17.09

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Zurück zur Türkei: Seit Jahren lässt Erdoğan Kurd:innen militä­risch angreifen. Das geht seit Jahren so – denken wir zurück an den Ausbruch des Kriegs in Syrien vor mehr als zehn Jahren oder auch an die türkische Militäroffensive 2018 in Afrin. All diese Angriffe erfolgen mit dem klaren und offenbaren Ziel, Kurd:innen zu verdrängen, sie wegzubekommen. Im Mai dieses Jahres hat Erdoğan das mit der Errichtung dieses Sicherheitskorridors an der türkisch-syrischen Grenze auch selbst bestätigt. Diese Grenze, werte Kollegen und Kolleginnen, ist 600 Kilometer lang und 30 Kilometer breit. All das wird mit dem fadenscheinigen Argument etabliert, Terror zu bekämpfen, in Wahrheit aber handelt es sich um eine pure Verdrängung von Kurdinnen und Kurden und de facto um eine türkische Besatzung dort, und das muss man auch in dieser Deutlichkeit so sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit dem Argument der Terrorbekämpfung hat Erdoğan auch am 20. November 2022 kurdische Gebiete in Nordostsyrien und im Nordirak erneut angrei­fen lassen. Luftangriffe erfolgten auch durch den Iran – ganz bewusst auf kur­dische Gebiete. Die Folge: Zivilist:innen als Todesopfer durch Angriffe auf Kliniken, auf Flüchtlingsunterkünfte. Alleine in Rojava, und diese Information haben wir vom Rojava Information Center, gab es 500 Angriffsziele und 100 getötete Zivilistinnen und Zivilisten.

Die Invasion der Türkei ist aber nicht zu Ende. Tagtäglich besteht die Gefahr, vor allem in Kobane, einer Bodenoffensive, und die Gefahr ist groß, werte Kol­legen und Kolleginnen. Nicht erst die jüngsten Angriffe im November 2022 zei­gen, dass die Türkei mit Präsident Erdoğan ganz systematisch gegen Kurd:in­nen in der Türkei, in Nordostsyrien, im Nordirak, in allen möglichen Re­gionen vorgeht. Es handelt sich dabei ganz klar um gröbste Menschenrechtsver­letzungen und um den Bruch des humanitären Völkerrechts. Erdoğan bricht das Völkerrecht, und das Dramatische ist, geschätzte Kollegen und Kolleginnen: Wir hören von der Bundesregierung nichts. Wir hören vom Bundeskanzler nichts, wir hören vom Außenminister nichts. Alle schweigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das geht so nicht. Da muss ganz klar Stellung bezogen werden. Die Angriffe Er­doğans auf Kurd:innen müssen auf das Schärfste verurteilt werden, und es muss bei türkischen Vertreterinnen und Vertretern auf einen Stopp der Angriffe gedrängt und gepocht werden, Herr Minister, und bei jeder Gelegenheit müssen Sie die Einhaltung der umfassenden Menschenrechte zum Thema ma­chen.

Deshalb, werte Kollegen und Kolleginnen, darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verurteilung und Stopp der Türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheit wird aufgefordert, die türkischen Angriffe auf alle kurdische Ziele auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene aufs Schärfste zu verurteilen und gegenüber offiziellen Vertreterinnen und Vertreter der Republik Türkei bei jeder Gelegenheiten sowohl auf ein Ende der gewaltsamen Angriffe auf Kurdinnen und Kurden im eigenen Land und der Region als auch auf die umfassende Einhaltung der Menschenrechte generell zu pochen.“

*****

Wir dürfen um breite Zustimmung bitten, weil der Bruch des humanitären Völ­kerrechts und der stetige Bruch der Menschenrechte nicht hinzunehmen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

17.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Katharina Kucharowits, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Verurteilung und Stopp der Türkischen Angriffe in Nordostsyrien und dem Nordirak

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 15 / Bericht des Außenpolitischen Aus­schusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2021 der Bundesregierung (III-770/1766 d.B.)

