16.26

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Wäre es für den Wirtschaftsstandort Österreich gut oder schlecht, wenn Asylwerberinnen und Asylwerber und ukrainische Flüchtlinge unbüro­kratischen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten? Darüber kann man nachdenken, sachlich Für und Wider abwägen – oder man ist die FPÖ und mittlerweile auch die ÖVP, dann kann man gar nicht mehr frei nachdenken, denn man ist schon völlig in seinem Populismus festgefahren, der jegliche Vernunft ersticken lässt.

Zu den Asylwerbern: In diesem Bereich gestalten die Regierungen seit vielen Jahren den Zugang zum Arbeitsmarkt höchst restriktiv, werfen dann den Asylwerber:innen vor, dass sie nicht arbeiten und Unterstützung brauchen, und wenn sie arbeiten, dass sie Österreichern und Österreicherinnen den Arbeits­platz wegnehmen.

Richtig und vernünftig wäre ein effektiver Zugang zum Arbeitsmarkt, das wäre für die Wirtschaft und für die Integration gut. Das AMS muss ja in jedem Fall prüfen, ob eh nicht ein Österreicher und auch kein EWR-Bürger für den Job in Frage kommt.

Aber was macht die Regierung, sogar unter Türkis-Grün? Nachdem der Verfas­sungsgerichtshof nach 17 Jahren die Einschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt gekippt hat – man durfte nur als Erntehelfer und Saisonarbeiter arbeiten –, gibt es weiterhin bürokratische Hürden, die es Asylwerbern nur schwer ermöglichen, wirklich zu arbeiten. Man zermürbt Menschen, man nimmt ihnen die Chance, sich selbst zu erhalten – aus Populismus.

Was Sie in Ihrem Populismus vielleicht vergessen – vielleicht motiviert Sie das zum Umdenken –: Über diesen Unsinn ärgern sich auch Österreicher, nämlich die Arbeitgeber, die sonst niemanden haben, verstehen das überhaupt nicht. Und besonders ärgern sie sich, wenn sie Asylwerber in einem Mangelberuf, in dem es ganz klar niemanden gibt, der das sonst machen würde, ausbilden und diese dann nach der Ausbildung oder nach ein paar Arbeitsmonaten abgescho­ben werden.

Das muss nicht sein. Denken wir an Deutschland! Dort werden Asylwerber ausgebildet, und auch dann, wenn sie einen negativen Bescheid erhalten, dürfen sie noch zwei Jahre lang dort im Betrieb arbeiten. Wo bleibt die Idee der Initiative Ausbildung statt Abschiebung von Rudi Anschober? Wo sind die Grü­nen, wenn man sie einmal braucht? Das sind viele Fälle. Es sind Zehntau­sende Fachkräfte, die in Mangelberufen fehlen, und damit Zehntausende – auch österreichische – Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die unter Ihrem Populismus leiden.

Dann hatten wir Hoffnung, dass es jetzt mit der ÖVP besser wird, wenn die ukrainischen Frauen und Kinder kommen. Da war es ja für die ÖVP nicht wie bei den Taliban nötig, Putin länger an seinen Taten zu messen. Aber da blieb es bei Worten, denn seit fast zehn Monaten verspricht die Bundesregierung rasche und adäquate Hilfe für die Ukrainer:innen, die zu uns geflohen sind, großteils Frauen, die hier sind und arbeiten wollen.

Ich muss Ihnen widersprechen, Herr Arbeitsminister, wenn Sie meinen, viele wollen das nicht, weil sie hoffen, zurückzukehren. Viele wollen es gerade deswegen, weil sie gerade jetzt Angst haben, dass die Aufenthaltserlaubnis hier wegen ihres Vertriebenenstatus vielleicht nicht verlängert wird – man hat immer die Sorge –, und weil sie sich natürlich selber erhalten wollen. Ich habe noch mit keiner Frau gesprochen, die gesagt hat, sie möchte abwarten. Ich höre nur welche und spreche nur mit welchen, die für sich und ihre Kinder hier selbst im Erwerbsleben das Geld erwirtschaften wollen.

