9.55
Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss Kollegen Gerstl enttäuschen (Abg. Yılmaz: Der ist das gewöhnt!), ich rede heute nicht über Neuwahlen, sondern ich rede über den Rücktritt der Bundesregierung. (Heiterkeit des Abg. Gerstl.) – Diese Diskussion, Herr Kollege Gerstl, ist nicht unsachlich, sondern höchst notwendig zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)
Weil Sie über die Dauer von Gesetzgebungsperioden gesprochen haben, möchte ich Sie auch darauf aufmerksam machen: Seit 1971 gibt es eine Partei in diesem Haus, die als einzige dafür gesorgt hat, dass Regierungen vorzeitig aufgelöst werden, wenn es ihr gerade in den Kram gepasst hat, und das war die ÖVP, Herr Kollege Gerstl! Also lassen Sie das mit der Gesetzgebungsperiode vielleicht eher! (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben die Situation, dass es ein Volksbegehren zum Rücktritt einer Bundesregierung gibt. Ich glaube, das ist schon etwas bisher Einmaliges, und es wundert nicht, dass es so etwas gibt, wenn eine Regierung unter 30 Prozent Unterstützung hat, und das jetzt schon seit längerer Zeit. Es ist auch nachvollziehbar, denn dieser ständige Streit zwischen Ihnen beiden, diese falschen Prioritäten, diese falschen Schwerpunkte führen eben dazu, dass man kein Vertrauen mehr genießt.
Dann kommt noch etwas dazu, was Ihre Regierungstätigkeit über die letzten Jahre leider begleitet: Es kennt sich eigentlich niemand aus, muss man sagen, was Sie wirklich wollen, und das ist schon ein Problem. Es war in der Covid-Zeit ein Problem – man hat sich nicht ausgekannt, welche Maßnahmen gerade gegolten haben, was gerade zu tun war oder nicht zu tun war, und das ist Ihre Verantwortung gewesen. Jede Woche eine Showpressekonferenz ersetzt halt keine vernünftige Covid-Politik. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist ja dann bei der Teuerung so weitergegangen. Sie haben sich entschlossen, einen 150-Euro-Bonus auszuschicken, von dem, wenn es stimmt, bis jetzt erst 15 Prozent eingelöst worden sind – weil sich wieder keiner auskennt, was Sie damit wollten.
Dann ist der Klimabonus gekommen, ein Bonus, der teilweise online überwiesen wurde, bei anderen, die aber genauso die Möglichkeit gehabt hätten, es online zu bekommen, ist es halt ein Sodexo-Gutschein geworden – kein Mensch weiß, wieso das dann ein Sodexo-Gutschein war.
Leider geht das so weiter: Zuerst waren Sie gegen eine Strompreisbremse, jetzt sind Sie für eine Strompreisbremse. (Abg. Wöginger: Wir haben es beschlossen!) Sie können sich erinnern, Kanzler Nehammer hat im April, glaube ich, gesagt: Wir brauchen eine Übergewinnsteuer!, Finanzminister Brunner hat dann am 1. August gesagt: Nein, wir brauchen keine Übergewinnsteuer, das ist eine Strafe für die Unternehmen, die endlich einmal ordentlich verdienen!, heute reden Sie wieder von einer Übergewinnsteuer – also ich weiß nicht, was das eigentlich soll. (Beifall bei der SPÖ.)
Dann fangen Sie – und das ist schon bemerkenswert – eine Debatte zur Europäischen Menschenrechtskonvention an, in der einige sich kritisch äußern, andere wie Frau Edtstadler dann aber wieder meinen: Nein, da gibt es keine Diskussion! – Heute im „Morgenjournal“ diskutiert sie selbst darüber.
Ich frage mich wirklich: Was muss man da über die Europäische Menschenrechtskonvention diskutieren? Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist eines klar: Diese steht nicht zur Debatte und wird nicht zur Debatte stehen! (Beifall bei der SPÖ.)
Jetzt diskutieren wir über diese Dinge, dabei gäbe es so viel anderes zu tun – so viel anderes! –, und es passiert leider nicht. (Abg. Stocker: Die letzten drei Tage ist nichts passiert!)
Was ist mit dem Antikorruptionsgesetz? Wann kommt endlich das Antikorruptionsgesetz? Wenn eine Partei in der Regierung ist, für die die politische Verantwortung das Strafrecht und nicht der Anstand ist, da braucht es relativ rasch ein Antikorruptionsgesetz, aber es kommt einfach nicht! (Beifall bei der SPÖ.)
Was ist mit dem Klimaschutzgesetz? Was ist mit endlich preissenkenden Maßnahmen, die funktionieren? – Nichts passiert in diesem Land, das sinnvoll ist, und deshalb, geschätzte Damen und Herren, bin ich der Meinung, Herr Gerstl, dass ein Rücktritt der Regierung höchst angemessen wäre, höchst an der Zeit wäre und diesem Land wirklich guttun würde. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Abg. Fürlinger. – Abg. Kickl ... immer mitstimmen dann, Herr Kollege! – Abg. Wöginger: Er ist frustriert, weil er den Schnitzelgutschein nicht gekriegt hat!)
09.59
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kaniak. – Bitte.