15.01

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! In der Ukraine tobt seit zehn Monaten ein Krieg, der unser aller Vorstellungsvermögen definitiv übersteigt. In einem konventionellen Krieg ist jegliche Men­schenachtung ausgeschaltet, und der brutale Aspekt der Menschenverachtung ist gerade für die Zivilbevölkerung – insbesondere für Frauen, Kinder, ältere Menschen und kranke Menschen – bittere Realität geworden. Die systematische Zerstörung kritischer Infrastruktur – Strom, Gas, Wasser – in der Ukraine zeugt leider in besonders brutaler Form – gerade jetzt im Winter, mit Dauerfrost und Minusgraden – davon.

Ob Frieren oder Hungern, es bleibt, was es ist: die Demütigung des Feindes, insbesondere die Erniedrigung der Zivilbevölkerung, um Widerstand zu brechen. Diese entmenschlichte Kriegsführung hat leider lange Tradition. Wie wir se­hen ist dieser Zivilisationsbruch auch im 21. Jahrhundert noch immer nicht über­wunden. Die täglichen Berichte und Bilder zeugen davon.

Daher ist auch die Philosophie eines sauberen Krieges, wie die Bush-Admi­nistration das in den 1990er-Jahren glaubhaft machen wollte, eine un­wahre Darstellung von Krieg. Der saubere Krieg ist und bleibt Illusion, es gibt ihn nicht, und schon gar nicht ist er eine Legitimation, Menschen zu töten. 9/11 hat die Welt dramatisch verändert, völlig neue Aspekte der Kriegsführung und Militarisierung hervorgebracht. Auch in einer hochtechnologisierten Zeit hinterlassen gezielte Drohnenschläge immer wieder zivile Opfer, vor allem Frauen und Kinder.

Meine Damen und Herren! Vor 90 Jahren ereignete sich in der Sowjetunion eine der größten humanitären Katastrophen im 20. Jahrhundert. Geschätzt wur­den mehr als sechs Millionen verhungerte Menschen – sie wurden nicht regis­triert –, ausgerechnet in der Kornkammer Europas, der Ukraine, aber auch in Kasachstan und im Nordkaukasus! Stalins Klassenkampf gegen Großbauern und ethnische Gruppen war ein Programm der Kollektivierung von Grund und Boden und hinterließ ein Schlachtfeld von Hungertoten. Dieser ging als Ho­lodomor in die Geschichte ein.

Im Zweiten Weltkrieg gab es die Belagerung von Leningrad durch Nazi­deutschland: in eineinhalb Jahren mehr als 600 000 tote Zivilisten, darunter wie­der Frauen, Kinder, ältere Menschen. Die erschöpften Vorräte sorgten insbesondere im Winter 1941/42 für diese Katastrophe. Das heutige Sankt Pe­tersburg wurde systematisch ausgehungert.

Um mit Willy Brandt, einer Lichtgestalt der Völkerverständigung, der Solidarität und der friedlichen Koexistenz, anlässlich seiner Verleihung des Friedens­nobelpreises in Oslo zu schließen: „Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio.“ Denken wir gerade in diesen Stunden an Willy Brandt und seine Aussagen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.04

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.