12.35

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Jahr neigt sich dem Ende zu und wir stehen mitten in einer noch nie da gewe­senen Energiekrise, der wir hier als Hohes Haus und auch als Bundes­regierung mit verschiedenen Maßnahmen begegnen.

Kollegin Doppelbauer, wenn Sie sagen, Sie könnten eine halbe Stunde lang darüber referieren, was nicht passiert ist: Liebe Damen und Herren, wir haben hier drei lange Plenartage, an denen wir stundenlang darüber diskutieren, was passiert und was das Parlament in dieser Krise alles tut. Auch diese Seite sollte man einmal betrachten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Oberstes Ziel muss sein, gut durch diese Krise zu kommen. Ja, es ist noch einiges offen, aber wir arbeiten auch daran. Daher geht es heute um drei Punkte, auf die ich kurz eingehen darf.

Das ist zum einen die Unterstützung durch Dienstleisterinnen und Dienstleister. Unternehmen sollen auf ihrem Weg zu Förderungen von Steuerberater:innen, Wirtschaftstreuhänder:innen und Betriebsprüfer:innen unterstützt und begleitet werden. Damit wollen wir eine neue Regelung schaffen, um die Dinge für die Betroffenen zu erleichtern, anstatt Menschen und Unternehmen Steine in den Weg zu legen.

Punkt zwei: Das ElWOG wurde bereits erwähnt. Auch in diesem Bereich gibt es notwendige Änderungen. Zum einen treibt ja die Energiekrise seltsame Blüten, indem sogar Energieversorgungsunternehmen aufgrund der exorbitanten Markt­preise aus diesem Markt austreten. Die Folge ist, dass Haushalte plötzlich ohne Energieversorger dastehen. Diese Haushalte sollen in dieser ganz speziellen Situation von einer gesetzlichen Regelung geschützt werden. Auch in diesem Bereich wollen wir die Menschen nicht alleinlassen, sondern wir wollen sie in dieser durchaus schwierigen Lebenslage, die es nicht alle Tage gibt, unter­stüt­zen.

Der dritte Punkt betrifft die Netzverluste. Was ist ein Netzverlust? – Die Netze gehorchen physikalischen Gesetzmäßigkeiten, auf dem Weg des Stroms wird Energie in Form von Wärme verloren. Dieser Teil der Energie muss irgendwie ausgeglichen werden, weil er ja davor gekauft und erzeugt wurde. Das heißt, diese Netzverluste wurden auch bisher schon von den Kundinnen und Kunden der Netze getragen. (Zwischenruf des Abg. Angerer.) Durch die gestiegenen Kosten wollen wir aber diese Verluste ausgleichen. Das ist eine Maßnahme, die wahrscheinlich gar nicht so offenkundig und offensichtlich wird, weil sie einfach Kosten abfedert, die sonst entstanden wären.

In diesem Zusammenhang darf ich auch den folgenden Antrag einbringen, und zwar den Abänderungsantrag der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 geändert wird, in 1898 der Beilagen.

Der Antrag liegt Ihnen vor. Im Wesentlichen geht es darum, die Menschen mit einer Kostenentlastung in der Höhe von rund 260 Millionen Euro für ein halbes Jahr zu unterstützen. Das entspricht in etwa Mehrkosten von 60 Prozent, die da abgefedert werden sollen.

Meine Damen und Herren, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen brauchen in dieser Krise Hilfe. Die Menschen brauchen die Unterstützung des Staates. Unser oberstes Ziel ist und bleibt, den Menschen dabei zu helfen und alles zu tun, um gut durch diese Krise zu kommen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.38

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Tanja Graf, Lukas Hammer, Alois Schroll,

Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht und Antrag des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und -orga­ni­sationsgesetz 2010 geändert wird (1898 d.B.) (TOP 7)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der oben zitierte Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1898 d.B. wird wie folgt geändert:

1. Z 1 erhält die Ziffernbezeichnung Z 1a. Vor der Ziffer 1a wird folgende Z 1 eingefügt

„1. Im Inhaltsverzeichnis wird nach dem Eintrag zu § 77a folgender Eintrag eingefügt:

