19.17

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte in der Vorweihnachtszeit das Jahr bewusst etwas milder Revue passieren lassen. Die Rede des Kollegen Saxinger stellt mich jetzt vor die schwere Aufgabe, dass ich ihm doch ein bisschen widersprechen und die ÖVP-Landesgesundheitsreferentinnen und -refe­renten fast verteidigen und in Schutz nehmen muss. Ich glaube, dass die durchaus ganz nahe an den Menschen sind, dass die tagtäglich erleben, was im Gesundheitssystem funktioniert und was nicht funktioniert.

Ich darf darum bitten – und das wäre das Ersuchen –, dass wir miteinander versuchen, die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. Wir sind in der paradoxen Situation, dass zahlreiche Spitzenpolitikerinnen und ‑politiker der ÖVP inzwischen sozialdemokratische Positionen übernehmen (Heiterkeit des Abg. Zarits), weil sie im eigenen ÖVP-Parlamentsklub kein Gehör finden. (Abg. Sieber: Welche Positionen wären denn das?) Wenn wir über die Weihnachtszeit in uns gehen und überlegen, wie man sie verbessern kann, würde das, glaube ich, auch der österreichischen Bevölkerung durchaus dienen.

Ich möchte nur an Johanna Mikl-Leitner erinnern, die in der Frage der Medizin­studienplätze ganz klar die Positionen der Sozialdemokratie übernommen hat und die in der eigenen Parlamentsfraktion der ÖVP kein Gehör findet. (Ruf bei der ÖVP: Die fasziniert dich, die Frau, die ...!) Landeshauptmann Drexler in der Steiermark hat zunehmend sozialdemokratische Positionen übernommen. Mit den Anträgen, die wir dann einbringen, scheitert er dann leider an der Blocka­depolitik von Teilen der ÖVP – von Teilen der ÖVP! (Abg. Sieber: Doskozil nimmt ÖVP-Positionen ein! Doskozil hast du vergessen!)

Das ist der zentrale Punkt, den ich schon ansprechen möchte. Ich glaube, über alle Parteigrenzen hinweg haben wir alle den Ernst der Lage erkannt, nämlich dass es so in Österreich nicht weitergehen kann. Wir haben heute auch mit Kollegen Hammer von den Grünen diskutiert. Es gibt nicht nur in der Ökologie sogenannte Kipppunkte, sondern wir stehen auch im Bereich der Gesundheits- und der Pflegeversorgung vor einer Situation, in der wir uns Zögern, Zaudern und Nichtstun einfach nicht leisten können. Sosehr es quer durch alle Parteien unterschiedliche Punkte und Zugänge gibt, ist das Einzige, was nicht funktioniert, einfach gar nichts zu tun. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.)

Es gibt Teile – ich sage es noch einmal: Teile – des ÖVP-Parlamentsklubs, die einfach sagen: Es muss alles so bleiben, wie es vor 40 Jahren war; es darf sich nichts einen Millimeter ändern und wir machen weiterhin alte Standespolitik! – So kommen wir in Österreich nicht weiter (Beifall bei der SPÖ – Zwischenrufe bei der ÖVP), weder im Bereich der Pflege noch im Bereich des Ärztemangels noch im Bereich der Zweiklassenmedizin noch im Bereich der Leistungsharmo­ni­sierung, sodass alle Menschen in Österreich wirklich die gleich gute Versorgung bekommen.

Es gibt sehr viele Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP in den Ländern, die sich wirklich erhoffen, dass wir in Österreich da weiterkommen. Es ist leider wirklich die Parlamentsfraktion der ÖVP, es sind Teile dieser Parlamentsfraktion, die da eine Stahlbetonmauer bilden und jegliche Erneuerung verhindern.

Und der letzte Punkt: zur Frage, wie wir miteinander umgehen, zwei Punkte: In der Akutsituation von Corona hat es zahlreiche Beschlüsse gegeben, die alle Parteien einstimmig hier in diesem Hohen Haus mitgetragen haben. Aber, Herr Bundesminister, ich bitte Sie – wir werden irgendwann aus diesem Krisenmodus herauskommen müssen –: Es kann doch nicht sein, dass eine 40-seitige Novelle des Ärztegesetzes dem Gesundheitsausschuss ohne Begutachtung hingehaut wird, und dann sagt man: 40 Seiten, beschließt sie oder nicht! Man sagt, wir brauchen keine Begutachtung – aber wir sind nicht ständig in einer Akutsitu­a­tion, Herr Bundesminister! Das ist etwas, was wir nicht ins neue Jahr mitnehmen sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Noch ein Punkt – Kollege Hörl, wir könnten durchaus auch miteinander disku­tieren und streiten (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl) –: Es gibt Hunderte Anträge – Hunderte Anträge! – im Gesundheitsausschuss, quer durch alle Oppositionsparteien, die nicht einmal diskutiert und behandelt werden, sondern die einfach nur vertagt werden. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Hörl.) Wenn alles so Weltklasse wäre, Herr Kollege Hörl, wenn die Gesundheitsversorgung Weltklasse wäre und wir gar nichts ändern müssten, wie es die ÖVP glaubt, dann könnten wir diese Anträge weiterhin vertagen und in der Schublade liegen lassen. Aber auf der einen Seite zu sagen, es passiere eh alles, und auf der anderen Seite geht dann gar nichts weiter und es wird alles vertagt, was die Opposition einbringt, das kann nicht funktionieren. Dann bringt bessere Vorschläge! Ich bin froh, wenn die ÖVP munter wird und sagt: Wir machen etwas anderes!, aber ihr bringt keine Vorschläge ein und ihr vertagt alles, was die Opposition hier ins Hohe Haus bringen möchte.

Das ist, glaube ich, kein Umgang, wie wir ihn miteinander pflegen sollten. Des­wegen noch einmal die Bitte: Lösen wir diese Themenfelder miteinander! Versuchen wir gemeinsam, Lösungen für die Patientinnen und Patienten in Österreich zu finden! Vertagen und Drüberfahren kann kein Zugang sein. Lieber Herr Kollege Hörl, vielleicht kannst du in der Weihnachtszeit ein bisschen in dich gehen und versuchen, die eigenen Kolleginnen und Kollegen der ÖVP auf Linie zu bringen. Johanna Mikl-Leitner ist längst ein Fan der sozialdemokratischen Gesundheitspolitik (Heiterkeit bei der ÖVP), sie scheitert leider an der Beton­frak­tion hier im Hohen Haus. (Abg. Steinacker: Bitte keine Unterstellungen an die niederösterreichische Landeshauptfrau! – Abg. Ottenschläger: Da musst du ja selber lachen!)

Deswegen bitte ich wirklich: Geht in der Weihnachtszeit in euch, und versuchen wir miteinander, die Gesundheitspolitik im neuen Jahr endlich aktiv zu gestalten! (Beifall bei der SPÖ.)

19.21

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fiona Fiedler. – Bitte, Frau Abgeordnete.