Das wäre eine Win-win-win-Situation: gut für die Frauen und Kinder, gut für die Wirtschaft, gut für die Integration und auch für das Budget – sogar viermal win. Denn gerade die Ukrainerinnen sind hoch qualifiziert – 70 bis 80 Prozent laut UNHCR –, und laut AMS sind 25 000 auf dem Arbeitsmarkt integrierbar. Ihre 7 000 von heute sind da eine traurige Zahl.

Warum ist diese Zahl so niedrig? – Weil den Frauen mehrere Knüppel, einer nach dem anderen, vor die Füße geknallt werden. Es beginnt bei wochenlangem Warten auf die Blaue Karte. Dann kommt das Warten auf die Grundversorgung. Dann kommt das Warten auf die Beschäftigungsbewilligung. Wir hören von Unternehmern, die bis zur Beschäftigungsbewilligung mehr als vier Wochen ausharren müssen. (Abg. Hanger: Ich habe sie in drei Tagen bekommen!) – Schön für Sie. Vielleicht haben Sie gute Kontakte. – Erachten Sie es als zumutbar für Unternehmer? (Zwischenruf bei den NEOS. – Abg. Hanger: Wieso? Ich habe zwei Ukrainer angestellt!)

Dann gibt es noch eine absurde Zuverdienstgrenze von 110 Euro. Da wurde jetzt nach Monaten etwas bewegt, aber was es jetzt gibt, ist darüber hinaus ein absurdes, hoch kompliziertes Schlüsselsystem, wie man etwas dazuverdienen kann, das nicht praktikabel ist.

Arbeitskräfte, Talente von diesen Frauen werden da nicht gesehen. Sie werden demotiviert, in Richtung Grundversorgung geschoben: eine Inaktivitätsfalle – ein Missstand, der die Wirtschaft schwächt, integrationspolitisch eine Katastrophe ist und uns allen schadet.

Jetzt wird es noch absurder: Es verursacht noch zusätzliche Kosten. Warum? – Weil sich dann die Politik auf Bundeslandebene helfen muss, so wie beim Pflegenotstand. Die ÖVP in Niederösterreich beginnt, in Vietnam Frauen und Männern Deutsch beizubringen, sie dann zu uns zu fliegen und hier als Pflegekräfte ausbilden zu lassen. Das kostet weitere Millionen, weil wir nicht fähig sind, die Kompetenz von Menschen, die hier bei uns sind, zu heben. Das ist nur mehr absurd. (Beifall bei den NEOS.)

Hören Sie auf mit diesem Irrsinn! Sorgen Sie dafür, dass – was wir NEOS schon ewig fordern – die Menschen entsprechend ihren Talenten arbeiten können, dass es hier zu einer Anerkennung von Bildungsabschlüssen kommt, dass unbürokratische Schritte gesetzt werden und bürokratische, wie eine Beschäfti­gungsbewilligung, der Geschichte angehören, denn, Herr Arbeitsminister, es stimmt laut UNHCR nicht und ist für die Praxis nämlich nicht relevant, dass auf­grund des Risikos von Lohndumping der Bedarf nach einer Beschäftigungs­bewilligung besteht. Wir schließen uns dieser Meinung an. So könnten die Betroffenen entsprechend ihrer Qualifikation bei uns arbeiten. Von ihren Fähig­keiten profitieren würden auch wir.

ÖVP, springt einmal von eurem Populismuszug! Bringt etwas zum Laufen oder lasst einfach die guten Leute in den Ministerien ungestört arbeiten! Bis dahin sind Türkis und Grün verantwortlich für die Missachtung von Talenten in diesem Land und für das Vernachlässigen von Potenzialen, auch zum Schaden unserer Wirtschaft. (Beifall bei den NEOS.)

16.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Egger. Bei ihm steht das Wort. – Bitte sehr.