges Aussetzen des sogenannten „Merit-Order-Prinzips“ zur Strompreisfestsetzung einzusetzen."

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Johann Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.