            „§ 77b.            Versorgung nach Marktaustritt eines Lieferanten““

2. Nach der neuen Z 1a werden folgende Z 1b und 1c eingefügt:

„1b. (Verfassungsbestimmung) Dem § 53 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) (Verfassungsbestimmung) Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie für das erste Halbjahr 2023 werden im Ausmaß von 173 Euro pro MWh durch Bun­desmittel bedeckt. Die dafür benötigten Bundesmittel werden im Rahmen des Budget­vollzugs 2023 bereitgestellt. Der Bund hat die Mittel den Netzbetreibern bedarfs­gerecht zur Verfügung zu stellen. Wird die Netzverlustenergie für mehrere Netzbetrei­ber über eine gemeinsame Beschaffung zentral beschafft, können die Mittel auch direkt jenem Unternehmen, dem die gemeinsame Beschaffung obliegt, zur Verfügung gestellt werden. In den Verfahren zur Feststellung der Kostenbasis gemäß § 48 sind lediglich jene Kosten und Mengen festzustellen, die nicht aus Bundesmitteln bedeckt werden. Im Verfahren zur Bestimmung der Systemnutzungsentgelte gemäß § 49 sind die nach diesem Absatz bereitgestellten Bundesmittel ausschließlich bei der Festle­gung der Netzverlustentgelte für Entnehmer zu berücksichtigen.“

1c. Nach § 77a wird folgender § 77b samt Überschrift eingefügt:

„Versorgung nach Marktaustritt eines Lieferanten

§ 77b. (1) Kündigt ein Lieferant alle Verträge mit Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG, hat der Lieferant die Kündigung der Vertragsverhältnisse und den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung der Regulierungsbehörde und den Netzbetreibern, in deren Netz sich betroffene Zählpunkte befinden, mindestens acht Wochen vor Marktaustritt mitzuteilen. Mindestens vier Wochen vor Ende des Vertragsverhält­nis­ses hat der Lieferant jene Kunden, für die noch kein Verfahren gemäß § 76 eingeleitet wurde, schriftlich an das Ende des Vertragsverhältnisses zu erinnern und über die notwendigen Schritte für den Abschluss eines neuen Liefervertrages zu informieren.

(2) Kunden, die bis zum Ende des Vertragsverhältnisses keinen Vertrag mit einem neuen Lieferanten abgeschlossen haben, sind mit dem auf das Ende des Vertrags­ver­hältnisses folgenden Tag von jenem Lieferanten zu versorgen, der zum 31. Dezember des Vorjahres über die größte Anzahl an Kunden gemäß Abs. 1 im Netzbereich verfügte. Die Regulierungsbehörde hat den betroffenen Lieferanten über den Eintritt der Versorgung nach Marktaustritt zu informieren.  

(3) Jeder Netzbetreiber hat der Regulierungsbehörde zu melden, welcher Lieferant in seinem Netzgebiet zum Stichtag 31. Dezember über die größte Anzahl an Kunden gemäß Abs. 1 verfügt und wie hoch diese Anzahl ist. Die Meldung hat jeweils bis zum 15. Februar des Folgejahres bei der Regulierungsbehörde einzugehen. Bis zum Einlangen dieser Meldung gilt die Meldung des Vorjahres. Die Regulierungsbehörde hat den Lieferanten gemäß Abs. 2 je Netzbereich auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen.

(4) Lieferanten gemäß Abs. 2 haben die ihnen zugeordneten Kunden zu angemes­senen Preisen zu versorgen, wobei sie nicht zu höheren Preisen versorgt werden dürfen als die Kunden, die zu den Haushaltstarifen des jeweiligen Lieferanten versorgt werden.

(5) Lieferanten gemäß Abs. 2 haben die ihnen zugeordneten Kunden unverzüglich über das Bestehen, die Dauer und die wesentlichen Inhalte des neuen Vertrags­ver­hältnisses sowie darüber, dass der Kunde jederzeit zu einem Lieferanten seiner Wahl wechseln kann, zu informieren.

(6) Wird über einen Zählpunkt eingespeist, übernimmt der neue Lieferant die eingespeiste Energie zu Marktpreisen abzüglich der aliquoten Aufwendungen für Ausgleichsenergie für die eingespeiste Energie.

(7) Die Versorgung der zugeordneten Kunden erfolgt zu den bei der Behörde ange­zeigten Allgemeinen Bedingungen. In den Allgemeinen Bedingungen enthaltene Bindungsfristen, Fristen und Termine für eine Kündigung des Vertrages gelten nicht.

(8) Netzbetreiber, in deren Netzgebiet Kunden gemäß Abs. 2 zugeordnet werden, haben dem Lieferanten gemäß Abs. 2 die Anzahl der betroffenen Zählpunkte sowie alle Daten, die für die Zwecke der Versorgung gemäß Abs. 2 notwendig sind, spä­testens zum Zeitpunkt des Vertragsendes elektronisch zu übermitteln.