In der Nacht auf Sonntag, den 20. November 2022, bombardierten türkische Streitkräfte breitflächige Gebiete im Norden und Osten Syriens und in Teilen der autonomen Region Kurdistan - Irak. Ziel waren aber nicht etwa Stellungen des Islamischen Staates, sondern de facto autonome, vor allem kurdisch besiedelte Regionen. Rojava, die autonome Administration von Nord- und Ostsyrien stand einmal mehr im Mittepunkt türkischer Angriffe. Tags darauf erreichten die Bombardierungen eine weitere Dimension: Auch die iranischen Revolutionsgarden griffen kurdische Ziele im Nordirak und in Ostsyrien an (vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-anschlag-in-istanbul-turkei-startet-luftangriffe-auf-syrien-und-irak-8897656.html). Neben Verwaltungsgebäu­den wurden mutmaßlich auch eine Klinik und ein Flüchtlingslager von den Angriffen getroffen, womit diese verheerenden Angriffe zivile Opfer verzeichneten. Offi­zielle Stellen und Behörden sprechen von mehr als 250 Todesopfern, darunter auch rund 20 Zivilistinnen und Zivilisten. Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein.

Laut der Organisation "Rojava Information Center" wurden allein in Rojava knapp 500 Ziele angegriffen. Diese Offensive hat das Leben von rund 100 Zivilistinnen und Zivilisten gefordert und zerstört gleichzeitig lebenswichtige Infrastruktur, wie zB Kraftwerke. Hilfsorganisationen warnen vor dem bevorstehenden Winter, in dem sowohl Haushalte als auch die Flüchtlingslager ohne ausreichende Energiever­sorgung auskommen müssen. Die türkische Invasion ist noch nicht zu Ende, vor allem die Regionen Kobane und Manbij stehen vor einer unmittelbaren Gefahr einer Bodenoffensive.

Diese erneute Anschlagsserie am und seit dem 20. November ist nur die jüngste Eskalation in einer ganzen Reihe von andauernder, brutaler Gewalt gegen Kurdinnen und Kurden in der Türkei selbst, in Nordostsyrien, im Nordirak und generell in den benachbarten Regionen. Seit Ausbruch des Krieges in Syrien 2011/2012 und verstärkt seit der türkischen Militäroffensive auf Afrin Anfang 2018 greifen türkische Streitkräfte immer wieder nordostsyrische, vorwiegend kurdische, Gebiete und Regionen an, offenbar mit dem Ziel, die kurdisch-stämmige Bevölkerung zu verdrängen. Im Mai dieses Jahres bestätigte das auch Präsident Erdogan selbst, in dem er sein Ziel eines Sicherheitskorridors entlang der türkisch-syrischen Grenze präsentierte: Auf mutmaßlich 600 km Länge und 30 km Breite wolle die Türkei dafür sorgen, terroristische Bedrohungen einzugrenzen. De facto würde es sich dabei aber um eine türkische Besatzung des Gebiets handeln (vgl. https://www.derstandard.at/story/2000135989102/erdogan-kuendigt-neuemilitaeroperation-an-syrien-grenze-an), die Kurdinnen und Kurden ihre Lebensgrundlage vollends rauben und vertreiben würde.

Nicht erst die jüngsten Angriffe im November 2022 zeigen, dass die Türkei unter Präsident Erdogan systematisch gegen Kurdinnen und Kurden im eigenen Land, aber vor allem auch in Nordostsyrien und im Nordirak vorgeht, gröbste Men­schenrechtsverletzungen begeht und tausende Kurdinnen und Kurden dadurch ihr Leben verlieren. Österreich sollte klar gegen Menschenrechtsverletzungen Stellung beziehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheit wird aufgefordert, die türkischen Angriffe auf alle kurdische Ziele auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene aufs Schärfste zu verurteilen und gegenüber offiziellen Vertreterinnen und Vertreter der Republik Türkei bei jeder Gelegenheiten sowohl auf ein Ende der gewaltsamen Angriffe auf Kurdinnen und Kurden im eigenen Land und der Region als auch auf die umfassende Einhaltung der Menschenrechte generell zu pochen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michel Reimon. – Bitte.