(9) Die Versorgung gemäß Abs. 2 endet spätestens nach drei Monaten. Der zugeordnete Kunde kann den Vertrag jedenfalls unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist kündigen.

(10) Alle betroffenen Marktteilnehmer haben sich wechselseitig nach bestem Vermögen zu unterstützen, um die lückenlose Versorgung der betroffenen Kunden sicherzustellen.““

3. Nach Z 2 werden folgende Z 3 bis 5 angefügt:

„3. (Verfassungsbestimmung) Dem § 109 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„§ 53 Abs. 4 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2023 außer Kraft.“

4. Dem § 109 wird folgender Abs. 8 angefügt:

„(8) § 77b tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2024 außer Kraft.“

5. (Verfassungsbestimmung) In § 114 Abs. 2 wird nach der Wortfolge „§ 47,“ die Wortfolge „§ 53 Abs. 4, “ eingefügt.““

Begründung

Zu den §§ 53 Abs. 4 und 114 Abs. 2:

Aufgrund des massiven Anstiegs der Großhandelspreise am Strommarkt sind auch die Kosten für die Beschaffung von Netzverlustenergie signifikant angestiegen (siehe dazu die Ausführungen der E-Control im Begutachtungsentwurf zur Systemnutzungs­entgelte-Verordnung 2018 – Novelle 2023). Um die Auswirkungen dieses Preis­anstiegs abzufedern, sollen Bundesmittel bereitgestellt werden, die einen Teil der Beschaffungskosten abdecken.

Seit dem Jahr 2011 wird ein Großteil (ca. 98 %) der benötigten Netzverlustenergie gemeinsam für alle teilnehmenden Netzbetreiber von der Austrian Power Grid AG (APG) beschafft. Für die an der gemeinsamen Beschaffung teilnehmenden Netzbetreiber können die Budgetmittel auch direkt bei der APG zur Bedeckung der angefallenen Beschaffungskosten bereitgestellt werden.

Aufgrund der aktuellen Kostenwälzungssystematik sind 80 % der Netzverlustkosten durch die Entnehmer und die restlichen 20 % durch Einspeiser zu tragen. Dieser Systematik folgend fällt für Entnehmer im Jahr 2023 eine zusätzliche Kostenbe­las­tung in der Höhe von rund 850 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr an. Durch die in der Bestimmung vorgesehenen 173 Euro pro MWh ergibt sich bei Netzverlustmengen von rund 3 TWh für ein Jahr eine Kostenentlastung in der Höhe von rund 260 Mio. Euro für ein halbes Jahr, das entspricht etwas mehr als 60 % der Mehrkosten. 

Die Bedeckung der dafür benötigten Bundesmittel erfolgt auf Basis der Ermächtigung gem. Art. VI Abs. 6 BFG 2023 oder durch eine Änderung des Bundesfinanz- und Bundesfinanzrahmengesetzes.

Zu den §§ 77b und 109 Abs. 8:

Die enorm angestiegenen Großhandelspreise haben in den letzten Monaten auch am Endkundenmarkt Turbulenzen ausgelöst: Energieversorger und Lieferanten haben ihre Kunden abgestoßen und sind aus dem Markt ausgetreten. Lieferverträge mit Kunden wurden massenhaft gekündigt, was für die Betroffenen bedeutete, im Rah­men der Kündigungsfrist einen neuen Lieferanten suchen zu müssen.

Die Erfahrung zeigt, dass ein Teil der von solchen Vertragsbeendigungen betroffenen Kunden – das waren vor allem Haushaltskunden – nicht zeitgerecht aktiv wurde, in einen vertraglosen Zustand geriet und folglich von Abschaltungen bedroht war.

Mit der vorgeschlagenen Regelung werden Kunden (hier: Verbrauchern im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 KSchG), denen ein vertragsloser Zustand droht (dh konkret, dass ein Prozess gemäß § 76 sowie Wechselverordnung 2014 noch nicht eingeleitet wurde), automatisch einem neuen Lieferanten zugeordnet, der für einen zeitlich beschränkten Zeitraum die Versorgung übernehmen soll. Damit wird die lückenlose Versorgung von betroffenen Kunden sichergestellt.

Da die Regelung der turbulenten und derzeit schwer absehbaren Entwicklungen am Energiemarkt geschuldet ist, wird sie mit einer sunset clause versehen. Dies ermög­licht, sie zunächst in der Praxis zu erproben und gegebenenfalls verlängern bzw. anpassen zu können.

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Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert, an die Abgeordneten verteilt und steht daher auch mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Erwin Angerer, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.